Vericiguat für stabilisierte Patient*innen nach kardialer Dekompensation

cosmin4000 / Getty Images / iStock × Herzinsuffiziente (HF) Patient*innen, die wegen einer kardialen Dekompensation hospitalisiert werden, haben trotz optimaler Standardtherapie ein hohes Risiko für weitere Dekompensationen. Dies kann durch die Add-on-Therapie mit Vericiguat gesenkt werden. Bei einem virtuellen Expertenworkshop diskutierten niedergelassene und in der Klinik tätige Kardiolog*innen, welche HF-Patient*innen für die Therapie mit Vericiguat infrage kommen, wie es vertragen wird und welcher klinische Nutzen zu erwarten ist. Im Zentrum stand die Frage, wann die Therapie mit Vericiguat initiiert werden sollte und wie die Versorgung nach Entlassung aus der Klinik zu gestalten ist. Als Ergebnis der Diskussion wurde eine Checkliste zum Einsatz von Vericiguat erarbeitet. Springer Medizin Verlag GmbH × Die Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF; Heart Failure with reduced Ejection Fraction) ist eine progredient verlaufende Erkrankung. Trotz einer leitliniengerechten Standardtherapie bleibt ein Restrisiko für eine kardiale Dekompensation: Laut einer Real-World-Studie auf Basis von Register- und Versicherungsdaten von >11.000 HFrEF-Patient*innen verschlechtert sich die Symptomatik bei jeder/m Sechsten innerhalb von 18 Monaten nach Erstdiagnose, d. h. die Belastbarkeit nimmt weiter ab, Stauungszeichen treten vermehrt auf, die Therapie muss intensiviert werden oder eine Hospitalisierung wird erforderlich [1]. Hohes Risiko für mehrfache Dekompensationen Die Dekompensation ist entsprechend mit 65,4% die häufigste Ursache für die Klinikeinweisung von herzinsuffizienten Patient*innen [2]. Mit der progredienten Abnahme der kardialen Funktion steigt die Gefahr wiederholter Dekompensationen. Mehr als die Hälfte der hospitalisierten Patient*innen muss bereits innerhalb eines Monats nach Dekompensation erneut stationär aufgenommen werden (Abb. 1) [1]. „Das Risiko für eine erneute Klinikaufnahme nach dem Indexereignis steigt fast linear an, und mit jeder Hospitalisierung geht Lebenszeit verloren“, mahnte Prof. Dr. Birgit Aßmus, Gießen. So ist das Risiko, während oder innerhalb von drei Monaten nach dem Klinikaufenthalt zu sterben, bei sich verschlechternder, chronischer Herzinsuffizienz etwa vier- bis sechsmal so hoch wie bei neu aufgetretener akuter Herzinsuffizienz [3]. Bereits nach der ersten Hospitalisierung wegen einer kardialen Dekompensation beträgt die mediane Überlebenszeit nur noch rund 2,5 Jahre; nach dem vierten Klinikaufenthalt ist sie auf unter ein Jahr gesunken (Abb. 2) [4]. „Bei Betroffenen mit zunehmender Herzinsuffizienz handelt es sich eindeutig um vulnerable Patienten“, betonte Aßmus. Abb.1: Hohe Rehospitalisierungsrate bei herzinsuffizienten Patient*innen nach erstmaliger Dekompensation (modifiziert nach [1]) Springer Medizin Verlag GmbH × Abb.2: Die Lebenserwartung von Herzinsuffizienz-Patient*innen sinkt nach jeder Hospitalisierung stark (modifiziert nach [4]) Springer Medizin Verlag GmbH × Herzinsuffizienz-Therapie – eine Erfolgsgeschichte Grundsätzlich ist Aßmus zufolge das Management der HFrEF aufgrund der zahlreichen positiven klinischen Studien als eine 30-jährige Erfolgsgeschichte zu betrachten. Mit ACE (Angiotensin Converting Enzyme)-Hemmern und Angiotensin-Rezeptorblockern (ARB), Betablockern, Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MRA) sowie dem ARNI (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor) Sacubitril/Valsartan sind effektive Medikamente aus mehreren Wirkstoffklassen einsetzbar. Laut einer Netzwerk-Metaanalyse von 55 randomisierten klinischen Studien hat sich die Gesamtmortalität um etwa 60% deutlich reduziert, seit die ACE-Hemmer eingeführt wurden [5]. Dennoch sinkt das kardiovaskuläre Risiko nicht auf Null, wie eine Post-hoc-Analyse der Studie PARADIGM-HF verdeutlicht: Patient*innen mit kurz zurückliegender Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierung (<6 Monate) hatten trotz Standardtherapie weiterhin ein um 45% gesteigertes Risiko für kardiovaskulär bedingte Todesfälle oder Klinikaufnahmen wegen Herzinsuffizienz [6]. Mit den SGLT2 (Sodium Glucose Transporter 2)-Inhibitoren hat kürzlich eine weitere Substanzgruppe ihren Nutzen bei der HFrEF gezeigt. Die Gesamtmortalität sank, kardiovaskuläre Todesfälle wurden reduziert, Hospitalisierungen und renale Endpunkte traten seltener auf [7]. Dennoch besteht ein zusätzlicher therapeutischer Bedarf bei Patient*innen, die weiterhin symptomatisch sind. Bei herzinsuffizienten Patienten nach Dekompensation, die eine i.v. Therapie erforderte, kann Vericiguat als Add-on zur Standardtherapie eingesetzt werden, um weitere wiederholte Hospitalisierungen zu verhindern." Prof. Dr. Birgit Aßmus UKGM × Neuer therapeutischer Ansatzpunkt bei der Herzinsuffizienz Positive Phase-III-Daten zu Vericiguat Mit Vericiguat, einem Stimulator der löslichen Guanylatzyklase (sGC), wurde ein neues Wirkprinzip zur Behandlung der Herzinsuffizienz mit hohem Risiko für wiederkehrende Hospitalisierungen entwickelt. In der VICTORIA-Studie wurde mit der Substanz der kombinierte Endpunkt aus kardiovaskulären Todesfällen und Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz verringert. Als vielversprechender therapeutischer Ansatzpunkt bei der Herzinsuffizienz wurde der über Stickstoffmonoxid (NO), sGC und zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP) verlaufende Signalweg identifiziert, der für die kardiale und vaskuläre Funktion von Bedeutung ist [8]. Denn bei vielen herzinsuffizienten Patient*innen ist die Bioverfügbarkeit von NO eingeschränkt, was zu einer verringerten Aktivität der sGC und damit zu einer verminderten Produktion von cGMP als „second messenger“ führt. „Diese pathologische Situation resultiert klinisch in einer verminderten myokardialen und vaskulären Funktion, vermehrtem linksventrikulärem Remodeling, Fibrose, Inflammation und letztlich in einer Progression der Herzinsuffizienz“, erläuterte Prof. Dr. Frank Edelmann, Berlin. Mit Vericiguat (Verquvo®) wurde ein oral verfügbares Medikament mit einem dualen Wirkmechanismus entwickelt: Es stimuliert selektiv die sGC und sensibilisiert das Enzym für endogenes NO, indem es die NO-sGC-Bindungsstelle stabilisiert und die deletären Effekte des NO- und cGMP-Mangels neutralisiert [8, 9]. Im besonderen HochrisikoKollektiv mit dekompensierter Herzinsuffizienz hat sich Vericiguat aufgrund der Reduktion Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierungen bewährt.“ Prof. Dr. Frank Edelmann Charité – Universitätsmedizin Berlin × Die VICTORIA-Studie Nach positiven Daten der Phase-II-Studie SOCRATES-Reduced wurde die placebokontrollierte Phase-III-Studie VICTORIA initiiert, in der Vericiguat zusätzlich zur Herzinsuffizienz-Standardmedikation bei 5.050 Patient*innen mit sich verschlechternder HFrEF und einem hohen Risiko geprüft wurde [10, 11]. Voraussetzung für die Studienteilnahme waren eine vorangegangene Dekompensation mit Klinikeinweisung innerhalb der letzten sechs Monate oder eine i. v. Diuretikatherapie in den letzten drei Monaten und stark erhöhte Werte der natriuretischen Peptide. Die Patient*innen erhielten randomisiert Vericiguat in initialer Dosis von 2,5 mg oder Placebo zusätzlich zur Standardtherapie. Abhängig von Blutdruck und klinischer Symptomatik wurde die Dosierung zunächst auf 5 mg und dann auf 10 mg hochtitriert. In der Studie erhielten rund 90% der Patient*innen in beiden Studienarmen die Zieldosis von 10 mg Vericiguat bzw. Placebo. Primärer Endpunkt war die Kombination aus kardiovaskulärem Tod oder erster Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz. Mehr als 99% der Patient*innen in Verum- und Placeboarm beendeten das Follow-up für diesen primären Endpunkt, was laut Edelmann für die hohe Qualität der VICTORIA-Studie spricht. Studienkollektiv mit hohem Risiko Die im Schnitt 67 Jahre alten Studienteilnehmer*innen hatten eine Ejektionsfraktion von median 30%; gut 40% waren bei Studienbeginn in der NYHA (New York Heart Association)-Klasse III–IV. Zwei Drittel waren innerhalb von 2.800 pg/ml bewertete Edelmann als ausgesprochen hoch. Die Behandlung der Herzinsuffizienz bei Studieneinschluss bezeichnete er als zufriedenstellend: 93% der Patient*innen erhielten Betablocker, 73% einen ACE-Hemmer oder ARB, rund 70% einen MRA und 14% einen ARNI. Bei rund 60% umfasste die Therapie drei leitliniengerechte Medikamente. Zudem waren gut 40% mit einem Device versorgt. Begleiterkrankungen waren im Studienkollektiv häufig: 45% der Patient*innen litten an Vorhofflimmern, 47% an Diabetes mellitus, 79% an einer Hypertonie [12]. Damit umfasst VICTORIA ein Hochrisiko-Kollektiv mit einer sich trotz Standardtherapie verschlechternden Herzinsuffizienz, das in bisherigen Studien kaum untersucht worden sei, bei dem aber weiterhin ein großer „clinical need“ bestehe, betonte Prof. Dr. Johann Bauersachs, Hannover. Additive Effekte via neuen Signalweg Die ereignisgetriebene VICTORIA-Studie erreichte ihren primären Endpunkt bereits nach kurzem Follow-up von nur 10,8 Monaten [11]: Die jährliche Ereignisrate sank signifikant von 37,8% im Placeboarm auf 33,6% bei zusätzlicher Vericiguat-Gabe. Der Unterschied entspricht einer Risikoreduktion um absolut 4,2% (Hazard Ratio, HR 0,90; p=0,02; Abb. 3). Die jährliche NNT (Number Needed to Treat) beträgt 24. Auch die sekundären Endpunkte „Gesamtzahl Herzinsuffizienz-bedingter Hospitalisierungen“ (38,3% versus 42,4%; HR 0,91; p=0,02) und „erste Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung oder Gesamtmortalität“ (35,9% versus 40,1%; HR 0,90; p=0,02) wurden durch Vericiguat im Vergleich zu Placebo signifikant reduziert. Von der Vericiguat-Therapie profitierten alle Patient*innen unabhängig vom Zeitraum zwischen der Dekompensation und Randomisierung als auch davon, ob sie stationär oder ambulant behandelt wurden. Abb.3: VICTORIA-Studie: Rate an kardiovaskulären Todesfällen und erster Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz unter Vericiguat versus Placebo (modifiziert nach [11]) Springer Medizin Verlag GmbH × Eine Post-hoc-Analyse weist darauf hin, dass der Nutzen von Vericiguat sowohl beim primären Endpunkt als auch bei den beiden Einzelkomponenten „Herzinsuffizienz-bedingte Hospitalisierung“ und „kardiovaskulärer Tod“ bei Patient*innen mit NT-proBNP-Werten ≤8.000 pg/ml, die 85% des VICTORIA-Kollektivs stellten, eindeutig ausfiel, während der Nutzen bei höheren Werten nicht mehr nachweisbar war [13]. Therapie einfach durchführbar Darüber hinaus wurde Vericiguat gut vertragen: Das Nebenwirkungsprofil und die Inzidenz schwerwiegender Nebenwirkungen waren in Verum- und Placeboarm vergleichbar [11]. Auch wirkte sich die zusätzliche Gabe des sGC-Stimulators kaum auf den Blutdruck aus: Die Unterschiede im systolischen Blutdruck zwischen beiden Therapiearmen waren sehr gering. Ein eventueller Effekt auf den systolischen Blutdruck trat nur früh während der Titrationsphase auf; im weiteren Verlauf gab es keine klinisch relevanten Änderungen mehr. Symptomatische Hypotonien und Synkopen waren unter Vericiguat numerisch häufiger, aber nicht signifikant unterschiedlich zum Placeboarm (9,1% versus 7,9% bzw. 4,0% versus 3,5%). Als einmal täglich zusätzlich zur Standardtherapie verabreichtes, leicht aufzutitrierendes und gut verträgliches Medikament kann der sGC-Stimulator künftig eine wesentliche Rolle in der Behandlung von Patient*innen mit zunehmender Herzinsuffizienz einnehmen. Eine Kontrolle von Nierenfunktion und Elektrolyten unter der Therapie ist nicht erforderlich. Die gleichzeitige Anwendung anderer sGC-Stimulatoren ist kontraindiziert und eine gleichzeitige Anwendung von PDE-5-Hemmern wird aufgrund der additiven Effekte auf den Blutdruck nicht empfohlen [14]. Auf Basis der VICTORIA-Daten wurde Vericiguat am 16. Juli 2021 in der Europäischen Union zur Behandlung der symptomatischen chronischen Herzinsuffizienz bei Erwachsenen mit reduzierter Ejektionsfraktion zugelassen, die nach einem kürzlich aufgetretenen Dekompensationsereignis, das eine i. v. Therapie erforderte, stabilisiert wurden [14]. Vericiguat bereits in Leitlinien implementiert Die in der Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) von 2016 empfohlene Stufentherapie mit schrittweiser Kombination von Inhibitoren des Renin-Angiotensin-Systems (RAS), Betablocker, MRA und ARNI wird inzwischen als nicht mehr adäquat betrachtet [15]. So sehen etwa die kanadischen Leitlinien für die Therapie der symptomatischen chronischen HFrEF die gleichzeitige Implementierung der Therapie mit ACE-Hemmer/ARB/ARNI, Betablocker, MRA und SGLT2-Inhibitor vor [16]. Bei ungenügender Kontrolle sind weitere Interventionen notwendig: Dann empfehlen die kanadischen Leitlinien, die Gabe von Vericiguat zusätzlich zur optimalen Therapie bei HFrEF-bei Patient*innen mit sich verschlechternder Symptomatik und Herzinsuffizienz-bedingtem stationärem Aufenthalt in den letzten sechs Monaten zu erwägen, berichtete Bauersachs. Auch die ESC-Leitlinien wurden überarbeitet und erste Empfehlungen daraus bereits vorgestellt [17]. Mit einer Klasse-I-Empfehlung werden die oben genannte Vierfachtherapie sowie Schleifendiuretika im Falle von Stauungsanzeichen aufgeführt. Vericiguat wird in den aktualisierten Leitlinien gleichfalls bereits genannt: Der Einsatz des sGC-Stimulators kann bei Patient*innen der NYHA-Klassen II–IV erwogen werden, bei denen sich die Herzinsuffizienz trotz Therapie mit ACE-Hemmer (oder ARNI), Betablocker und MRA verschlechtert, um so das Risiko der kardiovaskulären Mortalität und für Klinikeinweisungen zu reduzieren (IIb). VICTORIA ist eine extrem wichtige Studie, in der das besondere Kollektiv von Patienten mit sich verschlechternder Herzinsuffizienz untersucht wurde, das bislang in keiner anderen Untersuchung abgebildet wurde." Prof. Dr. Johann Bauersachs MHH/Kardiologie × Optimierte Versorgung im Gesundheitsnetz Herzinsuffizienz-Therapie in der Praxis Im Gesundheitsnetz Osthessen wurde in den letzten Jahren ein speziell auf die Herzinsuffizienz fokussiertes Projekt erfolgreich entwickelt. Ziele sind die Verbesserung der ambulant-stationären Schnittstelle und der intersektoralen Zusammenarbeit. Das Management der Herzinsuffizienz ist aufgrund der Vielzahl zugelassener Medikamente und Devices komplex geworden und erfordert ein gutes Zusammenspiel von Hausärzt*innen und Kardiolog*innen einerseits und dem stationären Sektor andererseits. In Osthessen wurde das dort bereits bestehende, gut funktionierende Ärztenetzwerk (GNO, Gesundheitsnetz Osthessen) um ein Herzinsuffizienz-Netzwerk erweitert, um herzinsuffiziente Patient*innen optimal versorgen zu können, berichtete Dr. Michael Conze, Fulda. Durch das Netzwerk sollen bei der Überweisung herzinsuffizienter Patient*innen von Hausärzt*innen zu niedergelassenen Kardiolog*innen inakzeptabel lange Wartezeit auf einen Termin vermieden werden. Zur besseren Steuerung der Terminvergabe wurde ein Fragebogen zur chronischen Herzinsuffizienz an die Hausärzt*innen verteilt, mit dem sowohl anamnestische Parameter als auch der NT-proBNP-Wert der betroffenen Patient*innen erfasst wird. „NT-proBNP ist das Eingangstor für einen schnellen Termin beim Kardiologen“, so Conze. Optimierte Betreuung herzinsuffizienter Patient*innen Eine zentrale Rolle im GNO Herzinsuffizienz hat Conze zufolge das spezialisierte Pflegepersonal, da die Versorgung allein durch die Ärzt*innen nicht machbar ist. Diese spezialisierten medizinischen Fachangestellten (MFA) werden in praxisorientierten Kursen am Universitätsklinikum Würzburg geschult. Sie übernehmen wichtige Aufgaben, wie die Durchführung von Schulungen der Betroffenen und Angehörigen, telefonisches Monitoring und die Berichterstattung an die Ärzt*innen. Auch gibt es für die spezialisierten MFA regelmäßige Supervisionen und Veranstaltungen zur Weiterbildung. Dass ein derartiges Management sinnvoll ist, konnte in Studien bereits belegt werden [18, 19]. Als besonders effektiv erwiesen sich Ansätze, die einen längeren Kontakt mit dem Patienten/der Patientin vorsehen, da so ein adhärentes Verhalten eingeübt und überprüft werden kann [20]. Derart nachhaltige Effekte konnten durch speziell geschultes Pflegepersonal, das die Ärzt*innen unterstützt, erreicht werden. Um besonders gefährdete Herzinsuffizienz-Patient*innen rasch identifizieren zu können, wurden für die Schnittstelle zwischen Haus- und Fachärzt*innen einerseits sowie niedergelassener Versorgung und Klinik anderseits „red Flags“ definiert. Dazu gehören aus Sicht der Kliniken u. a. eine nicht absehbare Entwicklung der Ejektionsfraktion, Rhythmusinstabilität oder eine kritische Nierenfunktion, aus der hausärztlichen Sicht beispielsweise die zunehmende Dyspnoe, Gewicht, Herzfrequenz, signifikante Hypotonie oder BNP-Dynamik. Als ausgesprochen wichtig bezeichnete Conze die Kooperation aller Partner im Netz auf Augenhöhe und den regelmäßigen Austausch über alle intersektoralen Probleme und Befindlichkeiten, wie es z. B. bei regelmäßigen Fortbildungen möglich ist. Qualifizierte Nachsorge unverzichtbar Im Rahmen des GNO Herzinsuffizienz wurden inzwischen auch therapeutische Defizite bei der Versorgung identifiziert: die Entlassung stabilisierter Herzinsuffizienz-Patient*innen ohne qualifizierte Nachsorge, nicht ausreichendes Medikations-Management oder qualitative und organisatorische Defizite bei einzelnen Partnern. Um Herzinsuffizienz-Medikamente richtig zu titrieren, ist nach Entlassung aus der stationären Versorgung immer eine Überweisung zum Kardiologen/zur Kardiologin erforderlich. Danach sind Telefon-Monitoring durch die/den MFA und weitere Termine in der Praxis obligat, um die Patientenschulung zu organisieren, Laborwerte zu kontrollieren und kardiale Funktion sowie Belastbarkeit zu überprüfen. Conze bewertete den derzeitigen Stand des GNO Herzinsuffizienz als sehr befriedigend; weitere, auch überregionale Kooperationspartner werden künftig noch einbezogen werden. Die Zukunftsaussichten sind nach Conze zufolge ebenfalls gut, da eine besondere außerbudgetäre Vergütung definierter Herzinsuffizienz-Patient*innen und eine Vergütung von Telefon-Monitoring und Schulungen in Aussicht stehen. Bei progredienter Herzinsuffizienz trotz Standardtherapie mit den bisherigen Therapieoptionen steht jetzt mit Vericiguat ein Wirkstoff zur Verfügung, der in einen bislang bei dieser Erkrankung nicht für die Therapie genutzten Signalweg eingreift.“ Dr. Michael Conze MVZ im Altstadt-Carree Fulda GmbH × Stellenwert der neuen Therapieoption Rahmenbedingungen für den Einsatz von Vericiguat Mit der Einführung eines völlig neuen Wirkprinzips in die Behandlung der Herzinsuffizienz stellt sich die Frage, welche Patient*innen für diesen Therapieansatz geeignet sind und wie die Therapie optimal durchzuführen ist. Effektivität, Verträglichkeit und Vorgehen im klinischen Alltag wurden während des Experten-Workshops intensiv diskutiert. Die VICTORIA-Studie reiht sich in eine lange Serie sehr erfolgreicher großer Untersuchungen zur HFrEF ein [11]. Sie unterscheidet sich deutlich von den Studien wie PARADIGM-HF mit Sacubitril/Valsartan oder den beiden Studien DAPA-HF und EMPEROR-Reduced mit den SGLT2-Inhibitoren Dapagliflozin bzw. Empagliflozin [21–28] (Tabelle 1). So lag der NT-proBNP-Wert der an VICTORIA teilnehmenden Patient*innen deutlich höher. Außerdem war eine stärker eingeschränkte Nierenfunktion, d. h. eine geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) ≥15 ml min/1,73 m², bei Studienaufnahme zulässig. Auch der Anteil der Patient*innen mit NYHA-Klasse III–IV war in VICTORIA mit 41% höher als in den anderen drei Studien. Und nur in der VICTORIA-Studie war eine kürzlich aufgetretene kardiale Dekompensation obligates Einschlusskriterium. VICTORIA umfasste somit eine Population mit viel höherem Risiko. Tabelle 1: Patientencharakteristika von Studien zur Herzinsuffizienz im Vergleich (nach [21–28]) Springer Medizin Verlag GmbH × „Die VICTORIA-Teilnehmer*innen haben bereits während der kurzen Nachbeobachtungszeit von knapp elf Monaten einen großen Nutzen von der Therapie. Vericiguat ist somit auch im Vergleich zu anderen etablierten Substanzen als sehr effektiv einzuschätzen“, kommentierte Edelmann. Gerade in diesem schwerkranken Patientenkollektiv ist die Notwendigkeit einer effektiven Behandlung laut Bauersachs ausgesprochen hoch, um die in puncto Lebensqualität einschneidenden Klinikaufenthalte zu vermeiden, eine Prognoseverbesserung zu erreichen und nicht zuletzt auch die hohen Kosten stationärer Behandlungen zu senken. Günstiges Sicherheitsprofil erleichtert Therapie Als wichtig erachtet Aßmus das günstige Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil von Vericiguat. Da die Patient*innen meist nicht nur eine isolierte Herzinsuffizienz aufweisen, sondern diverse therapiebedürftige Komorbiditäten haben, gilt es dennoch, auf einige Punkte zu achten. Die Auftitration sollte nur erfolgen, sofern dies vertragen wird. Auf Hypotonien ist zu achten. Auch sollte eine Behandlung bei einem systolischen Blutdruckwert (SBD) <100 mmHg nicht begonnen werden. Vericiguat ist nicht Bestandteil der HFrEF-Basistherapie, sondern wird als Add-on-Therapie bei Herzinsuffizienz-Patient*innen eingesetzt, die nach einer Dekompensation stabilisiert wurden, die eine i. v. Therapie erforderte [14]. Die Aufnahme der Patient*innen in die Klinik wegen einer kardialen Dekompensation wertete Aßmus als eine „Katastrophe für den Patienten“, da solch ein Ereignis mit einem Sterberisiko von rund 20% einhergeht [3]. Wenn die Standardtherapie nicht mehr ausreicht und eine Therapieintensivierung benötigt wird, ist definitionsgemäß von einer sich verschlechternden Herzinsuffizienz auszugehen. Nach Aßmus‘ Erfahrung suchen viele Betroffene aktiv den Arzt/die Ärztin auf, da ihre Leistungsfähigkeit dramatisch gesunken ist und zunehmend Stauungsanzeichen auffallen. Herzinsuffizienz-Patient*innen gehören in spezialisierte Hände Bauersachs wies darauf hin, dass eine zunehmende Krankheitsschwere nicht selten auf mangelnde Therapietreue zurückzuführen ist. Auch ist im klinischen Alltag davon auszugehen, dass etliche Patient*innen, insbesondere in höherem Alter, nicht mit der leitlinienkonformen Therapie versorgt sind. Aßmus betonte: „Wir müssen daher daran arbeiten, dass jeder mit der Diagnose Herzinsuffizienz vom Kardiologen gesehen wird und eine optimierte, individuell angepasste und evidenzbasierte Therapie erhält.“ Herzinsuffiziente sollten möglichst eine Kombinationstherapie aller vier Substanzklassen (RAS-Blocker, Betablocker, MRA, SGLT2-Inhibitor) erhalten, Bauersachs machte jedoch darauf aufmerksam, dass gerade schwerkranke Patient*innen Medikamente generell schlechter vertragen, sodass diese nicht immer kombiniert eingesetzt oder regelhaft austitriert werden können. Bei Patient*innen, die nach Dekompensation stabilisert wurden, sprach sich Edelmann dafür aus, bereits im Krankenhaus die Behandlung mit Vericiguat einzuleiten „on top“ zur Standardtherapie. „Die Therapie mit Vericiguat sollte optimalerweise in der Klinik beginnen. Alternativ sollte an Praxis bzw. Herzinsuffizienz-Netzwerk kommuniziert werden, Vericiguat zeitnah nach Entlassung einzusetzen“, empfahl Edelmann. Bei Patient*innen mit sehr niedrigem Blutdruck oder schlechter Nierenfunktion kann es allerdings problematisch sein, alle vier Basismedikamente, besonders ACE-Hemmer und ARNI, zu kombinieren oder bis zur empfohlenen Dosierung zu titrieren. Auch die Behandlung mit Vericiguat sollte nicht begonnen werden, wenn der SBD <100 mmHg liegt. Aßmus meinte abschließend, es sei erfreulich, dass jetzt für die Patient*innen, deren Herzinsuffizienz trotz optimaler Standardtherapie fortschreitet und die daher nach Dekompensation im Krankenhaus stabilisiert werden mussten, wozu eine i. v. Therapie erforderlich war, mit Vericiguat eine neue evidenzbasierte Substanz zur Verfügung stehe. Add-on-Therapie für dekompensierte Patient*innen... Im weiteren Verlauf der Diskussion während des Experten-Workshops wurden Rahmenbedingungen definiert, die für die Einleitung der Vericiguat-Therapie erfüllt sein müssen. Generell eignet sich der Ansatz für die dekompensierte HFrEF, die trotz leitliniengerechter Standardtherapie in empfohlener bzw. in tolerierter Dosierung progredient ist, also für Patient*innen, die während der vergangenen sechs Monate wegen ihrer Herzinsuffizienz hospitalisiert wurden und bei denen eine i. v. Therapie notwendig war, die ambulant versorgt und zwecks Verhinderung der drohenden Klinikeinweisung mit i. v. verabreichten Diuretika behandelt wurden (siehe Therapiekarte). Prinzipiell ist die Einleitung der Vericiguat-Therapie nicht auf die Klinik beschränkt. Die Behandlung mit dem sGC-Stimulator kann auch von niedergelassenen Kardiolog*innen bei ambulanten Patient*innen mit anamnestisch bekannter kardialer Dekompensation, die eine i. v. Therapie erforderlich machte, begonnen werden. Bauersachs erinnerte daran, dass die Vericiguat-Therapie in der VICTORIA-Studie größtenteils außerhalb der Klinik initiiert wurde. ...nach Stabilisation einleiten Gemäß Zulassung müssen die Patient*innen bei Beginn der Vericiguat-Therapie bereits wieder stabilisiert sein [14]. Der Verlauf sollte individuell abgeschätzt werden, erklärte Aßmus. Mögliche Kriterien für eine klinische Stabilisierung sind nach Meinung der Expert*innen beispielsweise: stabile Blutdruckeinstellung (SBP ≥100 mmHg), NT-proBNP-Wert <8.000 pg/ml, fehlende Notwendigkeit für eine i. v. Diuretikatherapie innerhalb der letzten 24 Stunden, Herzfrequenz in akzeptablem Bereich, ausreichende Nierenfunktion (eGFR ≥15 ml/min), weitestgehende Entstauung ohne residuelle Kongestion, mobilisierte/r Patient*in. Idealerweise kann die Vericiguat-Therapie laut Aßmus mit dem Entlass-Management gestartet werden: 1–2 Tage vor geplanter Entlassung ist der Zustand stabil und wird üblicherweise nur noch überwacht. Als unverzichtbar bezeichneten alle Expert*innen die Nachbeobachtung nach Entlassung aus der Klinik. Entsprechend sollte noch in der Klinik ein Follow-up-Termin innerhalb von sieben bis spätestens 14 Tagen in der Herzinsuffizienz-Ambulanz oder beim Kardiologen / bei der Kardiologin vereinbart werden. „Wird in der Klinik nach Dekompensation eine neue Therapie eingeleitet, muss kurzfristig überprüft werden, ob sie auch vertragen wird“, betonte Aßmus. Um eine optimale Versorgung dieser herzinsuffizienten Patient*innen sicherzustellen, sei eine enge Kooperation zwischen Klinik und niedergelassenem Bereich unverzichtbar. Behandlungspfad für die Praxis: Therapie mit Vericiguat Springer Medizin Verlag GmbH 2021 × Therapiekarte zum Download Literatur Butler J et al., J Am Coll Cardiol 2019, 73:935–944 Nieminen MS et al., Eur Heart J 2006, 27:2225–2236 Degoricija V et al., Sci Rep 2018, 8:9587 Setoguchi S et al., Am Heart J 2007, 154:260–266 Burnett H et al., Circ Heart Fail 2017, 10:e003529 Salomon SD et al., JACC Heart Fail 2016, 4:816–822 Zannad F et al., Lancet 2020, 396:819–829 Gheorghiade M et al., Heart Fail Rev 2013, 18:123–134 Armstrong PW et al., JACC Heart Fail 2018, 6:96–104 Gheorgiade M et al., JAMA 2015, 314:2251–2262 Armstrong PW et al., N Engl J Med 2020, 382:1883–1893 Pieske B et al., Eur J Heart Fail 2019, 21:1596–1604 Ezekowitz JA et al., JACC Heart Fail 2020, 8:931–939 Fachinformation Verquvo®; Stand: Juli 2021 Ponikowski P et al., Eur Heart J 2016, 37:2129–2200 McDonald M et al., Can J Cardiol 2021, 37:531–546 Metra M, ESC-HF Congress 2021, Vortrag Angermann CE et al., Circ Heart Fail 2012, 5:25–35 Schmidt S et al., Dtsch Arztebl Int 2010, 107:131–138 Unverzagt S et al., Dtsch Arztebl Int 2016, 113:423–430 McMurray JJV et al., N Engl J Med 2014, 371:993–1004 McMurray JJV et al., N Engl J Med 2019, 381:1995–2008 Packer M et al., N Engl J Med 2020, 383:1413–1424 Armstrong PW et al., N Engl J Med 2020, 382:1883–1893 Zile MR et al., J Am Coll Cardiol 2016, 68:2425–2436 Solomon SD et al., JACC Heart Fail 2016, 4:816–822 McMurray JJV et al., Eur J Heart Fail 2019, 21:1402–1411 Butler J et al., Circulation 2020, 142:717–719 Impressum Springer Medizin Experten-Workshop „sGC-Stimulation – von den Studiendaten in die klinische Praxis”, online, 19. Juli 2021 Berichterstattung: Dr. Katharina Arnheim, Freiburg i. Br. Beilage in Cardio News 10/2021 Herz 6/2021 Der Internist 11/2021 Der Kardiologe 6/2021 Cardio Vasc 6/2021 Mit freundlicher Unterstützung der Bayer Vital GmbH, Leverkusen Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Sabine Jost Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführung: Fabian Kaufmann, Dr. Cécile Mack, Dr. Hendrik Pugge Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Neues Wirkprinzip bei chronischer Herzinsuffizienz - Vericiguat für stabilisierte Patient*innen nach kardialer Dekompensation

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten