Zum Gebären in die Badewanne?

Gebärenden, die sich während der Eröffnungswehen in die Badewanne legen, bleibt möglicherweise eher eine PDA erspart. Darauf deuten die Ergebnisse eines Cochrane-Reviews hin. Für ein möglicherweise erhöhtes Infektionsrisiko einer Unterwassergeburt gibt es demnach keine Hinweise. Viele Kliniken bieten Gebärenden an, sich zur Entspannung zumindest zeitweise in die Badewanne zu legen – oder die Geburt ihres Kindes gleich ganz im Wasser zu erleben. Was das bringt und was es andererseits schaden kann, ist bislang nicht abschließend geklärt. In einer Umfrage der Uniklinik Mannheim gaben 80% der Frauen, die sich für die Unterwasservariante entschieden hatten, an, die Geburt als „schön“ empfunden zu haben. Nach einer konventionellen Entbindung sagten das lediglich 40%. Auf der anderen Seite gibt es Kritiker, die warnen, das Neugeborene könnte Wasser in die Lunge bekommen; außerdem sei das Infektionsrisiko für Mutter und Kind möglicherweise erhöht. Zu diesen Fragen liegt nun eine aktuelle Cochrane-Übersicht vor. Ein Team um Elizabeth R. Cluett von der Universität Southampton und Anna Cuthbert von der Cochrane Pregnancy and Childbirth Group fasst darin die Ergebnisse aus 15 randomisierten Studien zusammen, die in den Jahren 1990 bis 2015 mit insgesamt 3663 Frauen durchgeführt wurden. Acht Studien befassten sich mit Gebärenden, die ausschließlich während der Eröffnungsphase in Badewanne oder „Pool“ gelegen hatten. In zwei Studien hatte lediglich die Austreibungsphase unter Wasser stattgefunden. In vier weiteren hatte die Gebärende beide Phasen in der Wanne verbracht. Eine einzelne Studie schließlich verglich frühes mit spätem Eintauchen im Laufe der Eröffnungsphase. Zu Nachgeburtsphase liegen keine Daten vor. Nach Auswertung der Studienergebnisse gibt es für die Autorinnen zumindest nichts, was wirklich gegen das Bad spricht, und zwar weder in der ersten noch in der zweiten Phase der Geburt. Spontane Geburten ohne Hilfe von Zange oder Saugglocke waren in den Badewannengruppen ebenso häufig wie bei den Frauen, die im Trockenen geblieben waren. Bei Frauen, die nur in der Eröffnungsphase gebadet hatten, betrug die Rate 82%, bei jenen, die das Baby auch unter Wasser zur Welt brachten, 97%. Die entsprechenden Studien zeichneten sich immerhin durch einen mittleren Evidenzgrad aus. Einigermaßen verlässlich (mittlerer Evidenzgrad) waren auch die Ergebnisse zu den zweit- oder drittgradigen Dammrissen: Auch diese traten mit oder ohne Wannenbad (in der Eröffnungsphase) mit gleicher Häufigkeit auf (jeweils 3%). Zu Geburten, die sich komplett unter Wasser abspielten, stehen diesbezüglich keine Daten zu Verfügung. Der Entspannungseffekt des Badens machte sich allenfalls in einer geringfügigen Reduktion der Periduralanästhesierate bemerkbar: Eine PDA wurde von 43% der Frauen, die gar nicht gebadet hatten, benötigt sowie von 39% derjenigen, die in der Eröffnungsphase in der Wanne gelegen hatten. Die Hypothese, dass die Wassergeburt möglicherweise dem Kind schadet, ließ sich durch die Studienergebnisse nicht zuverlässig be- oder widerlegen. Zu den Infektionsraten beim Kind (jeweils 1% mit bzw. ohne Bad) lagen nur Studien vor, die lediglich Bäder während der Eröffnungsphase berücksichtigt hatten; diese waren außerdem von sehr geringer Qualität. Für Kinder, die tatsächlich unter Wasser zur Welt gekommen waren, gibt es immerhin Daten zur Körpertemperatur: So zeigten sich unmittelbar nach der Geburt weniger häufig erhöhte Temperaturen über 37,5 °C (6% vs. 15%); dafür hatten diese Kinder in der ersten Lebenswoche geringfügig häufiger Fieber (5% vs. 2%) als die „an Land“ geborenen. Der Evidenzgrad wird von den Autorinnen auch in dieser Hinsicht als sehr gering gewertet. Gleiches gilt für das Kriterium Intensivpflichtigkeit des Neugeborenen. Hier lagen die Raten in der Gruppe, deren Mütter ausschließlich in der Eröffnungsphase gebadet hatten, bei 6% (ohne Baden: 8%), bei den unter Wasser geborenen Kindern bei 11% (vs. 9%). In allen Studien zusammengenommen ereignete sich nur ein einziger Todesfall. Dieser betraf das Kind einer HIV-infizierten Mutter, die unter Wasser entbunden hatte. Der Tod war jedoch auf eine intrauterine Infektion zurückzuführen. Das Fazit der Autoren fällt vorsichtig optimistisch aus: „Die Unterwassergeburt senkt möglicherweise die Rate der Frauen, die eine PDA benötigen“, so Cluett und ihr Team. Allerdings scheine die Methode keinen deutlichen Einfluss auf das Auftreten eines Dammrisses zu haben. Obwohl mit der Unterwassergeburt dem Anschein nach keine nennenswerten Risiken für das Baby verbunden waren, bleibt aufgrund der Heterogenität der Studien und der oftmals geringen Qualität eine erhebliche Unsicherheit. Die Forscherinnen regen daher weitere Studien an, vor allem solche, die explizit auf die Unterwassergeburt sowie nach Möglichkeit auch auf Geburten außerhalb von Kliniken fokussieren. Empfehlung der Redaktion 2014 | Buch Geburtshilfe akut Ein Leitfaden für Kreißsaal und Station Über viele Jahre entwickelt und im täglichen Klinikeinsatz bewährt: Dieses Buch bietet schnelle Orientierung und Handlungsanweisungen für alle Situationen der Geburtshilfe: von unkomplizierten Geburten und Kaiserschnitten bis hin zu komplizierten Geburtsverläufen und geburtshilflichen Notfällen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Welchen Effekt hat es auf die Gesundheit von Mutter und Kind, wenn die Schwangere sich während der Wehen in die Badewanne legt? Antwort: Die Rate der Periduralanästhesien ging leicht zurück. Dammrisse ereigneten sich beinahe gleich häufig. Im Hinblick auf das Infektionsrisiko lassen sich keine verlässlichen Aussagen treffen. Bedeutung: Aufgrund der gegenwärtigen Datenlage lassen sich keine eindeutigen Empfehlungen für oder gegen eine Wassergeburt abgeben. Einschränkung: Die berücksichtigten Studien waren sehr heterogen und von teilweise (sehr) geringer Qualität.

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