Gicht: Initialtherapie mit Allopurinol geht nicht auf die Nieren

Bei Gichtpatienten gibt es offenbar keinen Zusammenhang zwischen der Therapie mit täglich mindestens 300 mg Allopurinol und der Entwicklung einer schweren Nierenerkrankung. Dies geht aus den Ergebnissen einer bevölkerungsgestützten Kohortenstudie hervor. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Es gab bisher nur wenige Studien, in denen die Wirkung einer Allopurinoltherapie bei Patienten mit neu diagnostizierter Gicht auf die Nierenfunktion geprüft wurde. Ein Grund für Ärzte und Epidemiologen um die Rheumatologin Dr. Ana Beatriz Vargas-Santos, Universität von Rio de Janeiro in Brasilien, zu untersuchen, welchen Zusammenhang es zwischen dem Therapiestart mit Allopurinol und der Entwicklung einer Nierenerkrankung im Stadium III oder höher gibt. Dabei ging es um Gichtpatienten mit normaler bzw. fast normaler Nierenfunktion zu Therapiebeginn. Befunde aus mehr als einem Jahrzehnt Die Wissenschaftler werteten dazu die Patientendaten des britischen Health Improvement Network aus und stützten sich auf Befunde, die in Allgemeinarztpraxen zwischen Januar 2000 und Dezember 2014 erhoben worden waren. Vargas-Santos und ihre Kollegen beschränkten sich auf Studienteilnehmer mit einer Startdosis des Allopurinols von mindestens 300 mg täglich, eine Dosierung, wie sie damals üblich war. Das steht den Empfehlungen deutscher Leitlinien entgegen, in denen es heißt, Allopurinol möglichst einschleichend dosiert zu verabreichen, beginnend mit einer Dosis von täglich 100 mg. Mithilfe des Propensity-Score-Matchings sollte schließlich eine Situation ähnlich der in einer randomisierten Studie geschaffen werden, in der Patienten mit Allopurinoltherapie und Patienten ohne diese Behandlung miteinander verglichen und Verzerrungen weitgehend vermieden werden. Die beiden Gruppen mit je 4760 erwachsenen weitgehend nierengesunden Gichtpatienten glichen sich in den wesentlichen Parametern wie Alter, Geschlechterverteilung, BMI, mittlere glomäruläre Filtrationsrate (GFR) und medikamentöse Therapie. In beiden Studiengruppen lag die geschätzte GFR bei durchschnittlich 77 ml/min. 71% der mit Allopurinol Behandelten und der Unbehandelten hatten eine GFR zwischen 60 und 89 ml/min, die übrigen Studienteilnehmer von mindestens 90 ml/min. Behandlungsdauer durchschnittlich 2,3 Jahre lang Wie die Wissenschaftler berichten, entwickelten 579 Studienteilnehmer mit und 623 Patienten ohne Allopurinolbehandlung eine chronische Nierenerkrankung im Stadium III oder höher, und zwar über ein Follow-up von fünf bzw. vier Jahren. Im Durchschnitt lag der BMI in beiden Studiengruppen bei 30 kg/m2. Die Behandlung mit dem Harnsäuresenker (≥ 300 mg/Tag Initialdosis) – durchschnittlich über 2,3 Jahre – war im Vergleich zu den unbehandelten Patienten mit einer um 13% niedrigeren Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer chronischen Nierenerkrankung vom Stadium III oder höher assoziiert (HR: 0,87; 95%-Konfidenzintervall: 0,77–0,97). Die Therapie mit weniger als 300 mg pro Tag war nicht mit einer Änderung der Nierenfunktion in die eine oder andere Richtung assoziiert. Obwohl die Wissenschaftler das Propensity-Scores-Matching verwendeten, rechnen sie damit, dass es in der Beobachtungsstudie zu Verzerrungen gekommen ist. Ein Manko ist darüber hinaus, dass nicht überprüft werden konnte, ob die verschriebenen Allopurinoldosen von jedem Patienten tatsächlich regelmäßig eingenommen wurden. Das Wichtigste in Kürze Frage: Gibt es bei Patienten mit Gicht und normaler Nierenfunktion einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Allopurinol und der Entwicklung einer chronischen Nierenerkrankung im Stadium III oder IV? Antwort: Aus den Ergebnissen der bevölkerungsgestützten Kohortenstudie lässt sich kein Zusammenhang zwischen der Therapie mit mindestens 300 mg Allopurinol und einer schweren Nierenerkrankung ablesen. Bedeutung: Sollte es bei Patienten mit Gicht zu einer Nierenschädigung kommen, müssen andere Faktoren als eine Allopurinoltherapie in Betracht gezogen werden. Einschränkung: Trotz Verwendung des Propensity Scores ist in der Beobachtungsstudie mit Verzerrungen zu rechnen. Zudem konnte nicht überprüft werden, ob die verschriebenen Allopurinoldosen von jedem Patienten regelmäßig eingenommen wurden.

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