Tranexamsäure bei Hirntraumata – prähospitale Gabe entscheidend?

Wieviel das Antifibrinolytikum Tranexamsäure bei Schädel-Hirn-Traumata bringt, wird noch immer diskutiert. Eine niederländische Registeranalyse untersucht den Nutzen einer prähospitalen Therapie mit Tranexamsäure noch im Krankenwagen: Die Mortalität bei Hirntraumata scheint dabei eher erhöht zu sein. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Nach den 2010 veröffentlichen Daten der Studie CRASH-2 mit rund 20.000 Patienten lässt sich die Sterberate bei verletzungsbedingten Blutungen aller Art durch eine Behandlung mit TXA um rund 10% senken, die Mortalität um 15%. Der Erfolg war dabei am größten, wenn die Arznei innerhalb einer Stunde nach dem Trauma verabreicht wurde, wohingegen eine Behandlung drei Stunden nach der Verletzung die Sterberate im Vergleich zu Placebo erhöhte. Eine Subgruppenanalyse deutete tendenziell, aber nicht signifikant auch auf einen Nutzen bei intrakraniellen Blutungen (ICB) infolge eines SHT. Dem ging gezielt die vor einem Jahr publizierte Studie CRASH-3 mit 12.700 SHT-Patienten nach: Sie fand allerdings nur einen Nutzen von TXA bei leichten bis moderaten SHT, nicht bei schweren, und das auch nur bei früher Applikation. Eine weitere, deutlich kleinere Studie kam zu dem Schluss, dass nur eine 2-g-Bolustherapie noch vor der Klinikaufnahme etwas nützt, nicht jedoch der übliche 1-g-Bolus, gefolgt von einer 1-g-Infusion über acht Stunden hinweg (siehe Bericht). Generell scheint TXA die Folgen von Hirnblutungen vor allem dann zu lindern, wenn es früh gegeben wird. Es wäre also eine Anwendung schon im Krankenwagen ratsam. Darauf setzen bereits viele Rettungsärzte, aber mangels unklarer Evidenz längst nicht alle, berichten Anästhesiologen um Dr. Sebastiaan Bosser von der Universität in Amsterdam in den Niederlanden. Anhand des prospektiven SHT-Registers BRAIN-PROTECT haben die Experten geschaut, wie das Ergebnis von SHT-Patienten mit und ohne TXA-Behandlung im Krankenwagen ist. Verdoppelte 30-Tages-Mortalität Die Forscher griffen auf Angaben zu 1827 Patienten aus neun niederländischen Zentren zurück, die mit Verdacht auf ein SHT in eine Klinik gebracht worden waren. Ausgeschlossen wurden aufgrund der hohen Mortalität wiederbelebte Patienten. 70% waren Männer, das mittlere Alter betrug 45 Jahre. Bei drei Vierteln ließ sich der SHT-Verdacht in der Klinik bestätigen, 40% hatten eine schwere isolierte SHT ohne größere Verletzungen außerhalb des Schädels. 38% aller Patienten bekamen schon im Rettungswagen TXA, zumeist den 1-g-Bolus, nur vier Patienten erhielten 2 g. Patienten mit TXA waren im Schnitt älter, stärker verletzt und eher komatös als solche ohne. Insofern überrascht es nicht, dass sie eine höhere 30-Tages-Mortalität aufwiesen als Betroffene ohne TXA (37% versus 30%). Wurden jedoch die Schwere der Verletzungen, der Zustand der Patienten und andere Begleitfaktoren berücksichtigt, gab es insgesamt keine signifikanten Unterschiede bei der Mortalität. Dies war auch nicht bezogen auf die Patienten mit bestätigter SHT der Fall, aber bei denen mit einer schweren isolierten SHT: Hier war die 30-Tages-Mortalität unter TXA nach diversen Adjustierungen in etwa verdoppelt, auch die 1-Jahres-Mortalität blieb signifikant erhöht. Empfehlung der Redaktion Neurologische Notfälle – Themenseite Status epilepticus, Schlaganfall oder aber auch Migräne zählen zu den neurologischen Notfällen, mit denen Notärzte konfrontiert werden können. Empfehlungen für die Praxis aber auch aktuelle Nachrichten oder CME-Kurse finden Sie auf der Themenseite. Die Ärzte um Bosser schließen daraus, dass aufgrund einer isolierten SHT besser kein TXA verabreicht werden sollte. Nicht ganz ausschließen lässt sich jedoch, dass trotz aller Adjustierungen ein Indikationsbias vorliegt, der das Ergebnis verzerrt, Patienten mit TXA also schlechtere Chancen haben, weil sie schwerer verletzt sind. Eine weitere Anwendung für TXA könnte darin bestehen, das Hämatomvolumen bei einer Hirnblutung zu begrenzen. Doch auch hier spricht eine kleine kontrollierte Studie gegen einen Nutzen. Dabei erhielten jeweils 50 Patienten mit einer ICB innerhalb von 4,5 Stunden TXA oder Placebo. Mit TXA wurde bei 44%, mit Placebo bei 52% eine Hämatomexpansion beobachtet, die Differenz war jedoch statistisch nicht signifikant, ebenso wenig der Unterschied in der Sterberate (26% versus 16%). Das Wichtigste in Kürze Frage: Ist eine Therapie mit Tranexamsäure (TXA) bei Patienten mit Schädel-Hirn-Traumata (SHT) schon im Rettungswagen von Vorteil? Antwort: In einer Registeranalyse brachte die prähospitale Anwendung keine Vorteile, ging aber mit einer erhöhten Mortalität bei schwerem isoliertem SHT einher. Bedeutung: Möglicherweise schadet die TXA-Anwendung bei SHT mehr, als sie nutzt. Einschränkung: Reine Beobachtungsstudie, Indikationsbias möglich, unklar ist zudem, ob und wie viele der Patienten eine TXA-Behandlung erst in der Klinik begannen.

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