Wie gut ist Gehen für arthrotische Kniegelenke?

Sportliches Gehen ist gesund – auch für Menschen mit Gonarthrose: In einer Kohortenstudie finden sich sogar Hinweise auf eine Verlangsamung der strukturellen Progression. Die Wirkung kö nnte allerdings von der Stellung der Beinachsen abhängen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Low-impact-Sportarten sind bei Kniearthrose ein wichtiger Bestandteil der konservativen Therapie; in Leitlinien werden dafür u. a. auch Wandern bzw. „Walking“ empfohlen. Für den Nutzen von Gehen als Trainingsmaßnahme sprachen bislang vor allem Studien mit eher kurzer Dauer. In einer Kohortenstudie wurde der Nutzen nun über vier Jahre hinweg dokumentiert. Die Ergebnisse bewertet die Studiengruppe als „Hoffnungsschimmer, dass es eine kostengünstige Intervention geben könnte, mit der sich Symptome und Struktur der Arthrose beeinflussen lassen“. Die retrospektive Analyse beruht auf den Daten von 1212 Teilnehmenden der Osteoarthritis Initiative (55% Frauen) im Alter über 50 und mit radiologisch nachweisbarer Gonarthrose (Kellgren-Lawrence-Grad 2, 3 und 4 bei 64%, 29% und 7%). Bei Studieneinschluss berichtete gut ein Drittel, häufig an Arthrosesymptomen zu leiden, bei zwei Dritteln war eine Gelenkspaltverschmälerung nachweisbar. 73% gaben an, zumindest gelegentlich in der Natur oder auf dem Laufband zu gehen, um sich sportlich zu betätigen. Odds Ratio für neue Schmerzen um 40% reduziert In der Gehgruppe war, nach Abgleich anderer Risikofaktoren, das Verhältnis derer, die 48 Monate später über neu aufgetretene häufige Knieschmerzen berichteten, zu denjenigen mit unveränderter Schmerzfrequenz um 40% kleiner als in der Gruppe der „Nichtgeher“, dieser Unterschied war statistisch bedeutsam (adjustierte Odds Ratio, OR 0,6; 95%-KI 0,4─0,8). Mit Hinblick auf die Progression der medialen Gelenkspaltverschmälerung waren die Geher und Geherinnen ebenfalls etwas im Vorteil, in diesem Punkt wurde die statistische Signifikanz jedoch gerade verfehlt (adjustierte OR 0,8; 95%-KI 0,6─1,0). Auf die beiden anderen Endpunkte, die Verschlechterung des Kellgren-Lawrence-Grades bzw. Verbesserung von häufigen Knieschmerzen, hatte das Gehen keinen statistisch relevanten Einfluss. Dass Frauen und Männer, die Gehen als Training betrieben, seltener neue Schmerzen entwickelten, war altersunabhängig festzustellen. Für das Studienteam um Grace Lo vom Baylor College of Medicine in Houston ist das ein Hinweis, dass der Zusammenhang nicht durch reverse Kausalität – wer mehr Schmerzen hat, wird das Gehen eher einschränken – zu erklären ist. Effekt variiert mit Stellung der Beinachse Wie sich Gehen auf eine Gonarthrose auswirkt, könnte davon abhängen, ob Abweichungen der Beinachse bestehen: In der Kohortenstudie hatten Teilnehmende mit Varusstellung den größten Nutzen, bei ihnen kam es, verglichen mit Nichtgehern, nicht nur seltener zu neuen Schmerzen, sondern auch seltener zu einer Verschlechterung des Kellgren-Lawrence-Grades oder einer weiteren Verringerung des medialen Gelenkspalts. Bei Valgusstellung dagegen war Gehen sogar mit einer Zunahme des Arthroseschweregrads verknüpft. In der Gruppe ohne Achsabweichung entwickelten diejenigen mit Gehtraining nicht nur seltener neue Knieschmerzen, sie erfuhren sogar auch häufiger eine Verbesserung der bestehenden Beschwerden. "Patienten zum Gehen ermuntern!" Laut Lo et al. sollten Patienten und Patientinnen mit Kniearthrose zum Gehen ermuntert werden. „Unsere Studie stützt die Evidenz, dass Gehen vorteilhaft ist, sowohl in struktureller als auch in symptomatischer Hinsicht.“ Gehen tauge nach ihren Daten aber nicht, um Schmerzen zu reduzieren, es sollte eher empfohlen werden, um dem Auftreten neuer Beschwerden vorzubeugen. Die Ergebnisse seien zudem „der erste Beleg, dass Gehen eine wirksame Maßnahme sein könnte, um die strukturelle Progression der Arthrose zu verlangsamen“. Dieses Resultat müsse aber durch eine randomisierte kontrollierte Studie geprüft werden. Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, ist eine reverse Kausalität nicht auszuschließen. Zudem unterliegen die sehr allgemeinen Selbstauskünfte zum Gehen einem Recall-Bias; da keine Schrittzahlen erfasst wurden, sind Aussagen zu etwaigen Unter- oder Obergrenzen nicht möglich. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie wirkt sich Gehen als sportliche Betätigung auf die symptomatische und strukturelle Progression der Gonarthrose aus? Antwort: Innerhalb von 48 Monaten kam es bei über 50-Jährigen seltener zu neuen Schmerzen und einer weiteren Verschmälerung des medialen Gelenkspalts. Bedeutung: Gehen sollte zur Prävention einer Symptomverschlechterung empfohlen werden; möglicherweise kann es auch die strukturelle Progression verlangsamen. Einschränkung: Kohortenstudie, reverse Kausalität und Recall-Bias möglich.

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