Nach Herz-Op.: Antipsychotika seltener verordnet – mit einer Ausnahme

Zwischen 2004 und 2014 wurden in den USA nach herzchirurgischen Eingriffen bei Älteren Haloperidol, Risperidon, Olanzapin und andere Antipsychotika zur Delirtherapie zunehmend seltener verordnet. Einzig bei Quetiapin verzeichneten die Wissenschaftler einen drastischen Anstieg, wie aus einer retrospektiven Studie hervorgeht. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Aus mehreren Studien geht hervor, dass ältere Patienten nach einem herzchirurgischen Eingriff oft Neuroleptika erhalten, obwohl Wirksamkeitsnachweise bei dieser Patientengruppe fehlen und mit schweren Nebenwirkungen zu rechnen ist. Aus den Studien geht nicht einheitlich hervor, dass Antipsychotika tatsächlich Inzidenz, Dauer und Ausprägung eines Delirs vermindern können. Im Gegenteil: In Beobachtungsstudien und klinischen Studien stellte sich bei älteren Patienten mit Demenz heraus, dass die Anwendung von Neuroleptika mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für eine Sedierung, Extrapyramidalsymptome, Arrhythmien, Schlaganfälle und Pneumonien sowie mit einem erhöhten Sterberisiko einhergeht. Diesen Risiken sind auch ältere Patienten ausgesetzt, die sich einer Herz-Op. unterziehen müssen, weil sie eine kardiovaskuläre Erkrankung und andere Komorbiditäten haben, wie Ärzte vom Brigham and Women’s Hospital in Boston berichten. Noch kaum Studien zur Off-label-Verschreibung Und weil es bisher noch kaum Untersuchungen zur Off-label-Verschreibung von Antipsychotika bei Älteren nach einer Herzoperation ohne psychiatrische Erkrankung gibt, haben die Ärzte die Daten einer nationalen Datenbank mit Befunden von fast 300.000 Patienten analysiert. Die Patienten von 465 US-Kliniken hatten sich zwischen 2004 und 2014 einem herzchirurgischen Eingriff unterziehen müssen. Die Ärzte stellten die Hypothese auf, dass die Verschreibung von Antipsychotika in dieser Patientengruppe rückläufig ist. Bei der verwendeten Datenbank handelt es sich um die Premier Healthcare Database, in der auf die Befunde von Patienten in einem Fünftel aller stationären Behandlungen in mehr als 700 Kliniken in den USA zurückgegriffen werden kann. Die berücksichtigten Patienten waren mindestens 65 Jahre alt und hatten eine Bypass- oder Klappen-Op. erhalten. Ausschlusskriterien waren unter anderem schizophrene und wahnhafte sowie affektive Störungen und eine Chemotherapie. In die Analyse bezogen die Ärzte als postoperative Antipsychotikatherapie die Verabreichung von Haloperidol sowie der atypischen Neuroleptika Olanzapin, Quetiapin, Risperidon, Aripiprazol und Ziprasidon mit ein. Unter anderem die Verschreibung von Antiemetika wurde außen vor gelassen. Die Patienten waren während des Klinikaufenthalts vor und am Tag der Op. nicht mit Neuroleptika behandelt worden. Abnahme der Verordnungen um 30% innerhalb einer Dekade Insgesamt betrachtet lag der Anteil der Patienten, die antipsychotisch behandelt wurden, bei 7,3%. Dabei nahm der Anteil signifikant um 30% ab, und zwar von 8,8% im Jahr 2004 auf 6,2% im Jahr 2014. Nach Angaben der Ärzte wurde diese Entwicklung dadurch angeschoben, dass der Anteil der Patienten mit parentaler Gabe von Haloperidol von 7% auf 4,5% und mit oraler Applikation von 1,9% auf 0,5% sank. Auch die Verringerung des Anteils von Patienten mit Risperidonbehandlung von 1,1% auf 0,3% trug dazu bei. Dagegen stieg in der Studienzeit der Anteil der Patienten, die Quetiapin erhielten, drastisch von 0,6% auf 1,9% (p = 0,03). Diese Entwicklungen seien in allen Subgruppen, etwa definiert nach Alter, Geschlecht, Delirdiagnose und Komorbidität, gleichermaßen zu beobachten gewesen, so die Ärzte. Der Großteil der Patienten war mit Haloperidol behandelt worden, nämlich 85,6%. Bei der Wahl eines atypischen Neuroleptikums verschob sich zwischen 2004/2006 und 2013/2014 die Präferenz von Risperidon (10,4%) zu Quetiapin (29,1%). Die meisten Patienten befanden sich auf der Intensivstation, als die antipsychotische Therapie begonnen wurde. Einer von acht behandelten Patienten erhielten die Medikation am Tag der Klinikentlassung. In der Folge dauerte die Therapie durchschnittlich 4,6 Tage. Etwa 16% erhielten sie sieben Tage lang. Diagnose Delir war größter Risikofaktor Aus den Daten geht schließlich hervor, dass die Diagnose Delir der größte Risikofaktor für die Verschreibung eines Antipsychotikums war (Hazard Ratio: 9,73). Während des Studienzeitraums sank der Anteil der Patienten mit hoher Dosierung des Neuroleptikums – pro 100 Personentage – von 60,7% auf 44,9%. Am auffälligsten war die Reduktion bei der Verordnung von Quetiapin (von 9,4% auf 3,3%) und Apripiprazol (von 52,5% auf 13,3%). Im Durchschnitt lag der Anteil mit besonders hoher Dosierung bei 56%. Am höchsten war er mit mehr als 90% bei der Anwendung von Haloperidol. Einschränkend weisen die Ärzte darauf hin, dass die US-Datenbank keine Informationen über die poststationäre medikamentöse Behandlung oder die Indikationen für die antipsychotische Therapie enthält. Zudem sei die jeweils angegebene verordnete Dosis nicht unbedingt diejenige gewesen, die tatsächlich verabreicht worden sei. Auch wegen der Entwicklung bei Quetiapin plädieren die Ärzte unter anderem für mehr Aufklärung zu nicht pharmakologischen Interventionen bei postoperativen Patienten mit Delir. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie ist das Off-label-Verschreibungsverhalten bei Antipsychotika für ältere Patienten nach einer Herz-Op.? Antwort: In der retrospektiven Studie mit fast 300.000 Patienten wurden Haloperidol, Risperidon, Olanzapin und andere Antipsychotika zwischen 2004 und 2014 zunehmend seltener verschrieben. Einzig bei Quetiapin verzeichneten die Wissenschaftler einen drastischen Anstieg der postoperativen Anwendung. Bedeutung: Die Autoren betrachten die Zunahme an Quetiapinverordnungen in dieser Patientengruppe als beunruhigend und regen unter anderem Fortbildung zu nicht pharmakologischen Interventionen bei Delir an. Einschränkung: In der genutzten Datenbank fehlen Angaben über die poststationäre medikamentöse Therapie und die Indikation für Antipsychotika. Außerdem war die jeweils angegebene Dosis nicht unbedingt jene, die tatsächlich verabreicht wurde.

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