Zusammenfassung
Die Glutarazidurie Typ I (OMIM #231670) ist eine autosomal-rezessiv vererbte Stoffwechselkrankheit, die mit einer geschätzten Prävalenz von ca. 1:110.000 Neugeborenen in Deutschland vorkommt. Mehr als 100 Patienten mit dieser seltenen Krankheit leben schätzungsweise in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Aufgrund der primär neurologischen Manifestation wird die Glutarazidurie Typ I zu den sogenannten zerebralen Organoazidopathien gezählt. Das GCDH-Gen, das auf Genlokus 19p13.2 lokalisiert ist, kodiert für Glutaryl-CoA-Dehydrogenase (GCDH). GCDH ist ein homotetrameres, FAD-abhängiges mitochondriales Matrixprotein, das in der gemeinsamen Endstrecke des Abbauwegs von L-Lysin, L-Hydroxylysin und L-Tryptophan die oxidative Decarboxylierung von Glutaryl-CoA zu Crotonyl-CoA katalysiert (Abb. 23.1). Mehr als 250 krankheitsauslösende Mutationen sind bekannt. Biochemisches Merkmal ist die Akkumulation von Glutarsäure (GA), 3-Hydroxyglutarsäure (3-OHGA) und Glutarylcarnitin (C5DC). Diese Metaboliten können in Körperflüssigkeiten (Urin, Plasma, Liquor) mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie bzw. Tandemmassenspektrometrie detektiert werden (Abb. 23.1). Der Nachweis einer erhöhten C5DC-Konzentration im Trockenblut begründet den Verdacht auf eine Glutarazidurie Typ I im Neugeborenenscreening, zu dessen Zielkrankheiten sie in Deutschland seit 2005 gehört. 2 biochemisch definierte Untergruppen – sogenannte Niedrigausscheider (»low excreters«) und Hochausscheider (»high excreters«) – wurden anhand einer unterschiedlich starken GA-Ausscheidung im Urin arbiträr differenziert. Der klinische Verlauf und die Therapieempfehlungen für beide Untergruppen sind jedoch gleich.