Intensive Blutdrucksenkung bei Hirnblutung doch von Nutzen?

Eine intensive systolische Blutdrucksenkung unter 140 mmHg bei einer Hirnblutung ergab in der ATACH-2-Studie keine Vorteile. Nach Daten einer erneuten Analyse scheinen aber Patienten mit anfänglich großem Hämatomvolumen zu profitieren. Bei einer Hirnblutung soll der systolische Druck durch eine antihypertensive Therapie bekanntlich rasch unter 180 mmHg gesenkt werden, um eine Expansion des Hämatomvolumens zu vermeiden. Ob eine noch stärkere Blutdrucksenkung mehr bringt, ist umstritten. Weder in der 2013 veröffentlichten Interventionsstudie INTERACT2* mit mehr als 2800 Teilnehmern noch in der Studie ATACH-2*, die im vergangenen Jahr publiziert worden ist, gab es einen signifikanten Vorteil für Patienten mit einer intensiven antihypertensiven Therapie. Sterberate und funktionelles Ergebnis unterschieden sich in den Gruppen mit einem Therapieziel von weniger als 180 mmHg und weniger als 140 mmHg nicht wesentlich. Nun deutet eine Subgruppenanalyse bei der ATACH-2-Studie für einige Patienten doch auf einen gewissen Nutzen: Liegt das anfängliche Hämatomvolumen über 10 cm3, scheint die intensivere Therapie eine weitere Hämatomexpansion besser zu vermeiden und die Sterberate etwas zu drücken. Darauf hat Dr. Adnan Qureshi von der Universität in Minneapolis auf der Jahrestagung der US-Neurologen in Boston hingewiesen. Geringere Hämatomexpansion Zur Erinnerung: An ATACH-2 hatten bis zum vorzeitigen Abbruch 960 Patienten mit intrazerebralen Blutungen teilgenommen. Sie waren in zwei Gruppen aufgeteilt worden: In der ersten Gruppe wurde ein systolischer Wert unter 180 mmHg angestrebt (Standardtherapie), in der zweiten Gruppe sollten es weniger als 140 mmHg sein, die es innerhalb von zwei Stunden zu erreichen galt (intensivierte Therapie). Vorgeschrieben war ein Versuch mit Nicardipin bis zu einer Dosis von maximal 15 mg/h i.v., falls dies nicht genügte, konnten die Studienärzte weitere Antihypertensiva wie Labetalol, Diltiazem oder Urapidil verwenden. Die Teilnehmer mussten zu Beginn einen systolischen Druck von mehr als 180 mmHg, ein anfängliches Hämatomvolumen von weniger als 60 cm3 sowie einen Wert auf der Glasgow Coma Scale von mindestens 5 Punkten aufweisen. Das Alter lag im Schnitt bei 62 Jahren, der initial gemessene systolische Blutdruck bei 200 mmHg. Insgesamt verlief die Drucksenkung recht erfolgreich: Mit der Standardtherapie wurde im Schnitt ein Wert von 141 mmHg erreicht, mit der intensivierten sank der systolische Druck im Mittel auf 129 mmHg. Letztlich lagen die Werte aber nicht weit auseinander, was sich deutlich auf den primären Endpunkt der Studie ausgewirkt haben dürfte: Nach drei Monaten waren in beiden Gruppen jeweils 38% der Patienten tot oder schwer behindert (mRS-Wert von 4–6 Punkten). Ein gewisser Vorteil deutete sich zumindest bei der Hämatomexpansion an: Eine solche wurde bei 19% mit intensivierter und bei 24% mit Standardtherapie beobachtet, doch auch hier war der Unterschied nicht signifikant. Geringere Expansion – bessere Prognose Werden hingegen nur diejenigen Patienten mit einem initialen Hämatomvolumen über 10 cm3 betrachtet, ergibt sich ein leicht anderes Bild. Eine Expansion des Hämatomvolumens um mehr als ein Drittel fanden die Ärzte um Qureshi hier bei 19% mit intensiver und bei 28% mit konventioneller Blutdrucksenkung – der relative Unterschied von 33% lag dieses Mal knapp am Signifikanzniveau. Kommt es zu einer relevanten Ausweitung der Blutung, ist die Prognose jedenfalls sehr ungünstig: In der Studie waren 52% solcher Patienten nach drei Monaten tot oder schwer behindert, ohne Expansion hingegen nur 33% – ein signifikanter Unterschied. Qureshi sieht daher durchaus einen gewissen Nutzen der intensiven Drucksenkung für Patienten mit initial großem Hämatomvolumen. Allerdings müsste es gelingen, die Expansion der Blutung bei deutlich mehr Patienten zu unterbinden. Da sich die erreichten Blutdruckwerte in den beiden Gruppen kaum unterschieden, bleibt aber die Frage nach einem Nutzen der intensiveren Drucksenkung offen. Augenscheinlich ist die Standardtherapie bereits so gut, dass eine intensivere Drucksenkung nicht nötig ist. Oder in anderen Worten: Eine starke Blutdrucksenkung scheint die Hämatomexpansion tatsächlich signifikant zu bremsen, dafür genügt aber meist die Standardtherapie. Lediglich bei initial großem Hämatomvolumen sollten Ärzten nach diesen Daten den Blutdruck noch stärker kontrollieren, als dies bislang der Fall ist. *Akronyme: INTERACT2: Second Intensive Blood Pressure Reduction in Acute Cerebral Haemorrhage Trial ATACH-2: Antihypertensive Treatment of Acute Cerebral Hemorrhage II basierend auf: 69th Annual Meeting of the American Academy of Neurology (AAN). Boston April 22 – April 28. 2017. Clinical Trial Plenary Session, April 25.

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