10.07.2023 | Dermatologie in Kunst und Geschichte
Gewachsener Hauttumor in einem Altarschrein des 16. Jahrhunderts
verfasst von:
Prof. Dr. Max Hundeiker
Erschienen in:
Die Dermatologie
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Ausgabe 10/2023
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Zusammenfassung
Fragmente des sog. „Straußfurter Retabels“ sind bekannt geworden durch lange Provenienzuntersuchungen wegen unvollständiger Dokumente zu den zeitweilig von Hermann Göring akquirierten Teilen. Der in Kronach verwahrte zentrale Schrein ist eine Darstellung der „Marienkrönung“, in Lindenholz geschnitzt mit ursprünglicher Farbfassung. Am Ende des Krieges darin entstandene Schäden durch Beschuss sind in der Literatur beschrieben und abgebildet. Bisher nirgends je erwähnt ist jedoch ein eigentlich „unmöglicher“ dermatologischer Befund: ein großer, scharf begrenzter exophytischer Tumor über dem rechten Jochbein des Christus. Erst bei näherer Untersuchung wird deutlich, dass er nicht von Anfang an in dieser Stelle bestanden haben kann. Sein (relatives!) Wachstum ist erklärt durch „Schwindung“ im umgebenden Holz. Je nach Feuchte der Umgebung schrumpfen tote Holzzellen längs zur Faserrichtung kaum, quer dazu, schlanker werdend, viele Male so stark. Im Tumor sind zwischen flach getroffenen durch „Schwindung“ gesunkenen Partien dicke Bündel der quergeschnittenen „Wurzel“ eines Astes vertikal zur Oberfläche stehen geblieben. Sein Ursprung war ein vom Künstler nicht erahnter „Knoten“ im Lindenholz – vor 500 Jahren.