Adjuvante Migränemedikation: Bessere Erfolge nach Hörsturz

Werden Hörsturzpatienten zusätzlich zur Standardtherapie mit einer Migräneprophylaxe behandelt, fallen ihre Hörtests einer US-Studie zufolge signifikant besser aus als nach einer reinen Steroidtherapie. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Ein plötzlicher sensorineuraler Hörverlust (SSNHL) tritt meist einseitig auf und überwiegend ohne erkennbare Ursache. Die Behandlung erfolgt in der Regel mit intratympanalen und systemischen Steroiden. Da an der Effektivität dieser Therapie jedoch mehrfach Zweifel laut wurden, sucht man weiter nach wirksamen Behandlungskonzepten. Unter anderem wird vermutet, dass Migränepatienten ein erhöhtes Risiko für einen Hörsturz haben. Diese Hypothese war die Grundlage einer Kohortenstudie mit der Fragestellung, ob mit einem Migränemedikament zusätzlich zur Standardbehandlung bei Hörsturzpatienten bessere Erfolge erzielt werden könnten. In einer retrospektiven Untersuchung haben Mehdi Abouzari von der University of California, Irvine, und Kollegen, die Daten von insgesamt 93 Patienten mit Hörsturz analysiert. Alle Patienten hatten sich in einem Tertiärzentrum für Neurootologie zwischen 2014 und 2019 vorgestellt. 47 Studienteilnehmer der Kontrollgruppe hatten die Standardtherapie erhalten: Prednison oral (1 mg/kg, an sieben Tagen täglich und über sechs Tage ausschleichend) sowie Dexamethason intratympanal (10 mg/ml zweimal pro Woche, insgesamt mindestens zwei Injektionen; so lange, bis keine Verbesserung bei der Audiometrie mehr erkennbar war). 46 Patienten erhielten darüber hinaus eine adjuvante Migräneprophylaxe in Form einer Kombination aus Nortriptylin (25 mg, Eskalation bis auf 75 mg) und Topiramat (25 mg, Eskalation bis auf 150 mg). Zusätzlich wurden die Teilnehmer in dieser Gruppe hinsichtlich ihrer Ernährungsgewohnheiten im Hinblick auf Migränetrigger beraten. Zweimal wöchentlich wurde ein Hörtest durchgeführt. 42% der Patienten der Kontrollgruppe und 37% der Patienten mit zusätzlicher Migränetherapie hatten anamnestisch eine Migräne zu Protokoll gegeben. Frequenzabhängiges Hören signifikant verbessert Nach vier bis sechs Wochen hatten sich in beiden Gruppen der mittlere Luftleitungshörverlust der Frequenzen 500, 1000, 2000 und 4000 Hz (pure tone average, PTA) sowie die Hörschwellen bei 250 und 8000 Hz gegenüber dem Ausgangsniveau signifikant verbessert (Kontrollgruppe: PTA 73 vs. 61 dB; Migränemedikationsgruppe: PTA 74 vs. 55 dB). Ähnliche Verbesserungen waren in beiden Gruppen bei der Worterkennung zu beobachten. Der Vergleich der beiden Gruppen ergab: Gegenüber den jeweiligen Ausgangswerten waren die Erfolge bei den Patienten mit adjuvanter Migränetherapie bei den Hörschwellen in niedrigen Frequenzbereichen wie 250, 500 und 1000 Hz signifikant deutlicher als in der Kontrollgruppe. Die PTA-Differenz zum Ausgangswert war in der Gruppe mit Zusatzmedikation signifikant größer als in der Kontrollgruppe. So wurde bei 78% der Patienten mit adjuvanter Therapie eine Verbesserung des PTA um ≥ 10 dB beobachtet, in der Kontrollgruppe hingegen nur bei 46%. Für eine Steigerung um ≥ 20 dB lagen die entsprechenden Quoten bei 61% vs. 25%. Zudem waren bei den Patienten mit zusätzlicher Migränetherapie weniger intratympanale Injektionen erforderlich (2,4 vs. 3,1 Injektionen in der Kontrollgruppe). Abouzari und Kollegen schließen aus den Studienergebnissen, dass Hörsturzpatienten von einer ergänzenden Therapie mit einer Migräneprophylaxe zusätzlich zu oralen und intratympanale Steroiden sowohl im Hinblick auf die Hörschwellen im Niedrigfrequenzbereich sowie hinsichtlich des PTA profitieren könnten. Zudem habe die Untersuchung gezeigt, dass mit einer Kombinationsbehandlung die Zahl der erforderlichen Steroidinjektionen und die damit einhergehenden Risiken und Komplikationen verringert werden könnten. Möglicherweise, so Abouzari und Kollegen, liege der Migräne und dem Hörsturz eine ähnliche vaskuläre Ätiologie zugrunde. Die 2019 abgelaufene deutsche Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie empfiehlt „als primäre Behandlung des akuten idiopathischen sensorineuralen Hörverlustes nach Abwägung der Nebenwirkungen eine systemische, hochdosierte Glukokortikoidtherapie. Um systemische Nebenwirkungen zu vermeiden, kann diese nach Absprache mit dem Patienten alternativ auch primär als intratympanale Behandlung erfolgen. Bei ungenügendem Erfolg der systemischen Erstbehandlung wird empfohlen, den Patienten eine intratympanale Glukokortikoid-Therapie anzubieten.“ Das Wichtigste in Kürze Frage: Verbessert eine adjuvante Migränemedikation zusätzlich zur oralen und intratympanalen Steroidtherapie das Ergebnis bei Patienten mit Hörsturz? Antwort: In der Gruppe mit zusätzlicher Migränemedikation waren signifikante Verbesserungen der Hörschwelle im niedrigen Frequenzbereich sowie beim PTA erkennbar. Zudem konnte die Zahl der intratympanalen Steroidinjektionen verringert werden. Bedeutung: Die Studienergebnisse könnten Anlass für eine randomisierte klinische Studie geben, um den möglichen Effekt einer zusätzlichen Migränetherapie weiter zu untersuchen. Einschränkung: Retrospektiver Studiencharakter. Empfehlung der Redaktion Hörsturz – Themenseite Der Hörsturz ist eine ohne erkennbare Ursache plötzlich auftretende einseitige Schallempfindungsstörung – bis hin zum Hörverlust. Auf dieser Seite finden Sie alles rund um die ernstzunehmende Erkrankung.

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