Epidemiologie und Therapie der Hepatitis D

Die Entwicklung neuer Therapien zur Hepatitis D verläuft langsam. Vor allem ein Biomarker als Indikator des Therapieerfolgs- bzw. -misserfolgs wäre sinnvoll. Die Häufigkeit bzw. Prävalenz der chronischen Hepatitis D ist immer noch nicht gut untersucht. Weltweit wird mit ca. 15 Millionen HBV-HDV-Koinfizierten gerechnet, was ca. 6 % aller HBsAg-Träger ausmacht (1). In der Kongresszusammenfassung der Hepatitis Akademie von der AASLD-Tagung 2014 wurden einige epidemiologische Daten zusammengestellt, und auch dieses Jahr ist die Datenlage nach wie vor lückenhaft. Eine Arbeit von der diesjährigen EASL-Tagung behandelt die Rate an HBV-HDV-Koinfektionen in der Mongolei. In einer retrospektiven Erhebung zwischen 2010 und 2014 lag die Rate in dem mittelasiatischen Land bei 34,1 % aller akut erkrankten, HBsAg-positiven Patienten. Bei mehr als 90 % lagen HDV-Superinfektionen vor, und fast 90 % der Patienten waren erst zwischen 15 und 35 Jahren alt (2). Neues zu Virologie und Testsystemen Die chronische Hepatitis D (HBV-HDV-Koinfektion) ist die schwer wiegendste Virushepatitis, denn die Progression zur Leberzirrhose verläuft schneller als bei der HBV-Monoinfektion, und das Hepatitis-D-Virus ist hochinfektiös. Das HDV-Genom kann zwar unabhängig von HBV replizieren, für Morphogenese, Freisetzung und Infektiosität benötigt HDV aber das HBsAg-Protein. Daher ist die Hepatitis D immer eine Koinfektion mit HBV bzw. tritt nur bei HBsAg-positiven Personen auf (3-4). Die Mutationsrate des Virus ist sehr hoch. Homs et al. (5) haben die Evolutionsrate von HDV bei Patienten im Langzeitverlauf bestimmt und wiesen eine ähnlich hohe Variabilität wie bei andern RNA-Viren nach, wie etwa HCV und HIV. Die HDV-Evolutionsrate nimmt aber über die Zeit ab. Die hohe Variabilität, inklusive der 8 Genotypen, ist ebenfalls eine Herausforderung bei der Standardisierung der HDV-Assays. Wichtig für die Entwicklung neuer antiviraler Substanzen sind In-vitro- und In-vivo-Modelle. Lempp et al. (6) haben ein stabiles Zellkulturmodell für das Screening von Substanzen vorgestellt. Drei Substanzen wurden bereits gefunden, die in vitro eine Wirksamkeit zeigen und jetzt in weiteren In-vivo-Experimenten evaluiert werden. Bestehende Therapieansätze der chronischen Hepatitis D Die Therapie der chronischen Hepatitis D unterscheidet sich grundlegend von der Therapie der chronischen Hepatitis B. Die bei der HBV-Infektion sehr effektiven Nukleos(t)idanaloga (NUC) haben leider keinen direkten Effekt auf die HDV-Replikation (Wedemeyer et al. 2010), und auch im Langzeitverlauf scheint die NUC-Therapie keinen klinischen Vorteil zu besitzen (7). Die wichtigsten Elemente und (mäßig erfolgreichen) klinischen Studien sind in der Berichterstattung der Hepatitis Akademie zur AASLD-Tagung 2015 detailliert aufgeführt. Aufgrund der bislang unzureichenden Erfolgsrate sind Prädiktoren für ein Therapieansprechen wünschenswert. Hier gibt es jetzt weitere Analysen aus den HIDIT-Studien zur Vorhersage des Therapieansprechens mittels HBcrAg, dem Hepatitis B core related Antigen (8), demzufolge der Parameter etwas besser abschneidet als z. B. HBsAg (siehe dazu Berichterstattung der Hepatitis Akademie. Entscheidender ist jedoch die Frage nach dem klinischen Nutzen einer Therapie mit Interferon (IFN) im Langzeitverlauf. Wranke et al. (9) haben diese Fragestellung bearbeitet und berichten, dass die IFN-Therapie mit einem besseren klinischen Verlauf assoziiert ist. Dennoch sollte die Therapieindikation aufgrund der relativ geringen Ansprechrate und der Nebenwirkungen gut überdacht werden. Bei Patienten ohne fortgeschrittene Fibrose kann evtl. auf neue Entwicklungen gewartet werden. Um die Fibrose zu beurteilen, ist i. d. R. eine Leberbiopsie notwendig. Nicht-invasive Scores wären hier hilfreich. Lutterkort et al. (10) haben etablierte nicht-invasive Fibrosescores analysiert (z. B. APRI, ELF, FIB-4) und kamen zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Berechnungsmodelle für die Prädiktion einer Fibrose bei HBV-HDV-Patienten nur mäßig geeignet sind. Die Autoren stellten einen neuen und besser geeigneten Score vor, der Alter, gGT, Albumin und CHE berücksichtigt. Neue Therapieansätze bei der chronischen Hepatitis D Neue Therapieansätze sind dringend erforderlich. Aktuell sind mit dem Prenylierungsinhibitor Lonafarnib, dem presS1-Entryinhibitor Myrcludex und dem Nukleinsäurepolymer REP-2139 drei verschiedene Therapiekonzepte in der frühen klinischen Entwicklung. Viele neue Erkenntnisse gab es dieses Jahr im Vergleich zu den vorherigen Kongressen EASL 2015 und AASLD 2015 nicht. Zu REP-2139 wurde ein Update der moldawischen Studie bei HBV-HDV-Patienten gezeigt (11), die wichtigen Daten aus dem Nachbeobachtungszeitraum bzw. zum Therapieende fehlen aber noch. Zu Myrcludex gab es eine Phase-I-Studie, in der die Pharmakokinetik von Tenofovir in Kombination mit Myrcludex analysiert wurde (12). Zu Lonafarnib wurde eine detaillierte Analyse der Viruskinetik von HBV und HDV während der Therapie vorgestellt. Hierbei war vor allem interessant, dass parallel zum Abfall der HDV-RNA die HBV-DNA während der Lonafarnib-Therapie bei einigen Patienten deutlich anstieg (13). Praxisrelevanz und Fazit Insgesamt sind die Entwicklungen von Therapieansätzen bei der Hepatitis D noch sehr langsam. Für die Praxis scheint vor allem relevant, dass die Therapie mit Interferon alfa mit einem besseren Verlauf assoziiert ist, während die alleinige Therapie mit Nukleos(t)idanaloga keinen wesentlichen Effekt zeigt. Diese Daten geben den behandelnden Ärzten eine gewisse Sicherheit, mit der doch recht nebenwirkungsreichen IFN-Therapie eine richtige Entscheidung zu treffen. Wünschenswert wäre allerdings noch ein Biomarker, der den Therapieerfolg bzw. das -versagen korrekt prognostiziert. Stoppregeln analog der IFN-Therapie bei HCV konnten bislang jedoch nicht etabliert werden. Etwas besser scheint die Vorhersage anhand des HBcrAg-Proteins. Dieser Parameter kann jedoch derzeit nicht in der Routine bestimmt werden. Zu den neuen Entwicklungen Myrcludex, Lonafarnib und REP-2139 gab es keine bahnbrechenden neuen Erkenntnisse. Die Studien laufen aber weiter, und auch in Deutschland werden dieses Jahr die ersten Studien mit neuen Medikamenten zur Therapie der Hepatitis D durchgeführt. Es bleibt zu hoffen, dass sich die ersten positiven Ergebnisse bestätigen, denn dann können die Therapien aufgrund des Orphan-Disease-Status der Hepatitis D möglicherweise schneller in die Praxis kommen, als wir das für andere Indikationen gewohnt sind. Literatur: Wedemeyer H et al. Nat Rev Gastroenterol Hepatol. 2010; 7: 31–40. Boldbaatar D et al. J Hepatol. 2016; 64(Suppl 2): S357 (THU-112). Hughes SA et al. Lancet. 2011; 378: 73–85.. Sureau C et al. J Hepatol. 2016; 64: S102–S116.. Homs M et al. J Hepatol. 2016; 64(Suppl 2): S390 (THU-195). Lempp FA et al. J Hepatol. 2016; 64(Suppl 2): S387 (THU-186). Brancaccio G et al. J Hepatol. 2016; 64(Suppl 2): S587 (FRI-114). Maasoumy B et al. J Hepatol. 2016; 64(Suppl 2): S585 (FRI-107). Wranke A et al. J Hepatol. 2016; 64(Suppl 2): S163 (PS053). Lutterkort GL et al. J Hepatol. 2016; 64(Suppl 2): S360 (THU-120). Bazinet M et al. J Hepatol. 2016; 64(Suppl 2): S584 (FRI-105). Blank A et al. J Hepatol. 2016; 64(Suppl 2): S163 (PS054). Yurdaydin C et al. J Hepatol. 2016; 64(Suppl 2): S587 (FRI-111). Daten, Ergebnisse und Kommentare zu den genannten Quellen (1-13) werden auf der Homepage der Hepatitis Akademie unter EASL 2016: Epidemiologie und Therapie der Hepatitis D ausführlich vorgestellt. Mehr Beiträge vom EASL-Kongress 2016 finden sie in unserem Kongressdossier. Weitere Informationen Mehr zum Thema finden Sie auch unter www.hepatitis-akademie.de. Auf www.hepatitis-akademie.de finden Sie darüber hinaus weitere Beiträge der Hepatitis Akademie zu anderen hepatologischen Themen von der EASL2016 und früheren Kongressen, teilweise auch als eBook verfügbar. Alle Angebote sind kostenfrei.

Springer Medizin

Epidemiologie und Therapie der Hepatitis D

Weiterführende Themen

Leitlinien kompakt für die Innere Medizin

Neu im Fachgebiet Innere Medizin

Fast jeder zehnte Magen bei Endoskopie noch nicht entleert

Verbesserung der HDL-Funktion als Lipidtherapie floppt in Mega-Studie

Blutdrucksenkung per Spritze additiv zur Standardtherapie wirksam

Vitiligo: Prävalenz steigt und viele Erkrankte werden spät behandelt

Update Innere Medizin