Hintergrund
Molekulare Veränderungen
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Nichtinvasive papilläre low-grade Karzinome entstehen durch eine Hyperplasie und sind auf molekularer Ebene durch den Verlust der Heterozygotie (LOH) von Chromosom 9 und aktivierende-Mutationen von FGFR3, PIK3CA (Phosphoinositid-3-Kinase, die für p110α kodiert) und Stroma-Antigen 2 (STAG2) gekennzeichnet. Diese nichtinvasiven Tumore rezidivieren häufig, sind aber genetisch stabil.
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Muskelinvasive Karzinome (MIBC) gehen aus Dysplasien und Carcinoma in situ (CIS) hervor, die häufig neben Chromosom-9-Deletionen auch TP53-Mutationen und RB1-Verluste, aber keine FGFR3-Mutationen aufweisen. MIBCs sind genetisch instabil und akkumulieren viele genomische Alterationen.
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Bei der Entstehung von nicht-invasiven papillären high-grade Karzinomen wird sowohl eine Entwicklung aus nicht-invasiven low-grade Karzinomen wie auch aus einer Hyperplasie und Dysplasie diskutiert.
Molekulare Subtypen
Nichtmuskelinvasives Harnblasenkarzinom (NMIBC)
Muskelinvasives Harnblasenkarzinom (MIBC)
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Onkogene Mechanismen und-Mutationen: LumP-Tumoren zeigen häufig eine transkriptionelle FGFR3-Aktivität und FGFR3-Genveränderungen (Mutationen, Fusionen oder Amplifikationen). Tumoren der LumU-Gruppe weisen die höchste-Mutationslast und vermehrt ERBB2-Amplifikationen auf. Karzinome aus der Ba/Sq-Gruppe zeigen häufig Veränderungen in den Genen TP53 sowie RB1 mit Überexpression von EGFR.
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Stroma- und Immunzellinfiltrat: In stromareichen Tumoren herrschen Gensignaturen der glatten Muskulatur, Fibroblasten und Myofibroblasten vor. In Ba/Sq-Tumoren findet sich die größte Anzahl tumorinfiltrierender CD8-positiver T‑Lymphozyten.
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Histologie: Die verschiedenen molekularen Subgruppen sind auch durch das Auftreten bestimmter morphologischer Varianten gekennzeichnet. So weisen 59 % der Karzinome der LumP-Gruppe eine papilläre Morphologie auf, 36 % der Karzinome der LumNS-Gruppe eine mikropapilläre Morphologie, 42 % der MIBCs der Ba/Sq-Gruppe eine squamöse Differenzierung und 72 % der Karzinome der NE-like-Gruppe eine neuroendokrine Differenzierung.
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Medianes Gesamtüberleben: Karzinome der LumP-Gruppe zeigen das längste, die der NE-like-Gruppe das kürzeste, und die der übrigen Gruppen ein intermediäres Überleben [22].
Prädiktive und prognostische gewebebasierte Biomarker
Nichtmuskelinvasives Harnblasenkarzinom (NMIBC)
Prognostische gewebebasierte Biomarker – Rezidiv
Prognostische gewebebasierte Biomarker – Progression
Prädiktive gewebebasierte Biomarker – Ansprechen auf BCG-Therapie
Muskelinvasives Harnblasenkarzinom (MIBC)
Prognostische gewebebasierte Biomarker
Prädiktive gewebebasierte Biomarker
Biomarker | Häufigkeit | Klinische Bedeutung |
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PD-L1-Expression | – | Erstlinie: Pembrolizumab und Atezolizumab sind als Monotherapie für die Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinoms bei Erwachsenen, die nicht für eine cisplatinhaltige Chemotherapie in Frage kommen und deren Tumoren PD-L1 mit einem „combined positive score“ (CPS) ≥ 10 (Pembrolizumab) oder IC-Score ≥ 5 % (Atezolizumab) exprimieren zugelassen. |
MSI-H/dMMR | (20 % der MIBC im oberen Harntrakt) | FDA-Zulassung Immuntherapie (Pembrolizumab) [50] |
TMB | – | FDA-Zulassung Immuntherapie (Pembrolizumab) [57] |
FGFR3-Mutation FGFR2/3 Fusion | 15 % der MIBC [21] | FDA-Zulassung Erdafitinib [60] |
DDR-Gene (BRCA1/2, RAD51, PAR, PARP1, ERCC1, ERCC2, RRM1)-Mutation | 25 % der MIBC [21] | Verbesserte klinische Ergebnisse bei fortgeschrittenen Urothelkarzinomen unter palliativer adjuvanter Chemotherapie [61] |
Substanz | PD-L1-IHC-Score | Antikörper | Plattform | |
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Erstlinie (Cisplatin-ungeeignet) | Atezolizumab | Obligatorisch IC2/3 (≥ 5 %) | SP142 | Ventana Roche |
Pembrolizumab | Obligatorisch CPS ≥ 10 | 22C3 | Dako Agilent | |
Zweitlinie | Atezolizumab | Nichtobligatorisch | SP142 | Ventana Roche |
Pembrolizumab | Nichtobligatorisch | 22C3 | Dako Agilent | |
Nivolumab | Nichtobligatorisch | 28–8 | Dako Agilent |
Fazit für die Praxis
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Prädiktive molekulare Biomarker werden für personalisierte Therapien beim fortgeschrittenen Urothelkarzinom benötigt.
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Für bestimmte molekulare Subtypen des Harnblasenkarzinoms konnte eine prädiktive und prognostische Bedeutung gezeigt werden.
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Als Biomarker zur Vorhersage eines Immuntherapieansprechens eignen sich neben der PD-L1(„programmed death ligand 1“)-Expression auch der MSI(Mikrosatelliteninstabilität)-Status und die Tumormutationslast (TMB). Allerdings findet sich aktuell lediglich die PD-L1-Expressionstestung in der Routinediagnostik wieder.
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Für eine zielgerichtete Therapie mit dem FGFR(„fibroblast growth factor receptor“)-Inhibitor Erdafitinib ist der Nachweis spezifischer FGFR2/3-Genveränderungen prädiktiv. Erdafitinib ist in Deutschland noch nicht zugelassen.
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Veränderungen in den DNA-Reparatur-Genen sind mögliche Prädiktoren für ein Ansprechen auf eine Chemotherapie.