HCL-Systeme bei Typ-1-Diabetes: Blutzuckerkontrolle besser, Risiko für Ketoazidose aber höher

Eine bessere Blutzuckerkontrolle und weniger Fälle von hypoglykämischem Koma, dafür mehr diabetische Ketoazidosen. Dieses HCL-Insulin-Therapie-Profil zeigte sich in einem Vergleich von Hybrid-Closed-Loop(HCL)- und Open-Loop-Systemen bei Typ-I-Diabetes im DPV-Register. „Die Wirksamkeit der Hybrid-Closed-Loop(HCL)-Therapie zur Verbesserung der glykämischen Ergebnisse und zur Verringerung des Risikos für ein hypoglykämisches Koma liefert Evidenz dafür, ihren Einsatz bei Personen [mit Typ-1-Diabetes] unter Pumpentherapie und kontinuierlicher Glukoseüberwachung (CGM) zu befürworten, die ihre glykämischen Ziele nicht erreichen oder schwere Hypoglykämien erlebt haben“, schreiben Forscherinnen und Forscher um Beate Karges von der Uniklinik der RWTH Aachen zur klinischen Implikation einer Analyse von Daten (n = 13.922) aus der internationalen Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV) [1]. Demgegenüber stehe allerdings ein unter HCL-Systemen zugleich beobachtetes höheres Risiko für diabetische Ketoazidosen. Und das führt zu einem gewissen Zielkonflikt: Denn dieses Ketoazidoserisiko sei gerade bei Menschen mit HbA1c-Werten oberhalb des Zielbereichs am höchsten gewesen, jene würden aber gleichzeitig am meisten von der besseren Blutzuckerkontrolle des HCL-Ansatzes profitieren. Vor dem Hintergrund, dass diabetische Ketoazidosen zwar potenziell lebensbedrohliche, aber insgesamt seltene Ereignisse seien, wohingegen Hyperglykämien häufig vorkämen und mit einem Risiko für Langzeitkomplikationen einhergingen, hält es das Studienteam für vertretbar, auch Personen mit hohen HbA1c-Werten mittels HCL-Therapie zu behandeln. Das Team bringt dafür zusätzliche edukative Maßnahmen, eine erhöhte Wachsamkeit und ein Ketonkörper-Monitoring ins Spiel, um so dem erhöhten Ketoazidoserisiko zu begegnen, insbesondere bei jenen mit hohen HbA1c-Werten. Themenseite Typ-1-Diabetes Dem stimmt Maria Craig vom Children's Hospital at Westmead in Australien zu und schreibt [2]: „Die Studienerkenntnisse verdeutlichen das Risiko einer diabetischen Ketoazidose bei Personen, die eine Insulinpumpentherapie verwenden, und unterstreichen die Wichtigkeit regelmäßiger Schulungen im Umgang mit technologischen Problemen bei Menschen, die Pumpen oder HCL-Therapien verwenden – und allgemein bei Menschen mit Typ-1-Diabetes.“ Was erklärt das höhere Ketoazidoserisiko unter HCL? Die Forschenden um Karges können zu dieser Frage nur begründete Vermutungen anstellen – und schreiben: „Es ist denkbar, dass das erhöhte Risiko einer Ketoazidose bei der Closed-Loop-Therapie durch eine unzureichende Insulinabgabe verursacht wird, was möglicherweise auf eine Fehlfunktion des Systems oder einen Benutzerfehler zurückzuführen ist.“ Studie und Ergebnisse im Detail Karges et al. hatten Daten von Typ-1-Diabetes-Erkrankten berücksichtigt, die zwischen zwei und zwanzig Jahren alt waren, seit mehr als einem Jahr an Typ-1-Diabetes litten und zwischen 2021 und 2023 entweder mit einem HCL- oder einem Open-Loop-System – also mit CGM und Pumpe, aber nicht mittels automatisierter Insulinabgabe – behandelt worden waren (n = 7.088 bzw. n = 6.834). Primäre Endpunkte der Studie waren die Raten an schwerer Hypoglykämie und an diabetischen Ketoazidosen. Nach einer medianen Beobachtungszeit von 1,6 Jahren zeigte sich: Mit Blick auf schwere Hypoglykämien fand sich insgesamt zwischen beiden Nutzungskohorten kein Unterschied: Es kam zu 5,59 Ereignissen je 100 Patientenjahre (PJ) unter der HCL-Therapie und zu 6,63 Ereignissen je 100 PY unter Open-Loop-Therapie (Inzidenz-Raten-Verhältnis [IRR] 0,84; p = 0,089). Das Risiko speziell für ein hypoglykämisches Koma war dagegen unter HCL kleiner als in der Open-Loop-Gruppe (0,62 Ereignisse/100 PJ versus 0,91 Ereignisse/100 PJ; IRR 0,68; p = 0,034). Die Rate an diabetischen Ketoazidosen fiel in der HCL-Gruppe höher aus als in der Open-Loop-Kohorte (1,74 Ereignisse je 100 PJ versus 0,96 Ereignisse je 100 PJ; IRR 1,81; p < 0,0001), das galt besonders für Personen mit HbA1c-Werten von 8,5% oder höher (5,25 Ereignisse je 100 PJ versus 1,53 Ereignisse je 100 PJ; IRR 3,43; p < 0,0001). Die Ergebnisse für diverse Indikatoren der Blutzuckerkontrolle, darunter HbA1c-Niveau und TIR („time in range“), fielen dagegen zugunsten der HCL-Therapie aus. Die für die Analyse berücksichtigten Personen waren im Median 13 Jahre alt, rund die Hälfte waren Jungen bzw. Männer. Das DPV-Register umfasst Daten aus 250 Diabeteszentren der Länder Deutschland, Österreich, Schweiz und Luxemburg und repräsentiert um die 90% aller jungen Menschen aus diesen Ländern, die an Diabetes (Typ 1 und Typ 2) erkrankt sind. Um etwaige verzerrende Unterschiede zwischen den Nutzungsgruppen rechnerisch auszugleichen, hatten Karges und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter auf ein Verfahren zum Propensity Score Matching zurückgegriffen. Geschlecht, Alter, Erkrankungsdauer, Migrationshintergrund und weitere potenzielle Einflussgrößen wurden dafür berücksichtigt. Themenseite Diabetestherapie Was sagt die Leitlinie? Die S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter“ (Version 4), herausgegeben von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), geht im sechsten Kapitel „Diabetes und Technologie“ auch auf Systeme zur automatischen Insulinabgabe ein (AID), zu denen die HCL-Geräte gehören [3]. Dort heißt es unter anderem im Wortlaut: „Ein AID-System sollte allen Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes und Insulinpumpentherapie angeboten werden, wenn sie oder ihre Eltern/Betreuer in der Lage sind, diese Therapieform sicher anzuwenden.“ (Empfehlungsgrad B) „Die Auswahl des AID-Systems soll individuell, nach den Erfordernissen und den Umständen des jeweiligen Patienten und nach den aktuellen Zulassungen erfolgen.“ (Empfehlungsgrad A) Das unter HCL-Systemen erhöhte Ketoazidoserisiko wird in diesem Kapitel (noch) nicht erwähnt. Dem Thema Ketoazidose ist aber ein umfangreiches, eigenes Unterkapitel im Kapitel 8 („Akutkomplikationen“) gewidmet, in dem es unter anderem heißt: „Die diabetische Ketoazidose ist eine wesentliche Ursache für Morbidität und Mortalität von Kindern mit Typ-1-Diabetes bei Manifestation und im weiteren Krankheitsverlauf.“ „Die diabetische Ketoazidose ist eine potentiell lebensbedrohliche Erkrankung. Sie soll umgehend in einer spezialisierten Einrichtung von einem mit Kindern erfahrenen Diabetesteam behandelt werden. Es soll ein schriftlicher Behandlungsplan zur Behandlung von diabetischen Ketoazidosen bei Kindern und Jugendlichen vorliegen.“ (Empfehlungsgrad A) Die „Vermeidung akuter Stoffwechselentgleisungen, insbesondere schwere Hypoglykämie oder Ketoazidose bzw. diabetisches Koma“ gehört zu den Kerntherapiezielen, die im Kapitel 7 ausführlich beschrieben sind. In der gesamten Leitlinie wird immer wieder die Wichtigkeit von Schulungen für alle Aspekte eines erfolgreichen Diabetesmanagements betont. Explizit heißt es dazu im Kapitel 11 „Diabetesschulung“: „Kinder, Jugendliche mit Diabetes, deren Eltern oder andere primäre Betreuende sollen von Diagnosestellung an kontinuierlich Zugang zu qualifizierten auf die jeweilige persönliche Situation abgestimmte Schulungs- und Beratungsangebote erhalten.“ (Empfehlungsgrad A) Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie steht es um das Risiko für schwere Hypoglykämien und diabetische Ketoazidosen unter HCL(„hybrid closed loop“)-Insulin-Therapiesystemen? Antwort: Im Vergleich mit Open-Loop-Systemen waren im Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation(DPV)-Register HCL-Systeme mit einer besseren Blutzuckerkontrolle und einem geringeren Risiko für ein hypoglykämisches Koma assoziiert. Gleichzeitig war das Risiko für diabetische Ketoazidosen unter HCL-Therapie erhöht, insbesondere bei Personen mit HbA1C-Werten oberhalb des Zielbereichs. Bedeutung: Zusätzliche edukative Maßnahmen, eine erhöhte Wachsamkeit und ein Ketonkörper-Monitoring könnten ggf. helfen, das erhöhte Ketoazidoserisiko unter HCL-Therapie zu reduzieren. Einschränkung: Beobachtungsdaten; das Team hat zwar rechnerisch etwaige verzerrende Gruppenunterschiede kontrolliert, dennoch besteht ein gewisses Bias-Risiko.

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