Erschienen in:
14.03.2019 | Tinnitus | Leitthema
„Hidden hearing loss“ – Schäden der Hörverarbeitung auch bei niederschwelliger Lärmbelastung?
verfasst von:
Prof. Dr. G. Hesse, G. Kastellis
Erschienen in:
HNO
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Ausgabe 6/2019
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Zusammenfassung
Hintergrund
Neue Forschungen – im Tierversuch – belegen, dass durch geringere Lärmbelastungen und -pegel bereits Defekte der Synapsen der Hörbahn auftreten können. Zu direkten mechanischen Schädigungen der Haarzellen und damit zu messbaren (Audiogramm; Distorsionsprodukte otoakustischer Emissionen, DPOAE) Schäden des Innenohrs kommt es nur bei sehr hohen Lärmpegeln. Diese Arbeit bietet eine Kasuistik und Literaturübersicht.
Kasuistik
Ein 41-jähriger Patient erlitt bei einem Autounfall mit Auslösen der Airbags ein Lärmtrauma. Es resultierte ein rechtsbetonter Hörverlust mit Tinnitus. Der Hörverlust besserte sich teilweise, Tinnitus und v. a. Schwierigkeiten im Sprachverstehen persistierten. In der Audiometrie bestand initial ein typischer Hochtonhörverlust von 40 dB mit einem tonalen Tinnitus bei 8 kHz. Zwar waren 6 Monate nach dem Unfall DPOAE und BERA-Potenziale („brainstem evoked response audiometry“, Welle III und V) komplett normal, in der Elektrocochleographie ließ sich jedoch kein cochleäres Aktionspotenzial (CAP) nachweisen.
Diskussion
Trotz Erholung des initial bestehenden Hörverlusts mit Haarzellschaden blieb die synaptische Übertragung beeinträchtigt – mit geringem Hörverlust und schlechtem Sprachverstehen in komplexeren Schallsituationen. In der neuen Literatur wird dies als verdeckter Hörverlust („hidden hearing loss“) beschrieben. Während derartige retrocochleäre Schädigungen der Hörbahn im Tierversuch nachgewiesen wurden, fehlen bislang valide Aussagen dazu beim Menschen, auch weil bislang keine adäquate Diagnostik verfügbar ist.
Schlussfolgerung
Ein Lärmtrauma führt initial zu einem Haarzellschaden, nach Erholung können Beschwerden persistieren, die aus Schäden an den Synapsen des 1. Neurons resultieren können. Eine entsprechende Testbatterie muss entwickelt werden.