Erschienen in:
03.03.2017 | Krebserkrankungen mit unbekanntem Primärtumor | Molekulares Tumorboard
Genomisch-histologische Analyse eines „cancer of unknown primary“
Revision von Diagnose und Therapie
verfasst von:
Stefan Gröschel, Martin Bommer, Albrecht Stenzinger, Prof. Dr. Stefan Fröhling
Erschienen in:
Forum
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Ausgabe 3/2017
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Auszug
Omik-Technologien, allen voran die Sequenzierung der nächsten Generation („next-generation sequencing“, NGS), haben in den letzten Jahren Einzug in die klinische Medizin gehalten. Es wird die Erwartung an sie gestellt, dass sie in absehbarer Zeit großen Einfluss auf den onkologischen Therapiestandard haben werden. Die Identifizierung von Patienten, die wirklich von genomikbasierten Therapieansätzen profitieren können, ist allerdings noch sehr anspruchsvoll [
24]. Darüber hinaus ist derzeit unklar, wie diese neuen Analysemethoden effektiv mit herkömmlichen Technologien wie der Standardhistopathologie integriert werden können. Algorithmen für integrierte Diagnostik und molekular basierte Therapien müssen noch definiert und validiert werden. Bereits heute wenden jedoch viele pathologische und humangenetische Institute die sog. Panelsequenzierung an, d. h. eine NGS-basierte Hochdurchsatzsequenzanalyse ausgewählter Gene, meistens im Rahmen sog. Tumorpanels. Im Vergleich zur Panelsequenzierung können eine Exom- („whole-exome sequencing“, WES) oder Ganzgenomsequenzierung („whole-genome sequencing“, WGS) und RNA-Sequenzierung (RNA-seq) Veränderungen im gesamten kodierenden Bereich des Genoms sowie Amplifikationen, Deletionen und strukturelle Umlagerungen von Chromosomen und deren Konsequenzen auf die Genexpression nachweisen. Dadurch birgt eine NGS-basierte molekulare Charakterisierung das Potenzial, Einblick in die Pathobiologie schwer zu klassifizierender Tumoren zu liefern. Der Abgleich umfassender Tumorgenom- und Transkriptomprofile mit Tumorprofilen, die in den rapide wachsenden öffentlichen Genomdatenbanken (z. B. The Cancer Genome Atlas, TCGA,
http://cancergenome.nih.gov, oder das International Cancer Genome Consortium, ICGC,
https://icgc.org) hinterlegt werden, könnte die Identifizierung des Ursprungsgewebes erstmals schnell und zuverlässig ermöglichen. Dadurch könnte NGS erstmals die diagnostische Lücke füllen, die bei der histopathologischen Aufarbeitung und diagnostischen Einteilung von metastasierten Tumorleiden mit unklarem Primärtumor („cancer of unknown primary“, CUP) besteht. Dies wird erhebliche Auswirkungen auf die Auswahl einer effektiven Therapie für diese Patienten haben. Das CUP-Syndrom macht weltweit 3–5 % aller Krebsdiagnosen aus und ist für einen signifikanten Anteil der krebsbedingten Todesfälle verantwortlich [
31]. In der folgenden Kasuistik wird der Erkrankungsverlauf einer Patientin dargestellt, der durch umfassende integrierte Diagnostik mittels konventioneller Histopathologie und NGS-basierter Analytik (WES und RNA-seq) entscheidend beeinflusst wurde. …