Erschienen in:
09.01.2018 | Suizid | Originalien
Gerichtlich angeordnete Sektionen von Geflüchteten in Berlin (2015–2017)
Auswertung aus den Berliner rechtsmedizinischen Instituten im Zeitraum Januar 2015 bis Juni 2017
verfasst von:
Dr. L. Backhaus, Dr. S. Hartwig
Erschienen in:
Rechtsmedizin
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Ausgabe 3/2018
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Zusammenfassung
Hintergrund
Im Jahr 2015 kam es vor dem Hintergrund der wachsenden Bedrohungen in den Herkunftsländern vornehmlich im Nahen Osten zur sprunghaften Zunahme der Migrationsbewegungen in die Bundesrepublik Deutschland. Die Datenlage zu Gesundheitszustand und Mortalität Geflüchteter in Europa ist unzureichend.
Ziel der Arbeit
Todesarten und -ursachen von Asylsuchenden im Zeitraum von Januar 2015 bis zum Juni 2017 sollten systematisch erhoben, spezielle Charakteristika des Studienkollektivs beschrieben sowie mögliche Gesundheitsprobleme und besondere Risiken, eines nichtnatürlichen Todes zu sterben, identifiziert werden.
Material und Methoden
Es erfolgte die prospektive Auswertung der gerichtlich angeordneten Sektionen an Geflüchteten im vorbenannten Zeitraum an den rechtsmedizinischen Instituten der Bundeshauptstadt Berlin Charité Universitätsmedizin sowie am Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin. Es wurden 38 Sektionen an Geflüchteten im Alter von 0 bis 78 Jahren durchgeführt, darunter 32 männliche und 6 weibliche Verstorbene.
Ergebnisse
Nichtnatürliche Todesarten lagen in 66 % der Fälle vor; hierbei entfielen 32 % auf Unfälle und je 24 % auf Suizide bzw. Tötungsdelikte. Bei 16 % der nichtnatürlichen Todesfälle konnte eine todesursächliche Betäubungsmittelintoxikation nachgewiesen werden. Bei den Unfallgeschehen waren Stürze aus der Höhe und Tod durch Ertrinken führend. Natürliche Todesarten machten weniger als ein Drittel des Studienkollektivs aus, wobei Erkrankungen des Herz‑/Kreislaufsystems dominierten. In einem Fall bestand eine todesursächliche Infektionskrankheit. In 2 Fällen blieb die Todesursache unklar.
Schlussfolgerung
Geflüchtete stellen eine heterogene Bevölkerungsgruppe dar, die auch nach der Ankunft im Zielland potenziell belastenden Faktoren gegenüberstehen. Diese ergeben sich aus mit dem Asylverfahren verbundenen Lebensumstände und können ungünstige Auswirkungen auf die Gesundheit der Betroffenen entfalten. Weiterführende Studien zu Morbidität und Mortalität Geflüchteter in der Bundesrepublik sind notwendig, um bestehende Präventionsmaßnahmen zur Anwendung zu bringen und weiterführende Konzepte zu entwickeln.