Gesund und 110 Jahre alt: Liegt es an den T-Zellen?

Sehr alte Menschen, die mindestens 110 Jahre alt und noch gesund sind, haben offenbar besonders viele zytotoxische T-Lymphozyten vom Typ CD4 im Blut, was ein Hinweis auf eine besonders gute Immunüberwachung, vor allem gegen Tumoren und Infekte ist. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. So mancher fragt sich, wie es möglich ist, dass Menschen das 100. Lebensjahr erreichen, einige sogar 110 Jahre und älter werden und dabei noch gesund bleiben. Sie werden als „Supercentenarians“ bezeichnet, und wie Dr. Kosuke Hashimoto und seine Kollegen vom RIKEN Center for Integrative Medical Sciences in Yokohama in Japan berichten, gab es im Jahr 2015 allein in Japan 146 Menschen, die 110 Lebensjahre überschritten hatten. Um zu klären, wie es möglich ist, so alt zu werden und gesund zu bleiben, haben sich die Wissenschaftler als Forschungsobjekt die Immunseneszenz vorgenommen, das physiologische Altern des Immunsystems, das mit einem erhöhten Risiko für Infektionen, Tumoren und Autoimmunerkrankungen einhergeht. Analyse des Transkriptoms im Fokus Ziel ihrer Forschung ist es, Zellen des Immunsystems bei Hochbetagten im Detail zu analysieren, um zumindest teilweise hinter das Geheimnis des gesunden Alterns zu kommen. Die Wissenschaftler im Labor unter Leitung des Italieners Dr. Piero Carninci konzentrieren sich dabei auf die Anwendung von Transkriptomtechniken, mit denen die Expression von Genen und somit die Umsetzung der Bauanleitung in Proteine analysiert wird. Den Forschern gelingt damit eine Auflösung bis hinunter auf die Ebene einer einzelnen im Blut zirkulierenden Zelle. Die erste Entdeckung, die Hashimoto und seine Kollegen machten, war, dass die Hochbetagten signifikant weniger B-Lymphozyten im Blut haben als Teilnehmer der Kontrollgruppe, die zwischen 50 und 80 Jahre alt waren. Durchschnittlich lag ihr Anteil bei nur 2%, in der Gruppe der gesunden Jüngeren dagegen bei 11%. Besonders CD3-negative und CD19-positive B-Zellen waren in der Unterzahl. Vor allem der Anteil der naiven B-Zellen, die also noch keinen Kontakt zu einem Antigen hatten, war niedriger als bei den jüngeren Probanden. Zytotoxische CD4-Lymphozyten stark vermehrt Im Gegensatz zu den B-Zellen war der Anteil der T-Lymphozyten, also der CD4-positiven Zellen, die primär Helferzellfunktion haben, insgesamt innerhalb der mononukleären Zellpopulation im peripheren Blut im Vergleich zu den jüngeren Probanden mit 40% im Wesentlichen unverändert. Eine besondere Überraschung war die Zellpopulation der zytotoxischen T-Lymphozyten. Offenbar haben die hochbetagten Menschen drei verschiedene Subtypen derartiger Zellen: die auch bei Jüngeren vorkommenden CD8-positiven Lymphozyten und darüber hinaus CD4-positive zytotoxische Zellen sowie sogenannte Gamma-Delta-T-Zellen. Gewöhnlich machen die zytotoxischen CD4-positiven Lymphozyten, die Wissenschaftler erstmals Mitte der 1970er-Jahre entdeckten, mit 2,2% nur einen geringen Anteil unter den CD4-Zellen aus. Bei den über 110 Jahre alten Menschen gibt es davon aber viel mehr. Sie stellen bei ihnen einen Anteil von mehr als 25% aller T-Lymphozyten, bei den jüngeren dagegen nur 2,8%. Auch die Zahl der CD8-positiven zytotoxischen Zellen lag bei den älteren deutlich höher. Krebszellen und Viren werden attackiert Noch ist nach Angaben der Forscher unklar, welche physiologische Bedeutung die Vermehrung der zytotoxischen CD4-Zellen hat. Sie weisen aber darauf hin, dass vor zwei Jahren erstmals gezeigt wurde, dass solche Zellen in hepatozellulären Karzinomen nachweisbar sind. Zudem seien diese Zellen in der Lage, direkt Krebszellen zu attackieren und in Tiermodellen Tumoren zu eliminieren. Hintergrund ist wohl auch, dass CD4-positive zytotoxische T-Lymphozyten im Zusammenspiel mit dem Transplantationsantigen MHC-Klasse II agieren, die außer auf B-Zellen, Makrophagen, dendritischen Zellen und auf dem Thymusepithel vorwiegend auf malignen Zellen zu finden sind. Schließlich konnte in einigen Untersuchungen belegt werden, dass diese zytotoxischen T-Zellen in der Lage sind, vor Infektionen mit Viren, etwa Dengue-, Influenza-, Hepatitis- und Cytomegalieviren sowie vor HIV zu schützen. Die Forscher vermuten, dass sich die zytotoxischen CD4-Zellen durch fortgesetzte Auseinandersetzung des Immunsystems mit den Viren klonal vermehrt haben. Es gebe Hinweise, dass sich bei manchen CD4-Helferzellen bei einigen Menschen im Laufe des Alterns die genetische Ausstattung in eine solche von zytotoxischen CD8-Zellen umwandelt, ohne dass dabei die Zellen den CD4-Oberflächenmarker verlieren, und somit zu zytotoxischen CD4-positiven T-Lymphozyten werden. Das Wichtigste in Kürze Frage: Was ist das immunologisch Besondere bei den „Supercentenarians“, also den über 110 Jahre alten und noch immer gesunden Menschen? Antwort: Japanische Forscher haben entdeckt, dass die Hochbetagten besonders viele zytotoxische T-Lymphozyten vom Typ CD4 im Blut haben, die bei jüngeren gesunden Menschen viel seltener sind. Bedeutung: Möglicherweise kommt diesen Zellen eine besondere Rolle bei der Immunüberwachung zu, etwa durch rechtzeitiges Attackieren von Tumorzellen, aber auch von Infektionserregern.

Springer Medizin

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