Postpartale Blutungen: Tipps für die Praxis

Die aktive Leitung der Nachgeburtsperiode (AMTSL) umfasst drei Komponenten: Uterotonikagabe, den kontrollierten Zug an der Nabelschnur und das rasche Durchtrennen der Nabelschnur. Geht es um die Prävention peri- und postpartaler Blutungen (PPH), ist die Gabe von Uterotonika, allen voran Oxytocin, das Entscheidende. Der kontrollierte Zug an der Nabelschnur bei kontrahiertem Uterus kann nach einer aktuellen Cochrane-Analyse die Rate eines Blutverlusts von über 1.000 ml nicht verhindern [1]. Auch die Zeit bis zur Nabelschnurdurchtrennung scheint nicht entscheidend [2, 3]. Laut Prof. Dr. Werner Rath, Aachen, wird daher in der in Vorbereitung befindlichen S2k-Leitlinie zu peripartalen Blutungen die systemische Gabe von Oxytocin mit einem Evidenzlevel I-I als alleinige Präventionsmaßnahme empfohlen [4]. Optimale Dosis und Applikation offen Oxytocin bleibt auch nach einer aktuellen Metaanalyse Goldstandard zur PPH-Prophylaxe mit Uterotonika [5], wenn auch die optimale Dosierung unklar ist. In der neuen Leitlinie soll Oxytocin in einer Dosierung von 3 bis 5 IE intravenös als Kurzinfusion nach Geburt der vorderen Schulter oder nach der Geburt des Kindes gegeben werden. Dies gilt auch bei Sectio caesarea, so Rath. Die Gabe über einen Zeitraum von fünf Minuten statt eines Bolus reduziert kardiovaskuläre Nebenwirkungen bei vergleichbarem uterotonen Effekt [6]. Das ist laut Rath bei der wachsenden Zahl von Schwangeren mit kardiovaskulären Grunderkrankungen zunehmend von Bedeutung. Der Vergleich der intravenösen mit einer intramuskulären Oxytocingabe zeigte kürzlich hinsichtlich des postpartalen Blutverlusts und des prä- und postpartalen Hämoglobinabfalls einen tendenziellen Vorteil für die intravenöse, über zehn Minuten gestreckte Gabe [7]. Allerdings tritt der Effekt auf den Uterus bei intramuskulärer Gabe wesentlich rascher ein, gab Rath zu bedenken. Ergotaminhaltige Uterotonika sollten wegen erhöhter Raten maternaler Nebenwirkungen nicht mehr verwendet werden. Agonist bisher nur beschränkt im Einsatz Der Oxytocin-Agonist Carbetocin mit einer Halbwertszeit von 40 Minuten ist bisher nur zur Prävention der Uterusatonie nach Sectio caesarea in Regionalanästhesie zugelassen. Wie Roth berichtete, wird die Substanz in dieser Indikation als Alternative zu Oxytocin in der aktualisierten Leitlinie erscheinen. Eine aktuelle Metaanalyse mit zwölf randomisiert-kontrollierten Studien belegt, dass Carbetocin signifikant die Notwendigkeit der therapeutischen Gabe von Uterotonika im Vergleich zu Oxytocin reduziert, die Rate an Blutungen, den Blutverlust und mütterliche Nebenwirkungen aber keine Unterschiede zeigen [8]. Im Vergleich zu Syntometrin kam es aber zu einer deutlich niedrigeren Rate an mütterlichen Nebenwirkungen, insbesondere gastrointestinalen Beschwerden, Schwitzen, Tremor und Hypertonie sowie Tachykardien. Eine prospektive randomisierte Doppelblindstudie wies kürzlich darauf hin, dass die intramuskuläre Gabe des Oxytocin-Agonisten zur Prävention von PPH bei Schwangeren mit Risikofaktoren und vaginaler Geburt bei vergleichbarer Sicherheit effektiver ist als intramuskuläres Oxytocin [9]. Rath betonte aber, dass Carbetoxin in Deutschland nur für den Einsatz im Rahmen einer Sectio caesarea zugelassen ist. Misoprostol spielt in Industrieländern kaum eine Rolle und ist für die PPH-Prävention ebenfalls nicht zugelassen. Bei Kontraindikationen gegen Oxytocin und Carbetocin, vor allem bei schwerer Hypertonie/Präeklampsie stellt es aber laut Rath eine geeignet Option dar. WHO [10] und FIGO [11] empfehlen 600 µg Misoprostol oral. Literatur 1. Hofmeyr GJ et al. Cochrane Database Syst Rev 2015; 1:CD008020 2. Chien PC et al. Hu Li Za Zhi 2015; 62: 41-53 3. McDonald SJ, Middleton P. Cochrane Database Syst Rev 2008 (2009); 2:CD004074 4. S2k-Leitlinie Peripartale Blutungen, Diagnostik und Therapie, AWMF-Registernummer 015/063, voraussichtliche Veröffentlichung 31.12.2015, http://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/015-063.html 5. Westhoff G et al. Cochrane Database Syst Rev 2013; 10:CD001808 6. Bhattacharaya S et al. J Anaesthesiol Clin Pharmacol 2013; 29: 32-5 7. Orhan EO et al. Int J Gynecol Obstet 2014; 27: 75-9 8. Jin B et al. J Matern Fetal Neonatal Med 2015 Sep 4: 1-8. [Epub ahead of print] 9. Maged AM et al. J Matern Fetal Neonatal Med 2015 Jul 25: 1-5. [Epub ahead of print] 10. Tunçalp O et al. Int J Gynaecol Obstet 2013; 123: 254-6 11. FIGO Guidelines: prevention of postpartum hemorrhage with misoprostol. Int J Gynecol Obstet 2012; 119: 213-4

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