Ist die Kapselendoskopie sinnvoll zur Früherkennung von Dünndarm-Neoplasien?

Eine aktuellen Studie zufolge ist die Prävalenz von Dünndarm-Neoplasien bei asymptomatischen Patienten mit Lynch-Syndrom sehr gering. Die detektierten Läsionen befanden sich in Reichweite der konventionellen Gastroduodenoskopie. Hintergrund Das Lynch-Syndrom ist eine autosomal dominante Tumorerkrankung mit einer geschätzten Inzidenz in Deutschland von ca. 6000 Neuerkrankungen pro Jahr. Karzinome des Dünndarms sind zwar extrem selten. Allerdings können bei Patienten mit Lynch-Syndrom Karzinome nicht nur im Bereich von Kolon und Rektum, sondern auch in anderen Darmabschnitten und Organen auftreten. Eine fortlaufende Überwachung des Dünndarms wird bei dieser Patientengruppe bislang nicht empfohlen. Doch ist diese Empfehlung vor dem Hintergrund zu sehen, dass es bisher keine guten endoskopischen Untersuchungsverfahren für diesen Darmabschnitt gab. Diese Möglichkeit ist heute durch die Kapselendoskopie gegeben. Patienten und Methoden Bei 200 asymptomatischen Trägern einer nachgewiesenen MMR-Genmutation eines Lynch-Syndroms (früher hereditäres nonpolypöses Kolorektalkarzinom HNPCC) im Durchschnittsalter von 50 Jahren (Bereich 35 - 69 Jahre) wurden nach entsprechender Vorbereitung Kapselendoskopien durchgeführt. Ausgeschlossen waren Patienten mit vorangegangenen chirurgischen Eingriffen im Bereich des Dünndarms oder der Ileozökalklappe, mit Verdacht auf Dünndarmstrikturen, Schwangere oder Personen mit psychischen und somatischen Erkrankungen, die eine Teilnahme an der Studie unmöglich machten. In 95 % der Untersuchungen gelang eine Dünndarmdarstellung bis zum Zökum. Ergebnisse Bei zwei Personen wurden Neoplasien im Bereich des Dünndarms entdeckt: ein Adenokarzinom und ein Adenom, die beide im Duodenum lokalisiert waren. Bei einem dritten Patienten wurde sieben Monate nach der negativen Kapselendoskopie ein Duodenalkarzinom diagnostiziert. Diese Läsion betrachtet man als in der Kapselendoskopie übersehen. Alle drei Neoplasien befanden sich allerdings in einem Darmabschnitt, der mit der konventionellen Gastroduodenoskopie gut einsehbar gewesen wäre. Die drei Patienten mit Neoplasien waren über 50-jährige Männer ohne Familienanamnese eines Dünndarmkarzinoms. Die Gesamtprävalenz von Dünndarmkarzinomen in diesem Kollektiv errechnet sich mit 1,5 %. Kommentar von Prof. Füeßl "Die Kapselendoskopie ist eine Option, die man anbieten kann" Prof. Dr. med. H. S. Füeßl München × Die Untersuchung zeigt zwar eindrucksvolle Bilder. Ob sie aber für alle Patienten mit Lynch-Syndrom anwendbar ist, muss doch bezweifelt werden. Aus anderen Untersuchungen mit ebenfalls hohen Patientenzahlen mit Lynch-Syndrom ist bekannt, dass Neoplasien sehr wohl nicht nur im Duodenum, sondern auch im Jejunum und Ileum auftreten können. Ob man sich bei der Überwachung von Trägern der Genmutation tatsächlich auf die konventionelle Gastroduodenoskopie beschränken kann, wird somit nicht sicher beantwortet. Auch lässt sich anhand der vorliegenden Untersuchung nicht belegen, wie viele Läsionen durch die Kapselendoskopie tatsächlich übersehen wurden. Die Autoren wollen den zweiten Einwand entkräften, indem sie ankündigen, alle Personen nach zwei Jahren noch einmal zu untersuchen. Ob es sich bei der „übersehenen“ Läsion im Duodenum tatsächlich um eine solche handelt oder sie im Intervall aufgetreten ist, lässt sich ebenfalls aufgrund der Studiendesigns nicht belegen. Take-home-message Die Kapselendoskopie ist im Vergleich zu den Alternativen eine wenig invasive Untersuchung zur Entdeckung von Dünndarmläsionen, die man Patienten anbieten kann, die unter dem Damoklesschwert des Lynch-Syndroms leben müssen.

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