Mehr Sphinkterverletzungen bei Geburten im Wasser

Die Entscheidung für oder gegen eine Wassergeburt ist zum großen Teil der persönlichen Präferenz geschuldet. Sie sollte aber unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Fakten erfolgen, und die sprechen für ein höheres Risiko analer Sphinkterverletzungen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Gebären in der Wanne erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Von dem bis zu 37 Grad warmen Wasser erhoffen sich viele Frauen eine leichtere Geburt. Tatsächlich wirkt das Baden während der Eröffnungsphase schmerzlindernd und senkt den Schmerzmittelverbrauch. Für das Kind birgt es zudem keine Risiken, unter Wasser das Licht der Welt zu erblicken. Etwas anders stellt sich offenbar die Situation für das Outcome der Mutter dar. Denn gemäß einer aktuellen großen retrospektiven Studie erleiden Frauen bei Wassergeburten deutlich häufiger Verletzungen des analen Sphinkters als Frauen, die zum Gebären nicht in die Badewanne steigen. Die Gynäkologin Helen Louise Preston vom Liverpool Women’s Hospital und ihre Kollegen haben die Patientenakten von 15.734 Frauen gesichtet, die zwischen 2008 und 2014 in der hebammengeleiteten Geburtsstation eines großen britischen Lehrkrankenhauses ein Kind zur Welt gebracht hatten. Frauen mit Risikoschwangerschaften waren ebenso von der Analyse ausgeschlossen wie Frauen, bei denen die Geburt eingeleitet oder deren Kind vor dem Termin geboren wurde. OASI-Risiko im Wasser doppelt so hoch Insgesamt 1244 Frauen hatten sich für eine Wassergeburt entschieden. Die Frauen beider Gruppen waren ähnlich alt und ähnlich schwer, und auch die Geburtsdauer unterschied sich nicht signifikant. Allerdings benötigten Frauen in der Wanne weitaus seltener schmerzlindernde Opiate als die Frauen der Vergleichsgruppe (12% vs. 45%). Das Risiko für Rissverletzungen des analen Sphinkters (OASI = obstetric anal sphincter injury) betrug in der Gesamtkohorte 1,76% und lag damit etwas unter dem britischen Durchschnitt. Allerdings war die OASI-Rate bei Frauen, die sich für eine Wassergeburt entschieden hatten, gut zweimal so hoch wie bei Frauen der Vergleichsgruppe (3,3% vs. 1,6%). Die multivariate Analyse bestätige dann auch die Wassergeburt neben der Ethnizität und Parität als unabhängigen OASI-Risikofaktor (adj. OR 1,77; 95%-KI 1,25−2,51). Das höchste OASI-Risiko hatten nach den Berechnungen der Gynäkologen Erstgebärende asiatischer oder afroamerikanischer Abstammung, die sich für eine Wassergeburt entschieden hatten (9,7%). Das geringste Risiko trugen weiße mehrfachgebärende Frauen, die nicht im Wasser saßen (0,8%). Ätiologie noch unklar Eine Wassergeburt ist ein unabhängiger Risikofaktor für Verletzungen des analen Sphinkters unter der Geburt, wie die Gynäkologen mit Blick auf ihre Analyse feststellen. Über die Ursachen kann bislang jedoch nur spekuliert werden. Am plausibelsten lässt sich das erhöhte Risiko nach Ansicht der Wissenschaftler mit den in der Badewanne deutlich eingeschränkten Möglichkeiten des Dammschutzes bzw. mit der durch das Wasser forcierten Ödematisierung des perinealen Gewebes erklären. Schwangere, die sich für eine Geburt in der Badewanne interessieren, müssten im Vorfeld entsprechend aufgeklärt werden, so die Forderung der Studienautoren. Das erarbeitete Prognosemodell könne dabei helfen, das individuelle Risiko im Vorfeld genauer abzuschätzen. Empfehlung der Redaktion Alles rund um die Geburt – Themenseite Ob vaginale Geburt oder Kaiserschnitt: Diese Seite informiert den Gynäkologen umfassend zu dem Thema Entbindung – mit Beiträgen rund um Vorbereitung, Durchführung, Komplikationen oder Nachbehandlung einer Geburt. Auch bemerkenswerte Kasuistiken zum Thema finden Sie hier. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie beeinflusst die Geburt im Wasser das Risiko für Verletzungen des analen Sphinkters (OASI)? Antwort: Die OASI-Rate war bei Wassergeburten doppelt so hoch wie bei regulären vaginalen Entbindungen. Bedeutung: Frauen müssen im Vorfeld entsprechend aufgeklärt werden. Einschränkung: Informationen über die Verweildauer im Wasser fehlen ebenso wie Angaben über die Zahl der Schwangeren, die kurz vor der Austreibungsphase die Badewanne wieder verlassen hatten.

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