Gastro-Leitlinien: Was neu ist und was sich ändert

Bei Empfehlungen rund um die Verdauungsorgane hat sich einiges getan: Zuletzt wurde eine Reihe von Leitlinien für verschiedene gastrointestinale Erkrankungen aktualisiert – andere sind in Vorbereitung. Die Vorstellungen von der Pathogenese der gastrointestinalen Refluxkrankheit (GERD) haben sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. „Refluxbeschwerden bedeuten nicht unbedingt, dass auch eine Refluxkrankheit vorliegt“, erläuterte Professor Joachim Labenz, Chefarzt der Medizinischen Klinik am Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen beim diesjährigen DGIM-Kongress in Wiesbaden. Refluxbeschwerden wie Sodbrennen, saures Aufstoßen und Regurgitation seien ein viszerales Symptom, welches nicht spezifisch für Trigger wie zum Beispiel Reflux, das Organ und die Lokalisation sei. Neuer diagnostischer Goldstandard für die Refluxkrankheit Bei typischen Refluxbeschwerden sollte eine Gastroskopie primär nur bei Alarmzeichen wie Familienanamnese für ein Karzinom, Dysphagie, Gewichtsabnahme oder Blutung und bei langjährigen schweren, teils auch nächtlichen Refluxbeschwerden durchgeführt werden. Ansonsten empfiehlt sich die Gabe eines PPI zweimal täglich. Wenn damit nach acht Wochen keine Symptomkontrolle erreicht wird, ist eine weitere Diagnostik erforderlich. Doch wie sollte man nach der neuen Leitlinie die GERD diagnostizieren? „Bisher gibt es keinen Goldstandard“, sagte Labenz. Bis jetzt. Der neue Goldstandard umfasse drei Verfahren: Gastroskopie mit Histologie, Impedanz-pH-Metrie und HR-Manometrie. „Die Diagnosefindung ähnelt dann einem Puzzle aus mehreren Teilchen“. Bei PPI-refraktären Patienten wird zusätzlich zu den Lifestyle-Maßnahmen eine Optimierung der PPI-Therapie und eventuell die zusätzliche Gabe von Alginaten oder Baclofen empfohlen. Erst wenn damit keine ausreichende Symptomkontrolle gelingt, sollte ein invasives Management, sprich eine Operation, diskutiert werden. „Obsolet ist die Operation ohne adäquate Diagnostik“, so Labenz. Achalasie: one size fits not all! Die Achalasie ist eine komplexe Erkrankung, Dabei handelt es sich um eine neuromuskuläre Erkrankung mit einer heterogenen Ätiologie (degenerativ, autoimmun, infektiös). Pathophysiologisch findet sich eine reduzierte oder aufgehobene Relaxation des unteren Ösophagussphinkters, wobei der tubuläre Ösophagus hypermotil, hypomotil oder amotil sein kann. Die Diagnose sollte mittels Endoskopie und hochauflösender Manometrie gesichert werden. „Die Erkrankung ist nicht heilbar, sodass die Symptomkontrolle das Therapieziel ist“, so Labenz. Therapeutisch stehen Botulinum-Toxin, die pneumatische Dilatation, die perorale endoskopische Myotomie (POEM) und die Heller‘sche Myotomie zur Verfügung. „Medikamente bringen nichts“, so Labenz. Empfohlen wird eine personalisierte Differenzialtherapie. „One size fits not all“. Wegen des erhöhten Karzinomrisikos sei ein Follow-up zwingend erforderlich. Helicobacter-pylori-Infektion: Träger oder Kranker? Die Helicobacter-pylori(H.p.)-Infektion ist sehr verbreitet. Sie stellt unabhängig von Symptomen und dem Beschwerdebild eine bakterielle Erkrankung des Magens dar. „Doch nicht jeder Infizierte wird symptomatisch krank“, so Labenz. Man müsse zwischen H.p.-Trägern und H.p.-Kranken unterscheiden. 80 Prozent sind Träger und nur 20 Prozent werden krank, indem sie einen Reizmagen, eine Gastritis, ein Lymphom, ein Ulkus oder ein Magenkarzinom entwickeln. Auch bei einem Eisenmangel oder bei der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura (ITP) spielt der Helicobacter eine kausale Rolle. Das Problem ist, dass es keine Kriterien beziehungsweise Biomarker gibt, die eine zuverlässige Prognose dahingehend erlauben, ob und wann aus einem Träger ein Kranker wird. Nach der neuen Leitlinie impliziert ein Test auf Helicobacter pylori im Erwachsenenalter im Falle eines Erregernachweises immer eine Therapieindikation. „Die Entscheidung für eine mögliche Eradikationsbehandlung soll demnach vor der Diagnostik getroffen werden“, so Labenz. Doch wann soll, sollte oder kann nach Helicobacter pylori gesucht werden? Soll-Indikationen sind: Ulcus duodeni/ventriculi, gastrales MALT-Lymphom, Dyspepsie, ungeklärter oder refraktärer Eisenmangel, ITP, Gastrointestinale Blutung unter NSAR, ASS, P2Y12-Inhibitoren, orale Antikoagulanzien oder ASS- und NSAR-Dauermedikation. Darüberhinaus soll allen Personen mit einem erhöhten Magenkarzinom-Risiko ein H.p.-Screening angeboten werden, wobei ab einem Alter von 40 Jahren die Diagnose endoskopisch-bioptisch gesichert werden sollte. Eine Testung auf HP könnte im Rahmen der kolorektalen Karzinomvorsorge angeboten werden. Bismut-Quadrupel-Therapie ist der neue Standard Die Resistenzen gegenüber Clarithromycin und Levofloxazin haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen und liegen zur Zeit zwischen 15 und 20 Prozent. Deshalb wird jetzt für die Eradikation primär eine Bismut-Quadrupel-Therapie über mindestens zehn Tage empfohlen. Alternativ kann primär eine Resistenztestung erfolgen. Ein solches Resistenz-gesteuertes Vorgehen ist auch dann notwendig, wenn nach der initialen Bismut-Quadrupel-Therapie der Patient weiterhim H.p.-positiv ist. Alle Beiträge vom DGIM-Kongress finden Sie im DGIM-Kongressdossier 2022. Quelle: Ärzte Zeitung

Impuls - Die Nachhaltigkeitsinitiative von Springer Medizin

Springer Medizin

Gastro-Leitlinien: Was neu ist und was sich ändert

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

Das kolorektale Karzinom & der BMI – es bleibt kompliziert

ESMO-Leitlinie: Diese Empfehlungen sind neu

GI-Tumore und die Rolle von Angiogenesehemmern