Mutationsspezifische Impfung bremst aggressive Gliome

Eine Impfung gegen hochaggressive diffuse Gliome mit einer bestimmten Mutation scheint die Tumoren bei einigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen für eine gewisse Zeit in Schach zu halten. Bei einer Frau gelang in einer Pilotstudie sogar eine Komplettremission. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Diffuse Gliome mit einer Substitution von Lysin durch Methionin an Position 27 des Histons H3 (H3K27M+) gelten als besonders aggressiv. Sie bilden sich primär bei jungen Menschen und manifestieren sich im Gehirn oft entlang der Mittellinie – daher sind sie chirurgisch nur schlecht zugänglich. Hinzu kommt eine limitierte Response auf eine Radiochemotherapie, auch Checkpointhemmer haben sich als nicht sehr wirksam erwiesen, somit bleibt oft nur eine palliative Radiotherapie. In der Regel leben die Betroffenen nach der Diagnose nur noch 10–15 Monate, berichten Neuroimmunologen um Dr. Niklas Grassl vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Möglicherweise profitieren solche Patientinnen und Patienten von einer mutationsspezifischen Impfung gegen die Tumoren: In einer ersten klinischen Untersuchung mit einem Peptid, das die K27M-Mutation enthält (H3K27M-vac), konnten Grassl und Mitarbeitende bei fünf von acht Geimpften eine deutliche Immunresponse erzeugen, bei einer Patientin ging diese mit einer anhaltenden Komplettremission einher. Fünf von acht sprachen auf die Behandlung an Die Vakzine H3K27M-vac besteht aus 27 Aminosäuren und soll über die K27M-Substitution eine Immunantwort gegen das veränderte H3-Histon in Gliomzellen hervorrufen, ohne gesunde Zellen zu schädigen. Mit dem Impfstoff wurden zwischen den Jahren 2017 und 2022 insgesamt acht Menschen mit diffusen Mittelliniengliomen behandelt. Diese waren im Schnitt 28 Jahre alt und hatten einen Tumorprogress nach der üblichen Temozolomid-Radiochemotherapie, fünf hatten sich zuvor auch einer Resektion unterzogen. Drei wiesen ein Gliom im Thalamus auf, zwei in der Pons, eine Person im Rückenmark, eine im Parietallappen, eine an unterschiedlichen Positionen. Die vier Frauen und vier Männer bekamen das Peptid subkutan injiziert, und zwar alle zwei Wochen über sechs Wochen hinweg, anschließend monatlich, nach vier Monaten vierteljährlich. Fünf der Erkrankten wurden parallel dazu auch mit PD1-Hemmern behandelt. Im Median dauerte die Therapie ein halbes Jahr, bei einer der Personen dreieinhalb Jahre. Außer Reaktionen am Injektionsort wurden keine relevanten Nebenwirkungen beobachtet. Empfehlung der Redaktion Hirntumoren – Themenseite Ihre ungünstige Prognose macht Hirntumoren zu gefürchteten Krebserkrankungen. Aktuelles zur Behandlung und Diagnose von malignen aber auch benignen Hirntumoren finden Sie auf unserer Themenseite. Mutationsspezifische periphere T-Zellen ließen sich nach Beginn der Impfungen bei fünf Personen nachweisen, im Median nach zwei Injektionen. Die Immunreaktion war primär CD4-getriggert und unabhängig von Alter, Geschlecht, Tumorgröße sowie einer begleitenden PD1-Hemmer-Behandlung, berichten Grassl und Mitarbeitende. Bei vier der Geimpften sank die Zahl der mutationsspezifischen T-Zellen mit der Zeit aber wieder. Bei allen fünf ging die immunologische Response mit einer radiografisch erfassten Verkleinerung der Gliome einher. Über alle acht Geimpften zusammengenommen ergab sich ein medianes progressionsfreies Überleben nach Beginn der Behandlung von 6,2 Monaten und ein Gesamtüberleben von 12,8 Monaten. Dabei zeigten sich jedoch große Unterschiede: Ein Mann starb erst 60 Monate nach der Diagnose und 45 Monate nach der ersten Impfung, eine Frau war über 40 Monate nach der Impfung noch am Leben – bei ihr wurde eine anhaltende Komplettremission erzielt. Diese Patientin wies eine besonders ausgeprägte und lange anhaltende Immunresponse auf, sie war jedoch nicht begleitend mit Checkpointhemmern behandelt worden. Das Team um Grassl hält die Resultate für sehr ermutigend und geht davon aus, dass die Ergebnisse noch besser sind, wenn die Betroffenen gleich nach der Diagnose geimpft werden, weil den T-Zellen dann mehr Zeit bleibt, ihre Wirkung zu entfalten. In einer Phase-1-Studie prüfen sie ihre Vakzine nun bei frisch diagnostizierten Gliomkranken in Kombination mit der Standardtherapie. Das Wichtigste in Kürze Frage: Eignet sich eine mutationsspezifische Vakzine zur Behandlung bei diffusen Mittelliniengliomen mit H3K27M-Mutation? Antwort: In einer ersten Untersuchung mit acht Personen zeigten fünf eine immunologische und radiologische Response, eine erzielte eine anhaltende Komplettremission. Bedeutung: Eine Vakzine gegen H3K27M+-Gliome könnte sich bei einigen Erkrankten als wirksam erweisen. Einschränkung: Kleine Pilotstudie ohne Kontrollgruppe.

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