Krebs-Op: Bessere Qualität durch gebündelte Expertise

Mindestmengen sind umstritten. Gerade bei der Versorgung von Krebspatienten haben sie sich aber bewährt, sind sich Experten einig. Ebenso wie Zentren, die in der Regel ein komplettes ambulant-stationäres Netzwerk bieten. Routine bei Operationen wirkt, daher plädieren Experten für Mindestmengen. Tobilander / Fotolia × BERLIN. "Wir wissen, dass Lungenkrebspatienten deutlich bessere Chancen haben, wenn sie in Kliniken mit hohen Fallzahlen operiert werden", sagt Dr. Simone Wesselmann mit Blick auf die Krankenhaussterblichkeit nach einer Operation. Die Bereichsleiterin Zertifizierung bei der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) spricht sich klar für die Einführung von Mindestmengen bei Lungenkrebs-Op als ein Element für die Sicherstellung der Qualität aus und stützt sich dabei auf eine Analyse von Krankenhaus-Abrechnungsdaten der Jahre 2005 bis 2015. Demnach lag die Sterblichkeitsrate 2015 in Kliniken mit mehr als 75 Lungenkrebs-Operationen pro Jahr bei 2,5 Prozent, in Kliniken mit weniger Eingriffen bei 4,1 Prozent. "Die Vorgabe von Mindestmengen kann also über Leben und Tod entscheiden." Spezialisten arbeiten Hand in Hand Damit sich eine Klinik als Lungenkrebszentrum zertifizieren lassen kann, muss sie mindestens 75 Lungenkrebsoperationen pro Jahr nachweisen und darüber hinaus bestimmte Qualitätskriterien erfüllen, die jährlich überprüft werden. Schließlich, so Wesselmann, haben die Patienten ein Recht auf eine gute Qualität. "Diese Qualität können wir in Deutschland bieten, es muss ja nichts Neues aus dem Boden gestampft werden." Das Problem seien jedoch viele Kliniken am anderen Ende des Spektrums: So haben im Jahr 2015 insgesamt 194 der 318 behandelnden Kliniken nur eine bis 25 Lungenresektionen durchgeführt. "Das sind in der Regel allgemeinchirurgische Abteilungen, die nur gelegentlich Thoraxchirurgie betreiben." Die DKG hat 49 Lungenzentren und damit annähernd alle Zentren zertifiziert, die die Voraussetzungen für eine Zertifizierung erfüllen. Solche Zentren sind Netzwerke aus stationären und ambulanten Einrichtungen, in denen alle an der Behandlung eines Krebspatienten beteiligten Fachrichtungen eng zusammenarbeiten. Thoraxchirurgen, Radioonkologen und Pathologen gehören dazu. Auch Experten für die medikamentöse Tumortherapie und weitere Fachdisziplinen sowie onkologische Pflegekräfte, Psychoonkologen und Sozialarbeiter arbeiten in den Netzwerken Hand in Hand. Ein Zertifikat gilt grundsätzlich für drei Jahre. Und was passiert, wenn in dieser Zeit die Mindestmenge unterschritten wird? "Zunächst einmal nichts", sagt Wesselmann, "wenn die Ergebnisse sonst stimmen". Stimmen die Ergebnisse allerdings nicht, zieht die DKG Konsequenzen. "Allein 2016 haben wir über alle Krebszentren hinweg 14 Zertifikate entzogen und bis Ende September 2017 insgesamt 22." Die jährliche Überprüfung der Zertifizierung nutzt nach Wesselmanns Überzeugung allen. Den Patienten, weil sie von der Erfahrung und dem Zusammenspiel aller an ihrer Behandlung Beteiligten profitieren. Und den Ärzten, weil der Blick von außen für Transparenz sorgt und geklärt wird, ob jeder Partner innerhalb des Netzwerks eine leitliniengerechte Behandlung sicherstellt. Wenn der Soll-Wert nicht stimmt Wird während einer Überprüfung durch die Auditoren festgestellt, dass bestimmte Vorgaben nicht erfüllt sind, wird über geeignete Maßnahmen gesprochen, um das Soll wieder zu erreichen. "Es ist ganz einfach: Nur was ich kenne, kann ich verbessern", so Wesselmann. Sie ist eine der Autoren des Beitrags "Mindestmengen in der Thoraxchirurgie: Argumente aus der deutschen DRG-Statistik" im Qualitätsmonitor 2018, einer Veröffentlichung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), des Vereins Gesundheitsstadt Berlin und der Initiative Qualitätsmedizin (IQM). "Die traditionelle Konzentration der Lungenkrebs-Behandlungen in Deutschland auf relativ wenige Kliniken mit großen Fallzahlen konnte durch die Auswertung der DRG-Statistik bestätigt werden", heißt es im Qualitätsmonitor. Mindestmengen seien in der Medizin zwar umstritten. Aber: "Für kurativ-chirurgische Behandlungen bei Lungenkarzinom erscheinen sie gerechtfertigt und angesichts der bereits vorhandenen Konzentration der Eingriffe auf wenige Zentren in der Versorgungslandschaft in Deutschland umsetzbar." Versorgungsqualität gewinnt Ähnlich hat sich bei der Vorstellung des Qualitätsmonitors in Berlin jüngst Professor Ralf Kuhlen, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates der IQM, geäußert. Die Durchsetzung von Mindestmengen und Zentralisierung von Leistungen sei für Kliniken nicht einfach und ein "schmerzhafter Prozess", der aber angesichts der eindeutigen Datenlage "absolut folgerichtig" sei, betonte er. Viele der 410 IQM-Kliniken, die sich freiwillig für mehr Versorgungsqualität engagierten, seien die Themen Mindestmengen und Zentrenbildung schon lange vor der Ankündigung regulatorischer Eingriffe angegangen. Die wirtschaftliche Komponente Neben den qualitativen Vorteilen von Zentren, also besseren Behandlungsergebnissen durch höheres Behandlungsvolumen, interdisziplinärer Netzwerkbildung und Behandlung auf Basis der evidenzbasierten Leitlinien, sprechen auch wirtschaftliche Gründe für eine Bündelung der Expertise. Um den Facharztstandard aufrechterhalten zu können, müsse ein Mindest-Behandlungsvolumen erfüllt sein. "Zwei Fachärzte sind wiederum die Minimalbesetzung zur Aufrechterhaltung des Facharztstandards rund um die Uhr", hebt Wesselmann in ihrem Beitrag hervor. "Das funktioniert nur, wenn eine bestimmte Anzahl von Patienten behandelt wird. Und das gilt nicht nur für Lungenzentren, sondern für alle Krebszentren." Neben der operativen Therapie von Lungenkrebs spielen nach Wesselmanns Angaben weitere Faktoren eine Rolle. Alle Behandlungsschritte, angefangen bei der Frühdiagnostik, müssen demnach in der gleichen Qualität erfolgen. "Inzwischen sprechen wir über Überlebenszeiten für Patienten mit Lungenkrebs, die so vor einigen Jahren noch gar nicht denkbar waren." Solche Ergebnisse könnten am besten erreicht werden, wenn Patienten von gebündeltem, strukturiertem Expertenwissen profitierten. Wesselmann: "Deshalb würde ich mir für solche Patienten wünschen, dass ihre behandelnden Ärzte sie in ein zertifiziertes Zentrum schicken und beispielsweise auf Oncomap.de nachschauen, wo das in ihrer Nähe ist." Zertifizierte Zentren finden Ärzte unter: http://www.oncomap.de/

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