Hier ist interdisziplinäre Zusammenarbeit gefordert

Lymphödeme und chronische Wunden beeinflussen sich wechselseitig und betreffen in ihrer hohen Koinzidenz verschiedene medizinische Fachgesellschaften von den Gefäßchirurgen und Diabetologen, über die Strahlentherapeuten und Onkologen bis zu den Dermatologen. Die Zusammenarbeit soll noch besser werden. Die Versorgungssituation der betroffenen Patienten sei sehr heterogen, erklärte Tagungspräsident Dr. Wilfried Jungkunz, Friedberg, auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung (DGfW): „Aktuelle Auswertungen der Krankenkassen zeigen, dass mehr Geld für Fehlversorgung – also für unzweckmäßige und überflüssige Diagnostik und Therapie – ausgegeben wird, als für zielgerichtete Maßnahmen.“ Qualitätsstandards verbessern Die DGfW will diese Situation grundlegend verbessern: Wissenschaftliche Leitlinien und Qualitätsstandards in Lymphologie, Kompression und Wundheilung sollen implementiert und zukünftig besser in die Praxis umgesetzt werden, um klare Diagnose- und Therapiekonzepte zu schaffen, die sich an der besten verfügbaren Evidenz orientieren. Ferner will die DGfW die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Ärzten, Physiotherapeuten, Pflegefachkräften und Kompressionsversorgern fördern und diese Berufsgruppen so vernetzen, dass eine lückenlose Versorgungskette entsteht, bei der alle Glieder ineinandergreifen, um eine adäquate, erfolgreiche Behandlung betroffener Patienten zu gewährleisten. Der interdisziplinäre Ansatz der DGfW zeigte sich bereits in der Wahl der drei Tagungspräsidenten: Neben dem Dermatologen Jungkunz waren dies der Zellbiologe Prof. Dr. Hellmuth Zöltzer, Kassel und der Lymphtherapeut Oliver Gültig, Aschaffenburg. Die gleiche Sprache sprechen, besser ausbilden Um Versorgungsbrüche und Fehlversorgung zukünftig zu vermeiden, müssten zwei wichtige Voraussetzungen geschaffen werden, erklärte Gültig. Seine Forderung: Beteiligte Berufsgruppen müssten die gleiche Sprache sprechen und die gleichen Ziele verfolgen; Ärzte, Physiotherapeuten und Pflegekräfte müssten bereit sein, kontinuierlich voneinander zu lernen. Die Deutsche Gesellschaft für Lymphologie hat daher gemeinsam mit der DGfW ein von der Ärztekammer anerkanntes Curriculum Lymphologie entwickelt und bietet Zusatzschulungen zur Weiterbildung von Ärzten an. In der Vergangenheit seien schwerpunktmäßig Physiotherapeuten ausgebildet worden – Assistenzberufe also, die weisungsgebunden arbeiten. „Bei den niedergelassenen Ärzten gibt es dagegen noch Defizite auf diesem Gebiet“, so Gültig, der noch einmal betonte, dass zur Wundbehandlung immer auch die Beseitigung eines Lymphödems gehört. Die Ausbildungssituation bemängelte auch Zöltzer: „Die Lymphologie wird in der Ausbildung nicht entsprechend ihrer Bedeutung zum Beispiel für die Ernährung oder die spezifische und unspezifische Immunabwehr berücksichtigt.“ Weiter wies er darauf hin, dass die Heilung chronischer Wunden beschleunigt werden könne, wenn positiv auf das Lymphsystem eingewirkt werde, etwa durch die Kompressionstherapie. Häufige Konsequenz: Dermatologische Komplikationen Welche Relevanz das Tagungsthema für den Dermatologen hat, erklärte Jungkunz: „Beide Krankheitsbilder – das Lymphödem und die chronische Wunde – sind in der Haut lokalisiert und machen hier häufig Komplikationen.“ Eine Primärkomplikation des gestörten Lymphabtransports sei beispielsweise die Fibrosklerose, bei der es zu Vermehrung und Verhärtung des Bindegewebes durch Pseudokollagenfasern kommt. In der Folge entwickeln sich eine lokale Abwehrschwäche und Infektionskrankheiten der Haut, etwa das Erysipel, das durch das eiweißreiche Ödem als idealem Nährboden für Bakterien begünstigt wird. Interdisziplinäre Zusammenarbeit für neue Leitlinie Jungkunz selbst stellte auf dem Kongress die S3-Leitlinie zum Ulcus cruris venosum vor, zwei weitere große Sitzungen beschäftigten sich ebenfalls mit Leitlinien zum Thema Lymphödem und chronische Wunde. Aktuell erarbeiten acht Fachgesellschaften aus Lymphologie, Phlebologie, Angiologie Dermatologie sowie der DGfW als Koordinator eine gemeinsame S3-Leitlinie zur Behandlung des Lymphödems. „Das wäre vor einem Jahr noch undenkbar gewesen“, kommentierte Jungkunz. Ende 2010 soll die Leitlinie fertiggestellt sein. (koc)

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