Wie der Job orthopädische Chirurgen und Chirurginnen verschleißt

Ein Großteil der in der orthopädischen Chirurgie Beschäftigten leidet berufsbedingt unter körperlichen und/oder psychischen Beschwerden. In einer Umfrage der Universität Miami klagten die Betroffenen vor allem über muskuloskelettale Probleme, aber auch Krampfadern, Hörschäden und Burnout setzten ihnen zu. Die Zahlen belegen, wie wenig Orthopäden und Orthopädinnen auf die eigene Gesundheit achten. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die Arbeit in der orthopädischen Chirurgie ist ein Knochen-Job. Wer im Alltag ständig mit schweren und unhandlichen Hämmern, Bohrern, Fräsen und Sägen hantiert, und das oft in extrem unergonomischer Haltung, hat ein hohes Risiko, entsprechende Schäden davonzutragen. Wie hoch dieses Risiko ist und welche physischen und psychischen Belastungen noch dazukommen, haben Dr. Ramakanth R. Yakkanti von der University of Miami und sein Team untersucht. Dazu wurde sämtlichen Mitgliedern der American Academy of Orthopaedic Surgeons (AAOS) ein Fragebogen vorgelegt, den 1.645 mehr oder weniger vollständig beantworteten. Vom Karpaltunnelsyndrom bis zum Tennisarm Arbeitsbedingte Schäden am Bewegungsapparat wurden in 2.702 Fällen angegeben (Mehrfachnennungen möglich): Am häufigsten waren Probleme an Händen und Handgelenken (rund 40%), gefolgt von Kreuzregion (36%), Nacken (30%) und Schultern (18%). 10% der Nennungen betrafen Beschwerden an der oberen Rückenpartie, 9% am Ellbogen. Immerhin 18% der muskuloskelettalen Schäden bedurften einer operativen Versorgung. Unter Krampfadern litten rund 30% der Befragten. Von diesen gab nur etwa jede(r) Dritte an, regelmäßig Kompressionsstrümpfe zu tragen. Immerhin 13% hatten weitergehende Maßnahmen (operativ oder nicht operativ) erhalten. Verletzungen oft nicht gemeldet Fast alle an der Umfrage Beteiligten hatten sich im Lauf ihres Berufslebens schon am Finger verletzt, zum Beispiel an Nadeln, spitzen Instrumenten, Kirschnerdrähten oder an einem scharfen Knochenfragment. Speziell Verletzungen durch Knochen waren nur in jedem dritten Fall gemeldet worden. Eine präventive Behandlung zum Schutz vor Infektion hatte sogar nur in 3% dieser Fälle stattgefunden. Auch der oft hohe Lärmpegel im OP, verursacht durch Hochleistungsgeräte wie Fräsen, Sägen oder Sauger, hatte offenbar Folgen: Ein Drittel berichtete, seit Beginn der Tätigkeit einen lärmbedingten Hörschaden entwickelt zu haben, bei 16% war eine entsprechende Diagnose gestellt worden. Inwieweit hier jedoch eine altersbedingte Hörschädigung eine Rolle spielte, ließ sich nicht feststellen. Die Prävalenz war jedenfalls am höchsten bei Teilnehmenden, die seit über 25 Jahren praktizierten. Zwei Drittel mit Burnout Zu den häufig berichteten Beschwerden gehörten psychische Belastungen: 65% der Befragten hatten schon einmal einen Burnout erlebt, darunter deutlich mehr Frauen als Männer. Von den 1045 Betroffenen hatten laut Fragebogen allerdings nur 17% deswegen freigenommen ‒ obwohl in der Hälfte der Fälle nach eigenen Angaben das soziale Leben und in jedem dritten Fall die berufliche Leistungsfähigkeit darunter gelitten hatten. Auch hier hatte nur eine Minderheit, nämlich 10% der Betroffenen, professionelle Hilfe in Anspruch genommen. Erschreckend hohe Krebsrate Erschreckend hoch war schließlich auch die Rate der Krebserkrankten in der Berufsgruppe. Mit 17% lag der Anteil derer, die nach dem Start ihrer Tätigkeit in der Orthopädie ein Karzinom entwickelt hatten, deutlich höher als in der Allgemeinbevölkerung. Dies, so Yakkanti und Kollegen, könne damit zusammenhängen, dass bei strahlenbelasteten Prozeduren weniger als zwei Drittel regelmäßig einen Bleischutz trugen. Knapp 5% gaben sogar an, sich nie zu schützen. Das Autorenteam hofft, durch diese Erhebung das Bewusstsein für die berufsbedingten Risiken – sowohl körperliche als auch psychische – zu schärfen und vor allem auch die Betroffenen selbst dazu zu bringen, mehr auf die eigene Gesundheit zu achten. Vorbeugen mit ergonomischen Hilfsmitteln und Anti-Stress-Programmen Zu Vorbeugung von chronischen Schmerzen und Schäden am Bewegungsapparat könnten bereits kleine ergonomische Veränderungen rund um den OP-Tisch hilfreich sein. Anzustreben sei eine neutrale Körperhaltung, und zwar möglichst über die ganze Op.-Dauer hinweg. Viele der Beteiligten hatten offenbar ein Karpaltunnelsyndrom entwickelt; dieses sei möglicherweise auf das ständige Umklammern chirurgischer Instrumente zurückzuführen. Die ebenfalls häufige Epicondylitis humeri lateralis führen die Autoren unter anderem auf das einarmige Bedienen von Bildschirmen in unbequemer Position zurück. Studien hätten gezeigt, dass solche Symptome durch gezieltes ergonomisches Training deutlich zurückgegangen seien. Das Team weist außerdem auf Hilfsmittel wie Arbeitsplatzmatten („Anti-Ermüdungsmatten“) oder speziell für langes Stehen entwickelte Schuhe hin. Damit könne man chronischen Schäden an Knöcheln und Füßen vorbeugen. Wie die Fragebogenstudie gezeigt habe, sei bei Chirurgen mit solchen Problemen die Wahrscheinlichkeit eines vorzeitigen Ruhestands am höchsten. Bezüglich Burnout heben Yakkanti und sein Team die Bedeutung von Programmen zur Stressbewältigung und zur Unterstützung der seelischen Gesundheit nahe. Dies sei auch im Sinne der Patienten, denn: „Burnout trägt nachweislich zu einer verminderten Qualität der Patientenversorgung bei.“ Das Wichtigste in Kürze Frage: Welche berufsbedingten Schäden machen orthopädischen Chirurginnen und Chirurgen zu schaffen? Antwort: Wie eine Umfrage unter 1.645 US-Orthopäden und -Orthopädinnen zeigt, ist die Bandbreite der berufsbedingten körperlichen und seelischen Schäden groß. Sie reicht den Befragten zufolge von muskuloskelettalen Schäden (vor allem an Händen, Rücken, Schulter/Nacken) über Durchblutungsstörungen der Beine und Hörschäden bis hin zum Burnout. Bedeutung: In orthopädischen Abteilungen sollte mehr auf die Gesundheit der Beschäftigten geachtet werden. Die Studienautoren regen an, ergonomische Hilfsmittel und Programme zur Stressbewältigung verstärkt einzusetzen. Einschränkung: Fragebogenstudie; Rücklauf nur 7%; Verzerrungsrisiko durch unkorrekte/subjektive Angaben.

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