PPI und Darmmikrobiom – eine verhängnisvolle Interaktion

Protonenpumpeninhibitoren werden zu häufig ein- und zu selten abgesetzt. Da sie die Magenbarriere schwächen und das Milieu im Verdauungstrakt ändern, sind negative Effekte auf das Darmmikrobiom naheliegend. Dies bestätigt eine aktuelle Studie. Hintergrund und Fragestellung Protonenpumpeninhibitoren (PPI) sind in verschiedenen Untersuchungen mit einer erhöhten Rate an gastrointestinalen Infektionen, speziell auch durch Clostridium difficile (CD), assoziiert. Das Mikrobiom des Verdauungstraktes spielt eine wichtige Rolle in der Pathogenese enteraler Infektionen. In der vorgelegten Studie wurde der Einfluss von PPI auf das Mikrobiom untersucht. Methodik Das Darmmikrobiom wurde bei 1.815 Personen aus drei Kohorten mittels Gensequenzierung (16S rRNA) untersucht. Es wurden die Mikrobiota-Zusammensetzungen in jeder Kohorte zwischen PPI-Konsumenten und PPI-Nichtkonsumenten verglichen und anschließend einer Metaanalyse zugeführt. Ergebnisse 211 Patienten nahmen zum Zeitpunkt der Stuhl-Asservierung PPI ein. PPI-Konsum war mit einer signifikanten Abnahme der Diversität und mit Veränderungen in 20% der bakteriellen Taxa assoziiert. Orale Bakterien waren überrepräsentiert. PPI-Konsumenten wiesen zudem eine signifikante Zunahme von Enterokokken, Streptokokken, Staphylokokken und potentiell pathogenen E. coli-Spezies auf. Schlussfolgerungen PPI-Konsum war assoziiert mit einem „weniger gesunden Mikrobiom“ im Verdauungstrakt. Die beobachteten Veränderungen passen gut zur Prädisposition für eine Infektion mit CD. Auf Populationsebene sind die beschriebenen Effekte der PPI ausgeprägter als diejenigen von Antibiotika oder anderen Medikamenten. Kommentar von Prof. Dr. Labenz: "Signifikante Abnahme der Kriterien für ein ,gutes Mikrobiom'" Protonenpumpeninhibitoren (PPI) sind seit fast drei Jahrzehnten Medikamente der ersten Wahl zur Behandlung und Prävention der säureassoziierten Erkrankungen des oberen Verdauungstraktes Reflux- und Ulkuskrankheit. Darüber hinaus sind sie eine unersetzliche Komponente in Therapieschemata zur Eradikation von Helicobacter pylori. Der PPI-Verbrauch ist in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen und nimmt weiterhin zu. Ursache hierfür ist aber nicht in erster Linie die Zunahme der peptischen Erkrankungen. Vielmehr spielt eine unangemessen liberale Verordnungspraxis im ambulanten und stationären Sektor eine dominierende Rolle. Glaubte man über lange Zeit, dass PPI so gut wie keine Nebenwirkungen haben, mehren sich in den letzten Jahren Berichte über unerwünschte Ereignisse. Wiederholt wurde berichtet, dass PPI-Konsumenten ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Infektionen aufweisen, speziell durch Clostridium difficile (CD). Eine kürzlich auf der Jahrestagung der Digestive Disease Week 2017 vorgestellte Metaanalyse bestätigte, dass das Risiko für CD-Infektionen und für Rezidive bei Erwachsenen und Jugendlichen mehr als verdoppelt wird. Mögliche Erklärungen für diese Beobachtungen sind eine Schwächung der Magenbarriere für oral aufgenommene Erreger sowie eine Veränderung des Darmmikrobioms hin zu mehr Suszeptibilität. In einer großen Fallkontrollstudie mit unterschiedlichen Patientenkohorten (Allgemeinbevölkerung, chronisch-entzündliche Darmkrankheit, Reizdarmsyndrom) konnte nun durch 16S-rRNA Gensequenzierung gezeigt werden, dass es bei PPI-Konsumenten offenbar zu weitreichenden Veränderungen des Darmmikrobioms kommt. Die Bakterienvielfalt, die als Kriterium für ein „gutes Mikrobiom“ gilt, nahm deutlich ab, bei 20% der analysierten Darmbakterien konnten signifikante Veränderungen nachgewiesen werden. Orale und pathogene Mikroorganismen waren vermehrt nachweisbar. Auf Populationsebene waren die Veränderungen des Darmmikrobioms unter PPI stärker ausgeprägt als unter Antibiotika oder anderen Medikamenten. Da es sich um eine Fallkontrollstudie handelt, ist die Beweiskraft designbedingt begrenzt. Die Größe der untersuchten Populationen und die konsistenten Effekte in unterschiedlichen Kohorten lassen aber kaum einen Zweifel an der Plausibilität der Daten zu. Wünschenswert wäre dennoch eine plazebokontrollierte Studie. Alternativ käme auch eine sequentielle Analyse vor, während und nach PPI-Einnahme in Betracht. Fazit Zusammenfassend weist diese Studie daraufhin, dass PPI offenbar einen erheblichen Effekt auf das Mikrobiom des Verdauungstraktes haben mit der Konsequenz, dass das Risiko für enterale Infektionen zunimmt. Es ist denkbar, dass mit diesen Veränderungen andere Risiken assoziiert sind, die heute oder zukünftig ursächlich mit dem Darmmikrobiom in Zusammenhang gebracht werden. Vor diesem Hintergrund müssen Berichte über unerwünschte Wirkungen, die man sich bisher durch die Wirkweise der PPI nicht erklären konnte, neu bewertet werden.

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