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Erschienen in: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 10/2016

07.09.2016 | Leitthema

Gesundheitsfachkräfte in den Frühen Hilfen

Hat sich ihr Einsatz bewährt?

verfasst von: Ilona Renner, Sara Scharmanski

Erschienen in: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz | Ausgabe 10/2016

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Zusammenfassung

Hintergrund

Der Einsatz von Gesundheitsfachkräften in den Frühen Hilfen ist Förderschwerpunkt der „Bundesinitiative Frühe Hilfen“. Die Bundesinitiative hat dazu beigetragen, dass dieses Unterstützungsangebot für Familien mit jungen Kindern bundesweit auf- und ausgebaut wurde. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, inwieweit Familien, insbesondere Familien in belastenden Lebenslagen, von diesem Angebot profitieren.

Methode

Um diese Frage zu beantworten, wurde eine Onlineerhebung bei Gesundheitsfachkräften auf Grundlage der Dokumentationsvorlage des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH) durchgeführt und elterliche Lebens- und Erziehungskompetenzen wurden standardisiert erhoben. An der Erhebung nahmen 190 Gesundheitsfachkräfte teil, die dem NZFH zu drei Erhebungszeitpunkten anonymisierte Angaben über 937 Familien übermittelten.

Ergebnisse

Nach der Betreuung kann eine signifikante Zunahme der Kompetenzen festgestellt werden. Vor allem Familien mit weniger stark ausgeprägten Belastungen scheinen von der direkten Hilfeleistung der Gesundheitsfachkräfte zu profitieren. Familien mit Belastungen, die so stark ausgeprägt sind, dass die Gesundheitsfachkraft die Vermittlung zusätzlicher Hilfeangebote in Erwägung zieht, profitieren deutlich weniger von den direkten Hilfeleistungen. Jedoch können diese Familien zu einem sehr hohen Anteil in zusätzliche, intensive Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe vermittelt werden.

Diskussion

Familien in psychosozial belasteten Lebenslagen scheinen von der Betreuung durch Gesundheitsfachkräfte zu profitieren. Weitere Forschungsbemühungen (v. a. die Überprüfung im Kontrollgruppendesign) sind wünschenswert, wobei vermehrt auf adäquate und durch die Gesundheitsfachkraft beeinflussbare Outcomevariablen zur Erfassung des Betreuungseffektes zurückgegriffen werden sollte.
Fußnoten
1
Wird der Einsatz der Gesundheitsfachkraft aus Mitteln der Bundesinitiative finanziert, muss die Zusatzqualifikation dem Kompetenzprofil Familienhebammen oder dem Kompetenzprofil Familiengesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen und -pfleger in den Frühen Hilfen entsprechen [1, 2]. Siehe dazu auch die Festlegungen in der Verwaltungsvereinbarung Bundesinitiative Netzwerke Frühe Hilfen und Familienhebammen 2012–2015 [3].
 
2
So wurden bis dato auch für die Frühen Hilfen in Deutschland insgesamt lediglich wenige Wirksamkeitsnachweise mit geringer praktischer Bedeutsamkeit (kleinen Effektgrößen) berichtet, wobei die Ergebnisse der Einzelstudien eine große Heterogenität aufwiesen [15]. Dies ist u. a. auch auf die unterschiedlichen Designs (Prä-/Postvergleiche oder Interventions-/Kontrollgruppendesigns) und auf unterschiedliche Interventionen (universell-präventive oder sekundär-präventive Ansätze) zurückzuführen. Die Nutzung von Wirksamkeitsparametern, die oftmals nicht mit den Zielen der Interventionen vereinbar sind, mag aber ebenfalls ein wichtiger Grund für das Ausbleiben von Effekten sein. Zu erwähnen ist auch, dass der vielfach geforderte Nachweis eines direkten Einflusses der Tätigkeit von Gesundheitsfachkräften auf die Häufigkeit von Kindeswohlgefährdungen aus statistischen Gründen nicht gelingen kann, da die Prävalenzen von Kindeswohlgefährdungen zu gering sind [16].
 
3
So enthält die Skala „Interaktion zwischen Hauptbezugsperson und Kind“ (1) folgende sechs Items (a–f): Die Hauptbezugsperson (HBP) nimmt die körperlichen Bedürfnisse des Säuglings wahr (a); die HBP nimmt die emotionalen Bedürfnisse des Säuglings wahr (b); die HBP reagiert angemessen auf die körperlichen Bedürfnisse des Säuglings (c); die HBP reagiert angemessen auf die emotionalen Bedürfnisse des Säuglings (d); die HBP wendet sich dem Kind aktiv zu (e); die HBP zeigt dem Kind gegenüber Zärtlichkeit (f).
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Gesundheitsfachkräfte in den Frühen Hilfen
Hat sich ihr Einsatz bewährt?
verfasst von
Ilona Renner
Sara Scharmanski
Publikationsdatum
07.09.2016
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz / Ausgabe 10/2016
Print ISSN: 1436-9990
Elektronische ISSN: 1437-1588
DOI
https://doi.org/10.1007/s00103-016-2430-8

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