Damit eine mögliche Handlung vorab als Akt des Helfens interpretiert werden kann, muss sie mit einer den Umständen entsprechend angemessen großen Wahrscheinlichkeit einen helfenden Effekt für Hilfsbedürftige mit sich bringen. Dies ist bei
SeConts der Fall: Die Bereitstellung klinischer Daten ist mit einer angemessen hohen Wahrscheinlichkeit ein relevanter Beitrag zu
SeConts und damit zur Hilfe für zukünftige Patient*innen (zum Nutzenpotenzial von
SeConts, vgl. Kapitel
Risiken und Nutzen von SeConts). Gegen diese Annahme sind drei mögliche Einwände denkbar: (1) Man könnte anmerken, dass die klinischen Daten von Patient*innen erst dann einen Nutzen bringen, wenn eine gewisse, für die Durchführung von
SeConts notwendige „kritische Masse“ anderer Patient*innen ebenfalls ihre klinischen Daten für
SeConts bereitstellt. Somit wäre zu bezweifeln, dass die Bereitstellung der eigenen Daten bereits eine Hilfeleistung darstellt. Dem ist zu entgegnen, dass durch (nationale oder gar internationale) Vernetzung rasch signifikante Kohortengrößen entstehen können und, je nach Art von
SeConts, auch wenige Datensätze schon einen Nutzen erzeugen, z. B. bei der Generierung von Hypothesen für zukünftige Forschung. (2) Zusätzlich könnten Kritiker einwenden, es sei ungewiss, dass
SeConts zu einer Verbesserung der Versorgung führt, womit auch die Bereitstellung klinischer Daten für
SeConts kaum mehr als Hilfeleistung zu werten wäre. Hierauf sind zwei Punkte zu erwidern: (a) In alltäglichen Lebensbereichen gibt es zahlreiche Handlungen, die als Hilfeleistungen gelten, obwohl es nur wahrscheinlich, aber nicht gewiss ist, dass sie tatsächlich helfen (z. B. bei einer kleinen Spende von Geld oder Kleidern für Menschen nach Naturkatastrophen). (b) Bereits im Kapitel
Risiken und Nutzen von SeConts wurde das hohe grundsätzliche Nutzenpotenzial von
SeConts dargelegt. Selbstverständlich lässt sich vorab nicht bestimmen, wie groß die Bedeutung der klinischen Daten einzelner Patient*innen für zukünftige nützliche Ergebnisse aus
SeConts sein wird. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Daten früher oder später bzw. in der Summe ihrer Verwendungen einen, wenn auch eher kleinen, Beitrag zur Erzeugung von behandlungsrelevantem Wissen leisten werden. Dieser Nutzen kann jedoch nicht als Rettung gelten, da er nicht vergleichbar ist mit einer wirklichen (Not‑)Rettung, wie z. B. dem Werfen eines Rettungsrings an einen Ertrinkenden. Das Argument der „Rettung“, wie von Porsdam Mann et al. (
2016) mit dem Begriff der Rettungspflicht (duty to easy rescue) vertreten, ist daher für
SeConts unangebracht. (3) Man könnte einwenden, dass eine Hilfspflicht nicht gegenüber Personen vorliegen kann, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht hilfsbedürftig und auch nicht konkret bekannt sind. Dieser Einwand macht deutlich, dass die allgemeine Hilfspflicht im Falle der Bereitstellung klinischer Daten für
SeConts nicht die gleiche Dringlichkeit hat, wie in Situationen mit einem konkreten, hilfsbedürftigen Gegenüber. In komplexen sozialen Zusammenhängen wie unserer modernen Gesellschaft allgemein sowie dem Gesundheitswesen im Speziellen erstreckt sich die allgemeine Hilfspflicht jedoch über das hilfsbedürftige Gegenüber hinaus auch auf weitere Bereiche wie das Antizipieren zukünftiger Bedürftigkeit. Auch wenn wir nicht wissen, wer in Zukunft krank sein wird, so wissen wir, dass es in der Zukunft Kranke geben wird, die Hilfe benötigen.