Immuntherapie: Anhaltende Euphorie unter Wissenschaftlern

Immuntherapien werden in der klinischen Forschung derzeit hoch gehandelt. Ausgereift sind manche der hoffnungsvollen Ansätze jedoch längst noch nicht. Erste Erfolge etwa bei Leukämie-Patienten mit der zellulären Immuntherapie sollen durch Strategieverbesserungen konsolidiert werden. Zur Immuntherapie gegen Krebs werden nicht nur monoklonale Antikörper wie Ipilimumab, ein Check-Point-Inhibitor, beim Melanom genutzt, sondern die Wissenschaftler fokussieren ihre Forschung immer mehr auch auf die zelluläre Immunabwehr, die sie durch gentechnische Veränderungen im Kampf gegen Malignome stärken wollen. Nach Ansicht von Prof. Dr. Philipp Beckhove vom Universitätsklinikum Heidelberg hat die Entwicklung des inzwischen zugelassenen Sipuleucel-T zur Behandlung von Männern mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom wegen der signifikanten Verbesserung beim Parameter „Gesamtüberleben“ zur Euphorie in der Immuntherapieforschung beigetragen. Das Präparat ist bisher die einzige zugelassene zelluläre Tumorvakzine. CAR-T-Zell-Technik wird kontinuierlich weiterentwickelt Vor einigen Jahren konnten Wissenschaftler zeigen, dass die gezielte Modulation von Rezeptoren der T-Lymphozyten bei Leukämie tatsächlich die körpereigene Abwehr gezielt auf die hämatologischen Krebszellen lenken kann. Es handelt sich bei dieser Strategie um die Entwicklung der sogenannten CAR-T-Zellen. Diese körpereigenen Lymphozyten tragen chimäre Antigenrezeptoren (CAR) auf der Zelloberfläche, also rekombinante, mithilfe von Viren hergestellte Rezeptoren, die je nach Spezifität unterschiedliche Antigene erkennen, in den meisten bisherigen Untersuchungen das CD19-Antigen. Dieses Antigen kommt im Wesentlichen nur auf Leukämie- und Lymphomzellen vom B-Zelltyp vor, nicht aber auf gesunden Zellen. Die patienteneigenen T-Zellen werden nach der gentechnischen Veränderung reinfundiert. Trotz der ersten Erfolge war diese Technik längst nicht optimal, weshalb sie kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert wird. So berichtete Dr. Attilio Bondanza von der San-Raffaele-Universitätsklinik in Mailand während der DGHO-Jahrestagung in Hamburg über seine Strategie, in der CAR-T-Zellen verwendet werden, die spezifisch für das Adhäsionsmolekül CD44v6 sind. Der Vorteil: Das Molekül sitzt nicht nur auf B-Zell-Malignomen, sondern findet sich unter anderem auch auf den Epithelzellen mehrerer solider Tumoren, etwa von Brust-, Darm- und Pankreaskarzinomen. Der Vorteil bei der Verwendung des Antigens CD44v6 sei, dass die entsprechenden CAR-T-Zellen auch mit einem Suizidgen ausgestattet werden könnten, wodurch sie sich bei unvorhergesehenen Toxizitäten ausschalten lassen. Eine erste Phase-I/II-Studie mit solchen CAR-T-Zellen werde in Kürze zur Immuntherapie von Patienten mit akuter myeloischer Leukämie oder multiplem Myelom beginnen. Dass die CAR-Technik erfolgreich ist, bestätigt eine aktuelle Studie der Arbeitsgruppe um den Pädiater Professor Dr. Stephan A. Grupp von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia mit 30 Kindern und Erwachsenen, die an einer rezidivierten akuten lymphatischen Leukämie erkrankt waren (Maude SL et al., NEJM 2014; 371:1507-1517). Die Gesamtüberlebensrate lag ein halbes Jahr nach der Immuntherapie durch Reinfusion patienteneigener CD19-spezifischer CAR-T-Lymphozyten noch bei 78%. Mit Boten-RNA-Vakzine gegen Bronchialkarzinome Einen anderen Weg der Immuntherapie erforscht die Arbeitsgruppe um den Onkologen Dr. Martin Sebastian vom Universitätsklinikum in Frankfurt am Main, und zwar bei Patienten mit nicht kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC). Es handelt sich dabei um eine mRNA-Vakzinierung mit dem Impfstoff CV9202, der sechs verschiedene Tumorantigene abdeckt, unter anderem die Antigene MAGEC1 und MAGEC2, MUC1 und das bisher am stärksten immunogen wirkende Antigen NY-ESO-1. In einer Studie mit NSCLC-Patienten im Stadium IV aus Deutschland, Österreich und der Schweiz wird die Sicherheit des Impfstoffs bei Patienten, deren Erkrankung etwa nach einer Chemotherapie zumindest nicht fortgeschritten ist, in Kombination mit einer lokalen Bestrahlung geprüft. Andere Optionen der Kombination könnten auch Check-Point-Inhibitoren, Tyrosinkinasehemmer oder auch eine Chemotherapie sein, so Sebastian. Er erwartet, dass die Aufnahme von Patienten bis Ende des Jahres beendet sein wird. Dass nicht alle Wünsche und Hoffnungen der Onkologen bei der Entwicklung von Immuntherapien in Erfüllung gehen, zeigen die jüngsten Ergebnisse der Studie MAGRIT. In dieser prospektiven und bisher größten Studie zu einer Immuntherapie bei Lungenkrebs mit mehr als 2200 Patienten wurde das Antigen MAGE-A3 als adjuvante Immunotherapie beim NSCLCnach Resektion und gegebenenfalls einer Chemotherapie gegen eine Scheinimpfung geprüft. Sebastian: „Die Ergebnisse der Phase-III-Studie sind sehr enttäuschend.“ Sowohl beim Parameter „progressionsfreies Überleben“ als auch beim Gesamtüberleben gab es zwischen den beiden Gruppen keinen statistisch signifikanten Unterschied. Mehr zum Thema: Krebsimpfung beim Lungenkrebs weiterhin Zukunftsmusik

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Immuntherapie: Anhaltende Euphorie unter Wissenschaftlern

Weiterführende Themen

Neu im Fachgebiet Onkologie

ICI-Therapie in der Schwangerschaft wird gut toleriert

Krebspatienten impfen: Was? Wen? Und wann nicht?

Müde im Alter? Auch an die Nebenniere denken

Stufenschema weist Prostatakarzinom zuverlässig nach

Update Onkologie