Kommentar
Folgende Punkte sind aus unserer Sicht bei der Diskussion der Arbeit zu berücksichtigen:
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Die Ergebnisse sind für Patienten mit Hodgkin-Lymphom im fortgeschrittenen Stadium außergewöhnlich positiv und wurden daher kürzlich auf dem Internationalen Hodgkin-Kongress in Köln lebhaft diskutiert.
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Die bis dato innovativste Studie für das fortgeschrittene Stadium des HL der GHSG (HD21) implementierte das Antikörper-drug-Konjugat Brentuximab-Vedotin in die Erstlinientherapie von Patienten mit fortgeschrittenem Hodgkin-Lymphom [
2].
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Wie in der Diskussion der hier besprochenen Publikation angemerkt, sind die beiden Protokolle aufgrund der Patientencharakteristika nicht direkt miteinander zu vergleichen (HD21: Einschluss Ann-Arbor IIB, Ausschluss Patienten > 60 Jahre, keine HIV-positiven Patienten). Wesentlicher Unterschied ist zudem, dass die SWOG-Studie keine Interims-PET zur Therapiesteuerung einsetzt, was Vor- und Nachteil zugleich ist. Einerseits werden so zusätzliche Untersuchungen eingespart, andererseits ist so eine Risikostratifizierung nur eingeschränkt (mit der Abschluss-PET) möglich.
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Eine wesentliche Leistung ist die Harmonisierung pädiatrischer und adulter Behandlungsprotokolle. Dies ist gerade für junge Erwachsene bedeutsam, da die Unterscheidung der Kategorien unter und über 18 Jahre wohl mehr einen justiziablen als krankheitsphysiologisch begründbaren Unterschied darstellt.
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Es wurden lediglich 7 Patienten (3 in N‑AVD, 4 in BV-AVD) bestrahlt, da trotz der klaren Definition der Indikation (s. oben) die lokalen Behandler von einer Radiatio letztlich absehen konnten. Die genauen Gründe hierfür bleiben unklar. Entsprechend ist die Anzahl der Bestrahlungsserien gegenüber der HD21-Studie deutlich reduziert (17 % geplant, 15 % durchgeführt), was aber (s. oben) auf reiner Willkür beruht.
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Die Prognose dieser nichtbestrahlten Patienten wird nicht dezidiert berichtet, sodass die Schlussfolgerung einer „erfolgreichen“ Reduktion der RT-Serien so nicht haltbar ist.
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Vorherige Studien der GHSG zeigten bereits die Synergismen einer Kombination aus Immuntherapie und RT. So demonstrierte die NIVAHL-Studie für Patienten im intermediären Stadium nach sequenzieller bzw. simultaner Chemoimmuntherapie mit N‑AVD (und obligater Involved-site-RT mit 30 Gy!) nach medianer Nachbeobachtung von 41 Monaten ein PFS von 98 bzw. 100 % und Gesamtüberleben von 100 % [
4].
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Auch in der refraktären/rezidivierten Behandlungssituation des Hodgkin-Lymphoms kann eine RT zusätzlich zur Immuntherapie sinnvoll sein, z. B. zur Immunmodulation und Induktion abskopaler Effekte [
5].
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Letztlich ist die mediane Nachbeobachtung von gerade 2,1 Jahren zu kurz zur abschließenden Beurteilung der Therapieregime und weist für diese (meist junge) Patientengruppe noch keine Langzeitperspektive auf.
Fazit
Die Implementierung einer Immuntherapie mit Nivolumab in die Erstlinientherapie des Hodgkin-Lymphoms zeigt vielversprechende Ergebnisse, erfordert jedoch eine weitere Nachbeobachtung. Die Bedeutung der Radiotherapie in Kombination mit modernen zielgerichteten Therapien ist hiermit nicht widerlegt, sondern sollte in den aktuellen, randomisierten Studien dezidiert durch Strahlentherapeuten (!) aufgearbeitet werden.
Michael Oertel und Hans Theodor Eich, Münster
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