Erschienen in:
11.06.2019 | Pflege | Leitthema
Grenzbereiche zwischen kurativer und palliativer Medizin
Rechte des Patienten und Pflichten des Behandlers
verfasst von:
Prof. Dr. med. Birgitt van Oorschot
Erschienen in:
Die Onkologie
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Sonderheft 1/2019
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Zusammenfassung
Hintergrund
Sowohl im Bereich der kurativen als auch der palliativen Medizin gab es in den letzten Jahrzehnten weitreichende Entwicklungen. Die Grenzen zwischen den Bereichen und die Übergänge sind durchlässiger geworden.
Material und Methoden
Die Arbeit beruht auf einer Literaturrecherche, der Analyse von S3-Leitlinien und Empfehlungen sowie eigenen Erfahrungen der Autorin.
Ergebnisse
Unter „kurativer Medizin“ wird weiterhin die auf Heilung, auf restitutio ad integrum ausgerichtete Behandlung verstanden. Da die Wahrscheinlichkeit nachrangig ist, mit der das gewünschte Ergebnis erreicht werden kann, können kurative Therapieansätze sehr schnell in eine Palliativsituation einmünden. Das Verständnis von palliativer Medizin ist wesentlich differenzierter. Unter palliativer Medizin werden sowohl palliative Tumortherapie als auch palliativmedizinische Versorgung verstanden. Deshalb gibt es im Unterschied zur Kurativsituation in der Palliativsituation sowohl aus Arzt als auch aus Patientenperspektive nicht nur eine Vielzahl von Behandlungsansätzen, sondern ebenso auch eine Vielzahl von möglichen Behandlungs- und Versorgungszielen. In der neuen S3-Leitlinie Palliativmedizin für nicht heilbare Krebspatienten werden die Begriffe Palliativmedizin und Palliativversorgung synonym genutzt, um den multiprofessionellen Ansatz von „palliative care“ zu unterstreichen. Palliativversorgung wird inzwischen als ein integraler Baustein onkologischer Therapie verstanden und nicht nur von palliativmedizinischen Spezialisten umgesetzt. Die S3-Leitlinie schlägt vor, dass Patienten mit niedrigem und mittlerem Palliativbedarf von den primär behandelnden Teams versorgt werden. Bei Patienten mit komplexem Palliativbedarf und hohem Krisenrisiko sollen die spezialisierte Palliativversorgung einbezogen werden. Für onkologische Patienten ist es nicht einfacher geworden, die Palliativsituation als solche zu realisieren. Aktuelle Patienten- und Ärztebefragungen zeigen, dass ein großer Anteil der Patienten das Ziel der eigenen Tumortherapie falsch einschätzt und dass behandelnde Onkologen sehr häufig von einem anderen patientenseitigen Therapieziel ausgehen als die Betroffenen selbst, zumeist zum Nachteil der Patienten.
Schlussfolgerungen
Angesichts dieses Konsensusbias und der begrifflichen und inhaltlichen Vielfalt der palliativen Medizin ist die dichotome Abgrenzung von kurativ oder palliativ zu vereinfachend. Insbesondere bei nicht heilbaren Patienten ist eine differenziertere Festlegung von (realistischen) Behandlungszielen unter aktiver Patientenbeteiligung erforderlich. Das Erreichte sollte regelmäßig überprüft werden, damit die patientenbezogenen Therapieziele und die Behandlung entsprechend angepasst werden können.