Arzneimittel-Atlas enthüllt Ost-West-Gefälle

Der regional starke Verbrauchsunterschied bei Arzneimitteln ist ein Spiegelbild der Morbiditätsverteilung in Deutschland. Eine aktuelle Analyse liefert der soeben publizierte Arzneimittel-Atlas. Zum zweiten Mal in Folge sind die Pro-Kopf-Ausgaben der GKV für Arzneimittel im Jahr 2012 zurückgegangen: im Bundesdurchschnitt 4,5 Prozent auf 385 Euro. Bereits im Vorjahr hatte der Rückgang bei 3,7 Prozent gelegen. Das geht aus dem vor wenigen Tagen vorgestellten Arzneimittel-Atlas hervor, der vom Berliner IGES-Institut im Auftrag des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller jährlich erarbeitet wird. Nach wie vor existieren regional sehr große Unterschiede: An der Spitze der Pro-Kopf-Ausgaben steht unverändert Mecklenburg-Vorpommern mit 490 Euro, am unteren Ende bleibt Bayern mit 339 Euro – eine Differenz von 151 Euro. Gesunken sind die Ausgaben in beiden Bundesländern: in Mecklenburg-Vorpommern um drei Prozent, in Bayern sogar um sechs Prozent. Neue Bundesländer und Stadtstaaten liegen vorne Unverändert gilt: die neuen Bundesländer und die beiden Stadtstaaten Berlin und Hamburg stehen mit den Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel an der Spitze. Belastend für die Stadtstaaten wirkt sich ihre Mitversorgungsfunktion für das Umland aus. Mit 39 und 51 Euro pro Kopf fallen die Ausgaben für die HIV-Versorgung um ein Vielfaches höher aus als im Bundesdurchschnitt (zehn Euro) und in den Flächenstaaten. Ähnliches gilt für die Spezialversorgung, zum Beispiel in der Onkologie: Hier betragen die Pro-Kopf-Ausgaben 166 Euro in Berlin und 148 Euro in Hamburg. Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen sind die Ausgaben dafür mit 158 und 160 Euro ähnlich hoch – ein Indiz für eine deutlich überdurchschnittliche Morbiditätslast in diesen beiden östlichen Bundesländern. Interaktiver Arzneimittel-Atlas Wenn Sie im interaktiven Arzneimittel-Atlas auf ein Bundesland klicken, öffnet sich ein Kasten mit spezifischen Informationen für dieses Bundesland. Zum Beispiel zu dem Pro-Kopf-verbrauch insgesamt, zur Grundversorgung,Spezialversorgung oder zur HIV-Versorgung. Die Unterschiede variieren vor allem zwischen Ost und West. Interaktiver Arzneimittel-Atlas Berücksichtigt man den demografischen Einfluss (Anteil der Bevölkerung über 55 Jahre), Morbiditätsindikatoren (Body-Maß-Index über 30) sowie das Versorgungsangebot (in Form der Facharztdichte), dann reduzieren sich die Unterschiede erheblich. Mecklenburg-Vorpommern liegt dann nur noch 34 Euro über dem Bundesdurchschnitt, in Berlin und Hamburg beträgt die Abweichung weniger als 30 Euro. Und nach wie vor hat Bremen, das gut 40 Euro pro Kopf unter dem Bundesdurchschnitt liegt, die günstigste Arzneiversorgung. Eingehend analysiert der Arzneimittel-Atlas einzelne Indikationsgebiete: Säurebedingte Erkrankungen: Der Markt ist durch einen starken Verbrauchsanstieg charakterisiert – er hat sich zwischen 2003 und 2012 verdreifacht auf 44 DDD je GKV-Versicherten. Allein im vergangenen Jahr stieg die Zahl verordneter Tagesdosen um 11,6 Prozent auf 3,025 Milliarden. Der Marktanteil der Protonenpumpeninhibitoren erreichte 97,3 Prozent, wobei 61,7 Prozent auf Pantoprazol entfallen. Trotz starken Verbrauchsanstiegs gingen die Ausgaben für die Säurehemmer um 19,4 Prozent auf 627 Millionen Euro zurück – eine Folge des harten generischen Preiswettbewerbs. Diabetes: Der Verbrauch von Antidiabetika hat sich zwischen 1996 und 2012 in etwa verdoppelt. Insgesamt von 2,111 Milliarden Tagesdosen 2012 (plus 1,2 Prozent). Die Ausgaben stiegen deutlich stärker mit 4,2 Prozent auf 1,66 Milliarden Euro. Innerhalb des Antidiabetika-Marktes gibt es gewisse Verschiebungen: Seit 2010 hat sich der Marktanteil der DPP-IV-Inhibitoren auf zuletzt 7,2 Prozent erhöht. Offenbar geht dies zu Lasten von Sulfonylharnstoffen, deren Marktanteil von 2010 auf 2012 von 36,1 auf 29,5 Prozent sank. Nahezu stabil geblieben ist der Marktanteil von Metformin mit 47, 3 Prozent. Im Durchschnitt liegt der Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland bei 30 DDD. Erhebliche Abweichungen nach oben gibt es primär in den neuen Bundesländern: An der Spitze liegt Sachsen-Anhalt mit 47 DDD, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern mit 45,8 DDD. Am günstigsten liegen die Verbräuche in Baden-Württemberg und Bayern mit 25,4 und 26,5 DDD. Thrombose-Prophylaxe: Seit 2004 steigt der Verbrauch kontinuierlich, von 939 Millionen DDD auf 1,472 Milliarden DDD. Allein im vergangenen Jahr wuchs der Verbrauch um 7,2 Prozent. Noch stärker steigen die Ausgaben: um 15,2 Prozent auf 910,2 Millionen Euro. Auch diese Arzneimittel werden überdurchschnittlich in den neuen Bundesländern verordnet. Die Autoren des Arzneimittel-Atlas erklären dies mit einer dort erhöhten Hypertonie-Prävalenz. Hypertonie: Antihypertonika sind mit 207 DDD pro Kopf die am häufigsten verordneten Arzneimittel, der Verbrauch hat sich seit 1996 mehr als verdoppelt und erreicht inzwischen 14,37 Milliarden Tagesdosen. Der Verbrauchsanstieg hat sich in neuerer Zeit abgeschwächt und betrug im letzten Jahr 2,1 Prozent. Gleichwohl sind die Ausgaben mit minus 9,3 Prozent stark rückläufig und erreichen 2,82 Milliarden Euro. Erklärt wird dies mit der Einführung von Sartan-Generika, generellen Preissenkungen und der Erhöhung des Marktanteils von Analogwirkstoffen wie Ramipril und Amlodipin. ACE-Hemmer haben einen Marktanteil von unverändert etwa 59 Prozent, gefolgt von Sartanen mit 16,5 Prozent (leicht steigend), ACE-Hemmern, kombiniert mit Diuretika (11,9 Prozent, leicht sinkend). Auch in dieser Arzneimittelgruppe sind die neuen Bundesländer beim Verbrauch führend: So ist der Pro-Kopf-Verbrauch mit 301 DDD in Mecklenburg-Vorpommern fast doppelt so hoch wie in Hamburg (165 DDD). Erklärt wird dies primär mit der Altersstruktur in der jeweiligen Region.

Springer Medizin

Arzneimittel-Atlas enthüllt Ost-West-Gefälle

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Weiterführende Themen

Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft