Blasenkrebs: Schützt die BCG-Therapie vor Demenz?

Die intravesikale Therapie mit BCG-Vakzinen scheint nicht nur das Leben von Personen mit nicht muskelinvasivem Blasenkrebs zu verlängern. Laut Ergebnissen einer Studie ist die BCG-Gabe auch mit einem geringeren Demenzrisiko assoziiert. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Hinweise darauf, die BCG-Therapie von Patienten mit Blasenkrebs könnte mit einer niedrigeren Inzidenz von Morbus Alzheimer und verwandten Demenzerkrankungen (Alzheimer disease and related dementias, ADRD) einhergehen, liegen bereits aus früheren Studien vor. Eine Arbeitsgruppe um Marc Weinberg vom Massachusetts General Hospital in Boston hat die Frage nun im Zuge einer großen Kohortenstudie mit Daten aus einem Patientenregister zu beantworten versucht. Knapp 6500 Patientinnen und Patienten im Alter über 50 aus den Jahren 1987 bis 2021 mit nicht muskelinvasivem Blasenkrebs waren an der Studie beteiligt. Rund 3400 unterzogen sich einer BCG-Therapie, 3100 dienten als Kontrollen. Das Follow-up erstreckte sich über 15 Jahre. In dieser Zeit entwickelten 202 Patienten der BCG- und 262 der Kontrollgruppe eine Demenz. Die Inzidenz von ADRD lag nach BCG bei 8,8 und unter den Kontrollen bei 12,1 je 1000 Personenjahre. Der Unterschied machte sich bei Personen bemerkbar, die zum Zeitpunkt der BCG-Therapie 70 Jahre oder älter gewesen waren. Die ADRD-Inzidenzen lagen hier bei 14,5 vs. 20,9 je 1ooo Personenjahre. Für diese Altersgruppe sank das Risiko für ADRD nach BCG-Behandlung um 26%. Bei den Jüngeren ergab sich hingegen kein signifikanter Unterschied zwischen BCG-Behandelten und Nichtbehandelten. In der Gruppe mit BCG-Vakzine starben im Lauf des Follow-up 751, in der Kontrollgruppe 973 Patienten. Insgesamt war die Mortalität nach BCG um 25% reduziert, obwohl die Tumoren in dieser Gruppe tendenziell ein höheres Progressionsrisiko aufwiesen. Weil der Tod ein zu ADRD konkurrierendes Risiko darstellt – wer ohne Demenz stirbt, kann auch keine mehr bekommen –, nahmen Weinberg und Kollegen eine angepasste Analyse der Daten vor; wenn BCG das Leben verlängert, bleibt schließlich mehr Zeit, eine Demenz zu entwickeln. Dies einkalkuliert, ergab sich für Patienten nach BCG-Therapie eine insgesamt um 20% niedrigere Inzidenz von ADRD. Auch hierfür gaben die 70-Jährigen und Älteren den Ausschlag. Bei den jüngeren Patienten nach BCG war keine signifikante Reduktion der ADRD-Inzidenz festzustellen. Signifikant waren die Effekte auf die ADRD-Inzidenz in den ersten fünf Jahren, danach waren die Unterschiede statistisch nicht mehr bedeutsam – möglicherweise auch deshalb, weil mit der Zeit mehr Patienten aus der Nachbeobachtung fielen. Ergebnisse aus Tierversuchen Die Ergebnisse könnten allerdings systematisch verzerrt sein, wenn manche Patienten mit ersten Anzeichen einer Demenz, etwa im Sinne von assoziierter Gebrechlichkeit, keine Therapie mit BCG erhalten oder sie schlecht vertragen hätten. Schon ein Störfaktor, der die Assoziation von BCG-Therapie und ADRD um 11% zugunsten der Therapie gegenüber den Kontrollen verschöbe, würde die beobachtete Assoziation zunichtemachen. Hingegen bedürfte es eines Faktors mit einem um 44% erhöhten relativen Risiko, um die Signifikanz der Mortalitätseffekte aufzuheben. Ergebnisse aus Tierexperimenten lassen einen Schutz von BCG vor Demenz indessen nachvollziehbar erscheinen. So zeigte sich bei Mäusen nach BCG-Administration eine Einwanderung von CD-45- und Interleukin-10-sezernierenden Monozyten in den Plexus choroideus und perivaskuläre Räume. Das veränderte die Zytokinspiegel in eine antientzündliche Richtung, führte zu einer Zunahme des neurotrophen Wachstumsfaktors BDNF, erhöhte die neuronale dendritische Komplexität und die Spiegel von postsynaptischen Dichteproteinen. Die Tiere hatten weniger kognitive Defizite. „In dieser Kohortenstudie mit Patienten, bei denen ein nicht muskelinvasives Blasenkarzinom diagnostiziert worden war, sind wir auf eine Assoziation zwischen BCG-Therapie und verringertem Risiko für ADRD und Mortalität gestoßen, obzwar sich die Risikodifferenzen mit der Zeit veränderten“, resümieren Weinberg et al. Gut konzipierte Interventionsstudien wären hilfreich, die pleiotropen Effekte der BCG-Vakzine im Kontext von ADRD weiter zu erforschen. Empfehlung der Redaktion Tumoren des Urogenitalsystems – Themenseite Von Prostatakarzinom über Blasenkrebs bis zu Nierentumoren: Diese Themenseite deckt das gesamte Spektrum der urologischen Onkologie ab. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie wirkt sich eine BCG-Behandlung von Personen mit nicht muskelinvasivem Blasenkrebs auf deren Demenzrisiko aus? Antwort: Die BCG-Therapie von Personen mit nicht muskelinvasivem Blasenkrebs wirkt offenbar nicht nur lebensverlängernd, sondern senkt auch das Risiko für Morbus Alzheimer und verwandte Demenzen. Bedeutung: Die pleiotropen Effekte der BCG-Vakzine im Kontext von ADRD sollten in Interventionsstudien weiter untersucht werden. Einschränkung: Die Ergebnisse könnten verzerrt sein, etwa dadurch, dass Patientinnen und Patienten mit Blasenkrebs und ersten Demenzanzeichen keiner BCG-Therapie mehr unterzogen wurden.

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