Hintergrund und Fragestellung
Depression ist eine psychische Störung und zeichnet sich durch eine gedrückte Stimmung, Interessensverlust und wenig Antrieb aus [
1]. Die Prävalenz der Krankheit liegt bei Frauen höher als bei Männern [
2] und die Symptomatik ist bei Frauen und Männern unterschiedlich ausgeprägt [
3]. Als Therapie werden meistens Medikamente [
4] und Psychotherapie [
5] eingesetzt, aber heutzutage auch immer öfter Akupunktur als Zusatzbehandlung [
6]. Das Ziel dieser Studie ist es, zu untersuchen, ob und, wenn Ja, welche Geschlechtsunterschiede es bei der Akupunkturbehandlung von Patienten mit Depressionen gibt. Die primäre Hypothese ist, dass es Geschlechtsunterschiede in den vorhandenen TCM-diagnostischen Mustern und in der Akupunkturbehandlung von weiblichen und männlichen Patienten mit Depressionen gibt.
Diskussion
Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, ob es geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Akupunkturbehandlung von Patienten mit Depressionen gibt. Die primäre Hypothese war, dass Geschlechtsunterschiede in den vorhandenen TCM-diagnostischen Mustern und in der Akupunkturbehandlung von weiblichen und männlichen Patienten mit Depressionen vorliegen. Die Analysen der TCM-diagnostischen Muster zeigen, dass in unseren Untersuchungsgruppen die weiblichen Patienten mit Depressionen viel mehr Mangelprobleme haben als Männer und die Männer mehr Fülle (Schleim und Feuer) zeigen als die Frauen, ansonsten gibt es kaum Geschlechtsunterschiede. Es fällt auf, dass eine große Heterogenität der Diagnosen bei beiden Gruppen vorhanden ist. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass in der TCM individuelle Diagnostik benutzt wird und dass Geschlechtsunterschiede nicht speziell berücksichtigt werden. Es wäre interessant, dies in zukünftigen Studien gezielt zu untersuchen, da es auch praktische Implikationen haben könnte. Die Analyse der Punktauswahl zeigt, dass sowohl bei den weiblichen als auch bei den männlichen Patienten mit Depressionen am häufigsten die folgenden 8 Punkte genadelt werden: EX-HN-1 + Du Mai 20, Mi 6, Di 4, Mi 9, Ni 3, He 7, Ma 36 und Le 3. Eine Erklärung für die Verwendung von EX-HN-1 mit Du Mai 20 als auch He 7 und Le 3 sind deren bekannte starke Auswirkungen auf die Psyche, sie kalmieren das „Shen“ [
15]. Diese Punkte wirken stark beruhigend und bei Patienten mit Depressionen, die regelmäßig über innere Unruhe, Grübeln und schlechtes Schlafen berichten, ist es logisch, dass diese Punkte Anwendung finden. Mi 6, Mi 9, Ma 36, Ni 3 und Di 4 sind wahrscheinlich die Punkte, die ohnehin am meisten benutzt werden, dies nicht zuletzt wegen ihrer bekannten Wirkung auf das Regulieren des Qis, die Regulierung des Wasserhaushalts und die Tonifizierung des Körpers [
15]. Auch wenn man mit viel Mangelerscheinungen über den Nutzen von Le 3 diskutieren könnte, ist es so, dass dieser Punkt das Shen beruhigt und somit dem Geist Ruhe bereitet [
15]. Darüber hinaus gab es einige Unterschiede zwischen den Frauen und den Männern, denn bei den Männern wurden die folgenden 4 Punkte Di 11, Ma 8, Mi 4 und KG 17 auch noch häufig genadelt. Die Anwendung dieser Punkte lässt sich aus der Häufigkeit der Hitzeerscheinungen bei den Männern erklären. Viele Männer hatten aufgrund der Hitzeprobleme Beschwerden mit Sodbrennen, wobei KG 17 häufig Anwendung fand [
15]. Die Scores auf dem BDI-II, einer Stimmungsliste, die die Depressionssymptome der Patienten misst, sind nach der Akupunkturbehandlung für die totale Gruppe niedriger als vor der Akupunkturbehandlung und dies ist auch nach drei Monaten noch der Fall. Diese Ergebnisse stimmen mit den in früheren Studien gefundenen Resultaten überein [
16,
17].
Akupunktur scheint eine wirksame Form in der Behandlung von Depressionen zu sein
Akupunktur scheint eine wirksame Behandlungsform in der Behandlung von Depressionen zu sein [
16,
17]. Die Resultate für jedes Geschlecht separat betrachtet zeigen, dass die Akupunktureffekte bei den Frauen viel größer sind als bei den Männern. Hier muss allerdings einschränkend angemerkt werden, dass die männliche Gruppe viel kleiner war (und eine hohe Standardabweichung hat) und sie deswegen auch viel weniger statistische Aussagekraft besitzt. Zweitens muss erwähnt werden, dass alle Patienten bereits unter Standardbehandlung standen und dass die Akupunkturbehandlung nur eine Zusatzbehandlung war. Vielleicht war die Standardbehandlung bei den Männern schon etwas erfolgreicher, da sie bereits zu Beginn der Studie ein niedrigeres Ausgangsniveau im BDI-II-Score aufwies.
In der Literatur gibt es bis jetzt lediglich einige Akupunkturstudien, die die geschlechtsspezifischen Unterschiede näher untersucht haben [
18,
19]. Es wurde gefunden, dass es tatsächlich Unterschiede zwischen Männern und Frauen, beispielsweise in der Reaktion auf (Laser‑)Akupunktur, gibt [
18]. Auch hinsichtlich der Hirnaktivität in Reaktion auf Akupunktur gibt es solche Nachweise [
19] und diese Studien beschreiben beide stärkere Effekte bei Frauen [
18,
19]. Darüber hinaus ist es hier wichtig zu erwähnen, dass es aus der Literatur bekannt ist, dass die Symptomatik depressiver Störungen bei Frauen und Männern unterschiedlich ausgeprägt ist [
3].
Die vorliegende Studie hat einige Limitierungen, wie zum Beispiel die kleine Stichprobe [
11], besonders die geringe Zahl an Männern (es ist üblich, dass mehr Frauen als Männer an Depression leiden [
2]) und die Tatsache, dass die Patienten aus ethischen Gründen während der Studie alle weiterhin unter medikamentöser Behandlung standen [
11]. Eine dritte Limitierung ist, dass nur ein Selbstratingfragebogen (BDI-II [
12]) angewandt wurde und keine Fremdratings, wie zum Beispiel die Hamilton Skala [
20], bei der von einem Untersucher beurteilt wird, wie schwer ein bestimmtes Symptom ausgeprägt ist. Auch gab es keine Verblindung [
21] in dieser Studie, deshalb müssen die Ergebnisse mit Vorsicht betrachtet werden [
22]. Eine fünfte Limitierung ist das Faktum, dass die Patientengruppe mit Depressionen, obwohl strikten klinischen Kriterien [
1] gefolgt wurde, heterogen war. Dies ist für die westliche medizinische Diagnostik ein Problem, aber besonders auch für die östliche [
23]. Dieses methodologische Problem ist in der Akupunkturforschungsliteratur bekannt als das „Obstkorbproblem“ [
24]. Es beschreibt die Problematik, dass obwohl die Patienten nach westlicher Medizin alle mit „Depression“ diagnostiziert werden, sie nach östlicher Medizin ganz verschiedene diagnostische Muster zeigen [
24]. Deswegen ist es auch keine große Überraschung, dass die Akupunkturergebnisse in einer Patientengruppe mit Depressionen so unterschiedlich sind. Wegen dieser methodologischen Limitierungen müssen die Ergebnisse und Schlussfolgerungen dieser Arbeit mit Vorsicht betrachtet werden, da sie in zukünftigen Studien noch mit größeren Stichproben und besseren methodologischen Verfahren repliziert werden müssen. Außerdem wäre es empfehlenswert, die verschiedenen östlichen diagnostischen Muster, neben der westlichen Diagnose, zu beschreiben [
25]. In einer sogenannten Big-Data-Studie könnte man die Daten darüber hinaus auch nach verschiedenen östlichen medizinischen diagnostischen Mustern analysieren [
25].
Einhaltung ethischer Richtlinien
Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen oder an menschlichem Gewebe wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.