Die Anwendung von Neurotoxinen ist weitgehend sicher und effektiv bei Krähenfüßen, Stirnfalten & Co. Dennoch können Nebenwirkungen auftreten, über die sich sowohl Anwender als auch Patienten im Klaren sein sollten.
Seit der Entdeckung von Botulinumtoxin haben sich die Indikationen für dessen Nutzung stetig erweitert. So greifen mittlerweile die verschiedensten Disziplinen wie Neurologie, Ophthalmologie, Gastroenterologie, Psychiatrie, Urologie und Dermatologie auf das Nervengift zurück. Gerade durch die ästhetische Dermatologie hat das Toxin einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt. Mittlerweile können nicht nur die Glabellarregion, sondern im Off-label use auch Stirn, Augenbrauen, Krähenfüße, Mundwinkel und vieles mehr behandelt werden. Die Nutzung von Botulinumtoxin gilt als weitgehend sicher – in einer kürzlich erschienenen multizentrischen Studie traten in nur zwei von 6200 Fällen (0,03%) Komplikationen auf (Hämatome und Ptosis). Dennoch gibt es Risiken, die Anwender beachten und über die sie ihre Patienten aufklären sollten. Welche das sind, darüber berichtet ein aktuelles Review [1].
Häufige lokale Reaktionen
Die meisten Nebenwirkungen treten aufgrund einer falschen Injektionstechnik, Dosierung oder Volumen auf. Tatsächliche allergische Reaktionen sind eher selten. Die meisten Komplikationen sind nur leicht und vorübergehend: Mit dabei sind Beschwerden an der Einstichstelle, Erytheme, Hämatome, kurzzeitige Kopfschmerzen und, in seltenen Fällen, Migräne. Funktionelle Nebenwirkungen, die nur selten auftreten, umfassen eine Ptosis, ein Ektropion oder eine Diplopie.
Verletzungen an der Einstichstelle zählen zu den häufigen lokalen Nebenwirkungen der Botulinumtoxinbehandlung. Idealerweise sollten Patienten in der Woche (oder auch länger) vor der Injektion keine blutverdünnenden oder nichtsteroidalen, antiinflammatorischen Medikamente einnehmen. Während der Behandlung können angemessene Lichtverhältnisse sowie eine Dehnung der Haut und im Anschluss ein leichter Druck auf die Injektionsstelle sowie eine Kühlung helfen, Blutergüsse zu minimieren.
Ptosis von Augenlid und Brauen
Eine Ptosis des Augenlids kann entstehen, wenn sich das Gift im Orbitalseptum ausbreitet und den oberen Augenlidheber paralysiert. Dieses Risiko kann minimiert werden, indem der Anwender das Gift subdermal in den lateralen Musculus corrugator supercilii injiziert; dabei gilt es, eine ein Zentimeter große Region bis zum oberen lateralen Orbitalrand freizulassen. Außerdem sollten die Volumina gering gehalten und die Patienten zur Muskelbewegung ermutigt werden, um die Aufnahme durch den Muskel zu erhöhen und die Verbreitung zu reduzieren [3,4]. Sollte dennoch eine Ptosis auftreten, ist diese meist von nur kurzer Dauer (ca. zwei bis vier Wochen) [5,6]. Sie kann aber auch mit α-adregenen Augentropfen (z.B. Apraclonidin) behandelt werden.
Eine Ptosis der Augenbrauen wird meist durch eine Überbehandlung des Augenbrauenhebers oder durch die Ausbreitung des Gifts bei der Behandlung des Glabellakomplexes verursacht. Die Folge ist ein maskenartiges Gesicht. Auch kann es passieren, dass die Braue über das Auge „fällt“ und so zu einer „vermummten“ Erscheinung führt. Die Injektionen sollten daher stets über der tiefsten Stirnfalte appliziert werden.
Bei der Behandlung von nur einer Augenbraue kann es zu einer lateral erhöhten Braue kommen („Mr. Spock Braue“). Um dies zu korrigieren, kann der Anwender kleine Volumina in die intakten lateralen Fasern injizieren [7].
Injektionen im unteren und mittleren Gesicht
Anwendungen von Botulinumtoxin unterhalb des Jochbogens haben oft schwächere Effekte als im oberen Drittel des Gesichts. Zudem können hier die unerwünschten Ereignisse sowohl kosmetischer als auch funktioneller Natur sein – daher sollte nur ein erfahrener Arzt mit umfassenden Anatomiekenntnissen diese Regionen behandeln. Besonders vorsichtig sollten Anwender bei toxinnaiven Patienten sein. Ein asymmetrisches Lächeln kann entstehen, wenn Injektionen in den Kinnmuskel zu stark seitlich erfolgen, oder wenn sie in den Musculus depressor anguli oris zu mittig appliziert werden.
Effekte am Platysma
Die Ausbreitung des Nervengifts in die laryngealen Muskeln oder die direkte Injektion in den Musculus sternocleidomastoideus kann zu Dysphagie, Heiserkeit und einer Schwäche im Nackenflexor führen [8,9]. Sollte eine Schwäche auftreten, brauchen Patienten eventuell eine psychologische Unterstützung sowie Hilfe beim Schlucken. Der Effekt ist jedoch temporär und kennzeichnet keine systemische Toxizität. Die geschätzte lethale Dosis liegt erst bei etwa 3000 Units [10].