Wann hilft eine Kapselendoskopie diagnostisch weiter?

In der Abklärung von chronischen abdominellen Schmerzen kann die Kapselendoskopie unabhängig vom Vorliegen einer Diarrhö hilfreich sein, sofern die Entzündungsparameter erhöht sind. Die Diagnostik und Therapie chronischer abdomineller Schmerzen stellt im gastroenterologischen Alltag häufig eine Herausforderung dar. Die mögliche Bedeutung der Kapselendoskopie diesbezüglich wurde bereits im Jahre 2007 erstmalig untersucht [1], wobei sich ein möglicher diagnostischer Vorteil bei Patienten mit erhöhten Entzündungsparametern zeigte. Ziel der hier vorgestellten Studie war es, die diagnostische Wertigkeit der Kapselendoskopie für dieses Patientenkollektiv (chronische abdominelle Schmerzen mit oder ohne begleitende Diarrhö) weiter zu untersuchen. Patienten und Methodik In die prospektive multizentrische Studie wurden 72 Patienten mit chronischen abdominellen Schmerzen (intermittierend oder konstant über mindestens 3 Monate) einer Kapselendoskopie zugeführt, bei denen eine Gastroduodenoskopie wie auch eine Ileokoloskopie mit Biopsieentnahme keinen erklärenden Befund erbracht hatten. Eine Laktoseintoleranz wie auch eine bakterielle Fehlbesiedlung wurden mittels Atemtest ausgeschlossen. Insgesamt erfolgte bei 93% der Patienten ebenfalls eine Computertomographie (CT) des Abdomens, 13% erhielten eine Magnetresonanztomographie (MRT). Logistische Regression wurde durchgeführt, um verschiedene prädiktive Faktoren hinsichtlich der diagnostischen Erfolgsrate der Kapselendoskopie zu untersuchen. Ergebnisse Von 72 untersuchten Patienten (mittleres Alter 45 Jahre, 50% männlich) bestand bei 48,6% eine begleitende Diarrhö. Erhöhte Werte des C-reaktiven Protein (CRP) oder eine beschleunigte Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (BSG) lagen in 41,7% bzw. 40,3% vor. Eine Diagnosesicherung gelang in 32 von 72 Patienten, wobei sich in 25% der Patienten eine Crohn-Manifestation des Dünndarms, in 8,3% ein Dünndarmtumor, in 4,2% eine Ischämie sowie in jeweils 2,8% eine NSAR-assoziierte Enteropathie bzw. eine primäre intestinale Lymphangiektasie zeigte. Bei einem Patienten wurde eine eosinophile Enteritis diagnostiziert. Positive Befunde in der Kapselendoskopie waren signifikant assoziiert mit erhöhter BSG (odds ratio [OR]: 51,4, p < 0,001) oder erhöhten CRP-Werten (OR: 29,2, p < 0,001). Das Vorliegen einer Diarrhö hatte keinen Einfluss auf die diagnostische Wertigkeit der Kapselendoskopie. 84,5% der Patienten zeigten nach befundbasierter Therapie eine Verbesserung der klinischen Symptomatik bei einem medianen follow-up von 8 Monaten. Schlussfolgerung Chronische abdominelle Schmerzen sind ein häufiges Problem im gastroenterologischen Alltag. Die Kapselendoskopie kann bei Patienten mit erhöhten Entzündungsparametern ein hilfreiches diagnostisches Werkzeug darstellen. Das Ergebnis ist unabhängig von dem Vorliegen einer begleitenden Diarrhö, welche als Symptom keine Indikation zur Kapselendoskopie darstellt. "Nur sinnvoll bei erhöhten Entzündungsparametern" Kommentar Priv.-Doz. J. W. Tischendorf, Dr. H. Lutz Chronische abdominelle Schmerzen unklarer Genese stellen den klinisch tätigen Gastroenterologen häufig vor diagnostische Herausforderungen. Mit der fortschreitenden Entwicklung bildgebender und endoskopischer Methoden ([Kontrastmittel-]Ultraschall, Magnetresonanztomographie oder Ballon-Enteroskopie) steht auch der Dünndarm zunehmend im Fokus der weiterführenden Diagnostik. Die Kapselendoskopie hat sich als Verfahren für Patienten mit unklarer gastrointestinaler Blutung bewährt [2]. Die Bedeutung für Patienten mit chronischen abdominellen Schmerzen, insbesondere bei erhöhten Entzündungsparametern, zeigt sich in der hier präsentierten Studie (siehe Tabelle). Ein hoher Prozentsatz der Patienten hatte jedoch darüber hinaus bereits in der vorausgegangenen Bildgebung typische Befunde von mukosalen Ödemen oder Ulcera: In 13 von 29 Patienten mit systemischen Entzündungszeichen zeigte sich die Bildgebung (CT oder MRT) diesbezüglich verdächtig (44,8%). In solchen Fällen sollte insbesondere die Ballon-Enteroskopie als Alternative zur Kapselendoskopie angewendet werden, um eine Histologiegewinnung zur Diagnosesicherung zu ermöglichen. Weiterhin musste ein Patient aufgrund einer Kapselretention operativ versorgt werden. Dies ist insbesondere bei Patienten zu bedenken, bei denen ein M. Crohn mit Dünndarmbefall eine wahrscheinliche Diagnose darstellt, die das Risiko von Stenosen erhöht [3]. Entsprechend ist vor einer Kapselendoskopie die Indikation individuell genau zu überprüfen. Dann kann die Kapselendoskopie jedoch eine Alternative zu den oben genannten weiterführenden Verfahren darstellen. Im Falle fehlender Entzündungszeichen ist eine Kapselendoskopie nicht sinnvoll, unabhängig von begleitend bestehender Diarrhoe. Fazit Bei einem selektierten Patientengut mit chronischen abdominellen Schmerzen und erhöhten Entzündungsparametern kann eine Kapselendoskopie zur Diagnosesicherung hilfreich sein, muss jedoch insbesondere gegenüber der Ballon-Enteroskopie hinsichtlich der diagnostischen Wertigkeit kritisch abgewogen werden. Bei fehlenden Entzündungsparametern ist eine Kapselendoskopie zur Dünndarmdiagnostik nicht sinnvoll. Diagnostischer Erfolg der Kapselendoskopie bei Patienten mit oder ohne CRP/SBG bzw. Diarrhoe (Patientenzahl mit positivem Kapselbefund / gesamte Patientengruppe) Diarrhoe Keine Diarrhoe CRP/BSG erhöht 90,1% (20/22) 67% (6/9) CRP/BSG normal 0% (0/13) 21,4% (6/28) Literatur 1. May A, Manner H, Schneider M, Ipsen A, Ell C. Prospective multicenter trial of capsule endoscopy in patients with chronic abdominal pain, diarrhea and other signs and symptoms (CEDAP-Plus Study) Endoscopy. 2007;39:606-612. 2. Teshima CW, Kuipers EJ, van Zanten SV, Mensink PB. Double balloon enteroscopy and capsule endoscopy for obscure gastrointestinal bleeding: an updated meta-analysis J Gastroenterol Hepatol. 2011;26:796-801. 3. Cheifetz AS, Kornbluth AA, Legnani Pet al. . The risk of retention of the capsule endoscope in patients with known or suspected Crohn's disease Am J Gastroenterol. 2006;101:2218-2222.

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