Erschienen in:
11.06.2014 | Editorial
Glaubwürdigkeit und Transparenz
verfasst von:
Dr. med. Uwe Meier
Erschienen in:
NeuroTransmitter
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Ausgabe 6/2014
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Auszug
Als Ärzte glauben wir gerne, in medizinischen Entscheidungen unabhängig zu sein. Genauer: das glaubt der einzelne Arzt von sich selbst. Das Urteil über Kollegen fällt deutlich kritischer aus. Es gibt Erhebungen, die belegen, dass sich Ärzte etwa in Bezug auf den Einfluss der Pharmaindustrie selbst in ihren Entscheidungen autonom erleben, während sie die Kollegen als beeinflusst wahrnehmen. Das Verhältnis von Ärzten zur Pharmaindustrie ist dabei nur ein Interessenkonflikt unter vielen. Medizinökonomen können uns eine lange Liste an Untersuchungen zum Einfluss ökonomischer Rahmenbedingungen auf medizinische Parameter vorlegen. Jeder kennt die Beispiele zu Liegezeiten und Beatmungsdauer in Abhängigkeit von Vergütungsanreizen im DRG-System. Wie gehen wir mit solchen Erkenntnissen um? Um es vorwegzunehmen: Die bloße Proklamation von Unabhängigkeit führt im besten Fall zu einer inhaltsleeren „political correctness“ und zu rhetorischen Potemkin,schen Dörfern, im schlechteren Fall zu Scheinheiligkeit oder Naivität. Keiner von uns ist autonom, jeder bewegt sich in Abhängigkeiten. Kliniker sind bei Diagnosen, Prozeduren und Liegezeiten nicht unabhängig von DRGs. Ein Klinikbetrieb kann nicht rund laufen, wenn er dauerhaft rote Zahlen schreibt, und Klinikchefs werden in die wirtschaftliche Verantwortung genommen. Vertragsärzte müssen zur Aufrechterhaltung einer wirtschaftlichen Praxisführung die Logik des EBM beachten und bei Verordnungen Richtgrößen und Budgets berücksichtigen. Diese Abhängigkeiten werden sich nie vermeiden lassen, aber sie sind eingrenzbar. Gutmenschentum und wirtschaftliche Praxisführung sind schlecht miteinander vereinbar und können nach Regressen schnell in Verbitterung, Zynismus und Dienst nach Vorschrift umschlagen. …