Autoimmunität Ursache für 6% aller kardiovaskulären Erkrankungen

Die häufigsten Autoimmunerkrankungen sind alle mit einem erhöhten Risiko für ein breites Spektrum von Herz-Kreislauf-Krankheiten verknüpft. Das macht sich besonders bei jüngeren Patienten und Patientinnen bemerkbar. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Beim Management von Autoimmunkrankheiten sollte die kardiovaskuläre Prävention ein integraler Bestandteil sein: Diese Forderung erhebt eine Studiengruppe aus Belgien und Großbritannien, die anhand großer Datenbanken einen engen Zusammenhang zwischen den häufigsten Autoimmunerkrankungen und einem breiten Spektrum an kardiovaskulären Leiden entdeckt hat. Je nach Erkrankung war das Risiko 1,4- bis 3,6-mal so hoch wie bei Vergleichspersonen ohne Autoimmunerkrankung – „eine Größenordnung, die etwa dem Risiko entspricht, das durch einen Typ-2-Diabetes verursacht wird“, erläutert das Studienteam um Nathalie Conrad von der Universität Löwen. Ausgewertet wurden Langzeitdaten von rund 446.000 Patienten und Patientinnen, bei denen eine von 19 Autoimmunkrankheiten neu diagnostiziert worden war und die zwölf Monate nach der Diagnose noch keine Herz-Kreislauf-Erkrankung hatten. Jedem Kranken wurden bis zu fünf (insgesamt 2,1 Millionen) ähnliche Personen ohne Autoimmunerkrankung gegenübergestellt. In der Gruppe mit Autoimmunleiden betrug das Durchschnittsalter bei Diagnose 46 Jahre, der Frauenanteil lag bei 61%. Untersucht wurde das Auftreten von zwölf kardiovaskulären Komplikationen, vom Aortenaneurysma über Herzinfarkt und PAVK bis zur Venenthrombose/Lungenembolie. Risiko bei manchen Erkrankungen mehr als verdoppelt In der Nachbeobachtungszeit von median sechs Jahren wurde mindestens eines dieser Ereignisse bei 15,3% der Patienten mit Autoimmunkrankheiten festgestellt. Weil die Inzidenz in der Kontrollgruppe nur 11,0% betrug, entsprach das einem um 56% und damit signifikant erhöhten kardiovaskulären Risiko. Das zusätzliche Risiko betraf Männern und Frauen sowie alle Altersgruppen; am stärksten fiel der Risikoanstieg jedoch bei den unter 55-Jährigen aus. Das Risiko, schon vor dem 65. Lebensjahr eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln, war mit einer Autoimmunerkrankung doppelt so hoch wie ohne. Von den 19 untersuchten Autoimmunkrankheiten war jede einzelne mit einer erhöhten kardiovaskulären Ereignisrate assoziiert. Die höchsten Risikosteigerungen wurden bei systemischer Sklerose (um den Faktor 3,6), Morbus Addison (2,8), systemischem Lupus erythematodes (2,8) und Typ-1-Diabetes (2,4) festgestellt. Am geringsten fiel der Risikozuwachs bei Erkrankungen mit lokal begrenzten Effekten wie der Vitiligo aus (1,4). Ein besonders hohes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen bestand außerdem bei Patienten mit mehr als einer Autoimmunerkrankung. „Die Ergebnisse legen nahe, dass nicht eine bestimmte Erkrankung, sondern Autoimmunität an sich der Risikofaktor ist“, schreiben Conrad et al. Anstieg nicht nur von atherosklerotischen Komplikationen Umgekehrt korrelierte Autoimmunität ebenfalls mit jedem einzelnen der erfassten kardiovaskulären Ereignisse. Die engste Verbindung zeigte sich dabei zu (nichtinfektöser) Myokarditis und Perikarditis (Risikoerhöhung um den Faktor 2,3), PAVK (2,1) und infektiöser Endokarditis (1,9). Zur erhöhten Anfälligkeit für Letztere dürften auch immunsuppressive Behandlungen beigetragen haben. Über traditionelle Risikofaktoren ließ sich das erhöhte kardiovaskuläre Risiko der Autoimmunkranken nicht erklären. Eine Adjustierung von Blutdruck, Rauchstatus, BMI, Cholesterinspiegel und Typ-2-Diabetes führte nur zu einer geringfügigen Abschwächung des Zusatzrisikos. „Das deckt sich mit der Entzündungshypothese und mit klinischen Daten, nach denen die Hemmung der chronischen Entzündung das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse reduziert“, so der Kommentar der Studiengruppe. Kardiovaskuläre Auswirkungen unterschätzt Die Autoimmunpatienten unterschieden sich von den Kontrollpersonen auch durch eine höhere Rate an stationären Behandlungen und Todesfällen infolge kardiovaskulärer Erkrankungen. Für die Forschenden ist das ein Indiz dafür, dass der Überschuss von Herz-Kreislauf-Diagnosen nicht nur aus der intensiveren ärztlichen Überwachung resultierte. „Die potenziellen Auswirkungen der Autoimmunität auf die kardiovaskuläre Gesundheit sind wahrscheinlich viel breiter als ursprünglich angenommen“, schreiben Conrad et al. in ihrem Fazit. Sie würden nicht nur über atherosklerotische Erkrankungen hinausgehen, sondern auch auf Bevölkerungsebene einen unerwartet großen Beitrag leisten. Ihren Berechnungen zufolge dürften 6,3% aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der britischen Bevölkerung auf die untersuchten 19 Autoimmunkrankheiten zurückzuführen sein. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie wirken sich Autoimmunerkrankungen auf das kardiovaskuläre Risiko aus? Antwort: Alle 19 untersuchten Autoimmunerkrankungen waren mit einem erhöhten Risiko für ein breites Spektrum von Herz-Kreislauf-Ereignissen assoziiert. Das Risiko machte sich bei Jüngeren besonders bemerkbar und war über klassische Risikofaktoren nicht zu erklären. Bedeutung: Zur Behandlung von Autoimmunpatienten gehört unbedingt die kardiovaskuläre Prävention. Einschränkung: Ursachen und Behandlung des Autoimmunitäts-assoziierten kardiovaskulären Risikos müssen noch weiter erforscht werden.

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