Das Internationale Komitee für die Klassifikation von Hornhautdystrophien („International Committee on Classification of Corneal Dystrophies“ [IC3D]) wurde im Jahr 2005 gegründet, um Schwierigkeiten zu beseitigen, die sich aus der veralteten Nomenklatur für Hornhautdystrophien (HD) ergaben, und um Fehleinschätzungen in der Literatur zu korrigieren. Für jede der 22 HD wurde eine eigene Vorlage (sog. „Template“) erstellt, die den aktuellen klinischen, pathologischen und genetischen Wissensstand über die Erkrankung widerspiegelt. Darüber hinaus enthält jedes „Template“ repräsentative klinische Fotografien sowie licht- und elektronenmikroskopische Bilder und, falls vorhanden, konfokalmikroskopische und kohärenztomographische Aufnahmen der jeweiligen HD. Nach Veröffentlichung der ersten Ausgabe im Jahr 2008 folgte 2015 die überarbeitete Version. Die dritte Ausgabe der IC3D wurde im Februar 2024 veröffentlicht und ist frei zugänglich. Die neueste Auflage soll als Nachschlagewerk im klinischen Alltag dienen und die Diagnose von HD erleichtern. Dieser Artikel bietet einen Überblick über die Diagnose- und Behandlungsprinzipien der HD und stellt die IC3D und deren Veränderungen im Laufe der Zeit vor.
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Der Begriff Dystrophie entstammt dem Griechischen (dys = schwierig; trophein = ernähren) und wurde durch Wilhelm Erb (1840–1921) 1884 erstmalig zur Beschreibung einer Muskelerkrankung eingeführt [10]. Im Jahr 1890 beschrieb Arthur Groenouw (1862–1945) 2 Patienten mit „Noduli corneae“, die nach heutigem Kenntnisstand als granuläre oder makuläre Hornhautdystrophie (HD) einzuordnen sind [15]. Zeitgleich veröffentlichte Hugo Biber seine Dissertation „oberflächliche gittrige Keratitis“, die heute als gittrige HD bezeichnet wird [4]. Im Jahr 1904 berichtete Oskar Fehr über 3 Geschwister mit einer „familiären fleckigen Hornhautdegeneration“, deren Bezeichnung heute als makuläre HD bekannt ist. Zudem war Fehr der Erste, der darauf hinwies, dass sich das klinische Bild der makulären HD von der granulären und gittrigen HD unterschied [11].
Ernst Fuchs (1851–1930) stellte im Jahr 1910 13 Patienten mit einer uni- oder bilateralen progressiven Trübung der zentralen Hornhaut vor, die mit Epithelödem und Keratopathia bullosa einhergingen [12]. Da Fuchs zu dieser Zeit lediglich ein Lupenglas zur Beurteilung der Hornhaut verwendete, bezeichnete er die Krankheit als „Dystrophia epithelialis corneae“ [12]. Erst 1916 gelang es Koeppe mithilfe der Spaltlampenbiomikroskopie die endothelialen Dellen zu beschreiben [22], die Vogt 5 Jahre später als Cornea guttata bezeichnete [39]. Die Einführung der Spaltlampenbiomikroskopie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ermöglichte somit eine präzise Untersuchungsmethode zur Identifizierung und Klassifizierung verschiedener HD auf Grundlage ihres spezifischen Phänotyps. Uhthoff [38] und später Yoshida [48] verwendeten den Begriff der HD in ihren Veröffentlichungen weiter.
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Mit der Etablierung der genetischen Kopplungsanalyse Ende des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts wurde die Identifizierung der assoziierten Genorte und schließlich die Lokalisierung der ursächlichen Gene und pathogenen Varianten ermöglicht [47].
Bei den HD (Tab. 1) handelt es sich definitionsgemäß um lokalisierte korneale Trübungen, die durch folgende Eigenschaften gekennzeichnet sind:
Heredität oder Familiarität,
Manifestation im 1. oder 2. Lebensjahrzehnt,
meistens intrafamiliäre Konstanz von Veränderungen und Verlauf,
typische Morphologie und Lokalisation innerhalb der Hornhaut,
meistens beidseitiges und häufig symmetrisches Auftreten,
langsam progredienter Verlauf ohne Zeichen einer Vaskularisation,
keine entzündlichen Zeichen,
keine exogenen Ursachen.
Tab. 1
Einteilung der Hornhautdystrophien (3. Ausgabe der IC3D-Klassifikation)
Gruppe der Hornhautdystrophien (HD)
Name der HD
IC3D-Abkürzung
Epitheliale und subepitheliale HD
Epitheliale Basalmembran-HD
EBMD
Epitheliale rezidivierende Erosionsdystrophien:
– Epitheliale rezidivierende Erosionsdystrophie
– Franceschetti-HD
– Dystrophia Smolandiensis
– Dystrophia Helsinglandica
EREDs
ERED
FRCD
DS
DH
Subepitheliale muzinöse HD
SMCD
Meesmann-HD
MECD
Lisch-epitheliale HD
LECD
Gelatinöse tropfenförmige HD
GDLD
Epithelial-stromale TGFBI-HD
Reis-Bücklers-HD
RBCD
Thiel-Behnke-HD
TBCD
Gittrige HD:
– Klassische gittrige HD
– Varianten der gittrigen HD
LCD
Granuläre HD Typ 1
GCD1
Granuläre HD Typ 2
GCD2
Stromale HD
Makuläre HD
MCD
Schnyder-HD
SCD
Kongenitale stromale HD
CSCD
Fleckchen HD
FCD
Posteriore amorphe HD
PACD
Zentral-wolkenförmige HD (François)
CCDF
Prä-Descemet-HDs:
– Prä-Descemet-HD (Cornea farinata)
– Punktförmige und polychromatische Prä-Descemet-HD
PDCDs
PDCD
PPPCD
Endotheliale HD
Fuchs-endotheliale HD
FECD
Hintere polymorphe HD
PPCD
Kongenitale hereditäre endotheliale HD
CHED
X‑chromosomale endotheliale HD
XECD
Entfernte HD
Grayson-Wilbrandt-HD
GWCD
Die genannten Merkmale treffen zwar auf die meisten HD zu, aber dennoch sind Ausnahmen möglich. Die hintere polymorphe HD kann beispielsweise nur mit einseitigen Veränderungen auftreten. Ebenso konnte bei den meisten Patienten mit epithelialer Basalmembran-HD (sog. Map-Dot-Fingerprint-HD) oder zentral-wolkenförmiger HD (François) kein erbliches Muster aufgezeigt werden, weshalb sie vermutlich eher ein degeneratives Krankheitsbild darstellen.
Aktuell werden HD in folgende 5 Gruppen unterteilt: 1. epitheliale und subepitheliale HD (Abb. 1 und 2), 2. epithelial-stromale TGFBI-HD (Abb. 3 und 4), 3. stromale HD (Abb. 5 und 6), 4. endotheliale HD (Abb. 7) und 5. entfernte HD.
Abb. 1
Ausgewählte epitheliale und subepitheliale Hornhautdystrophien (HD). a–d Map-Dot-Fingerprint-HD: gekennzeichnet durch landkartenartige Veränderungen (a), Cogan-Dots (runde, ovale oder kommaförmige graue intraepitheliale Trübungen), b oder Fingerabdruck-ähnliche Linien („fingerprints“, c breiter Spalt, d Retroillumination), e, f Meesmann-HD: multiple, intraepitheliale Zysten, die bis zum Limbus reichen können. Bei direkter Beleuchtung (e) zeigen sich diffuse graue Trübungen in verschiedenen Mustern, die einen wirbelartigen Verlauf annehmen können. Die grauen Trübungen erscheinen bei indirekter Beleuchtung (f) als einzelne winzige transparente Epithelzysten. g, h Gelatinöse tropfenförmige HD: Rezidiv auf dem Transplantat mit gruppierten kleinen, maulbeerartigen Knötchen (g Übersicht, h dünner Spalt)
Abb. 2
Lisch-epitheliale Hornhautdystrophie. a Es zeigen sich diffuse, graue Trübungen (direkte Beleuchtung). b Bei indirekter Beleuchtung lassen sich eng zusammengeballte klare Mikrozysten darstellen
Abb. 3
Granuläre Hornhautdystrophie (HD). a Granuläre HD Typ 1: Im fortgeschrittenen Stadium zeigen sich gut abgegrenzte granuläre Schneeflocken-artige Ablagerungen, die durch klare Stromaanteile getrennt sind. Im Verlauf können die granulären Ablagerungen an Anzahl und Größe zunehmen und konfluieren. Die Trübungen können das periphere Stroma miteinbeziehen, reichen aber nicht bis zum Limbus. Im späteren Leben erstrecken sich die granulären Veränderungen bis in das tiefe Stroma. b–d Granuläre HD Typ 2: Erste Anzeichen sind meist subtile und oberflächliche, stromale kleine weißliche Ablagerungen, aus denen sich typischerweise kleine „Sterne und Ringe“ mit Perlenketten-artiger Anordnung entwickeln (b). Später zeigen sich oberflächliche weißliche runde Flecken, die ringförmig erscheinen (c heterozygote Mutation). In schweren Fällen ist die Hornhaut durch dichte Ablagerungen getrübt (d homozygote Mutation)
Abb. 4
Verschiedene klinische Präsentationsformen der gittrigen Hornhautdystrophie (HD). Die gittrige HD umfasst sowohl die klassische Form als auch die Varianten, wobei das klinische Bild sehr heterogen sein kann. Mithilfe der Genotypisierung kann die jeweilige Mutation bestimmt und die gittrige HD entsprechend klassifiziert werden. a, b In milden Formen können sich diskrete Gitterlinien zeigen, die am besten mittels Retroillumination zu erkennen sind (a Übersicht, b Retroillumination). c–d Die Gitterlinien können sich verzweigen und sowohl eine dünnere (c) als auch dickere Struktur (d) annehmen
Abb. 5
Schnyder-Hornhautdystrophie (HD). a, b Übersichtsaufnahmen des rechten (a) und linken (b) Auges eines 8‑jährigen Kindes mit Schnyder-HD. Klinisch zeigt sich ein zentral gelegener Ring mit feinen kristallinen Ablagerungen an beiden Augen, der Arcus lipoides fehlt, c, d Vollbild der Schnyder-HD mit dichtem Arcus lipoides und einer mittelperipheren sowie zentralen ringförmigen Hornhauttrübung, die mit (c Kristalle vom Zentrum bis zur mittleren Peripherie) oder ohne (d) subepitheliale kristalline Ablagerungen auftreten kann. Bei der Schnyder-HD weisen lediglich 50 % der Patienten kristalline Ablagerungen auf
Abb. 6
Stromale Hornhautdystrophien (HD). a–c Makuläre HD: gekennzeichnet durch eine frühe diffuse Stromatrübung („Haze“), gefolgt von einer Ansammlung unregelmäßiger weißlicher, fleckförmiger Ablagerungen im gesamten Hornhautstroma (a Übersicht). Im Gegensatz zur granulären HD gibt es keine dazwischenliegenden Bereiche mit klarer Hornhaut. Die Veränderungen erstrecken sich von Limbus zu Limbus. Typischerweise zeigt sich eine stromale Verdünnung (b dünner Spalt). In fortgeschrittenen Fällen (c Übersicht) breiten sich die fleckförmigen Trübungen bis zum Limbus aus und können im Zentrum konfluieren. d Kongenitale stromale HD: diffuse, Schneeflocken-artige stromale Hornhauttrübungen
Abb. 7
Endotheliale Hornhautdystrophien (HD). a, b Fuchs-endotheliale HD: Es zeigt sich eine zentral betonte Cornea guttata („gehämmertes Kupfer“) (a Übersicht, b Retroillumination). c, d Hintere polymorphe HD: bläschenartige Veränderungen der Hornhautrückfläche (c Übersicht, d Retroillumination). e, f Kongenitale hereditäre endotheliale HD: diffuse, endotheliale Hornhautdekompensation mit milchglasartiger Trübung (e Übersicht, f Spalt)
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Empfehlungen zur Diagnosestellung einer Hornhautdystrophie
Anamnese und klinische Untersuchung
Die Diagnosestellung einer HD kann in manchen Fällen erschwert sein und benötigt neben einer ausführlichen Anamnese (insbesondere systemische Erkrankungen, Familienanamnese, Symptome), eine gezielte spaltlampenbiomikroskopische Untersuchung, die wesentlich zur Klassifizierung der Erkrankung beitragen kann. Um bereits diskrete HD zu erfassen, ist die klinische Beurteilung der Hornhaut möglichst in medikamentöser Mydriasis durchzuführen. Die Untersuchung erfolgt in der Regel bei direkter und indirekter Beleuchtung (immer auch Retroillumination!) im Seitenvergleich beider Augen. Hierbei sind die horizontale (breiter Spalt) wie auch die sagittale Ausdehnung (dünner, sehr heller Spalt), das korneale Trübungsmuster (lokalisiert, multifokal, diffus) und die Trübungseinheit mit Beschreibung der „Hornhaut dazwischen“ in der klinischen Beurteilung miteinzubeziehen. Insgesamt ergibt sich ein klinischer Schlüsselbefund, der für jede HD unterschiedlich sein kann und somit ein wichtiges differenzialdiagnostisches Charakteristikum darstellt [36]. Ebenfalls ist eine Untersuchung des vorderen Kammerwinkels, der Linse und des hinteren Augenabschnitts für differenzialdiagnostische Überlegungen unerlässlich. Die klinische Untersuchung sollte mit Funktionsdiagnostik des vorderen (optische Kohärenztomographie – VA-OCT, Endothelzellmikroskopie, In-vivo-Konfokalmikroskopie) [3] und des hinteren Augenabschnitts ergänzt werden.
Die Diagnose von HD bei pädiatrischen Patienten bleibt weiterhin eine Herausforderung. Dies liegt v. a. daran, dass die meisten Veröffentlichungen Fotografien von HD mit dem klassischen Vollbild im Erwachsenenalter enthalten. Es gibt eine relativ geringe Anzahl von gut dokumentierten Frühbefunden, die oftmals nur sehr subtile Veränderungen der Hornhaut im Kindesalter zeigen. Frühe Befunde unterscheiden sich manchmal stark von den klassischen Manifestationen der HD im Erwachsenenalter. Kinder mit HD kommen oft nicht wegen einer Sehstörung zum Augenarzt, sondern wegen Augenschmerzen, die durch Dystrophie-bedingte Hornhauterosionen verursacht werden. Die Familienuntersuchung wie auch eine genetische Untersuchung sind in solchen Fällen zur Diagnosestellung oft von entscheidender Bedeutung.
Genetische Untersuchung
Durch die Einführung und Entwicklung genotypischer Analysen (z. B. Blutentnahme oder Mundschleimhautabstrich mit anschließender DNA-Extraktion) hat sich das Wissen über die HD stetig erweitert, sodass auch Ungenauigkeiten in der Nomenklatur geklärt werden konnten. Obwohl die Anamnese und die klinische Untersuchung in der Regel die Hauptstützen der Diagnosestellung darstellen, führt lediglich eine genetische Untersuchung zur endgültigen Bestätigung [47]. Grundsätzlich ist eine Empfehlung zur genetischen Beratung sinnvoll, da auch weitere Familienmitglieder des Patienten betroffen sein könnten. Die genetische Charakterisierung der HD ergab sowohl genetische Heterogenität, d. h. verschiedene Gene (z. B. KRT3 und KRT12) verursachen einen einzigen Dystrophiephänotyp (Meesmann-HD) [19], als auch phänotypische Heterogenität mit einem einzigen Gen (z. B. TGFBI), das verschiedene allelische Dystrophiephänotypen (Reis-Bücklers-HD, Thiel-Behnke-HD, granuläre HD Typ 1, granuläre HD Typ 2 und gittrige HD) bedingt.
Humangenetische Untersuchungen gehören mittlerweile zur Routinediagnostik, wenn sie bei Patienten mit einer klinisch manifesten Erkrankung durchgeführt werden. Sie sind Leistungen der Krankenkassen und können von jedem Arzt (auch von den behandelnden Augenärzten) angeordnet werden [32].
Differenzialdiagnosen – nicht jede „Hornhauttrübung“ ist eine Dystrophie
Hereditäre Hornhauterkrankungen können ein auf die Hornhaut beschränktes Phänomen sein oder mit Anomalien in anderen Teilen des Auges (Untersuchung des gesamten Auges!) oder des Körpers (Symptome oder Anzeichen für Systemerkrankungen?) einhergehen. In jedem Fall sind erbliche Stoffwechselerkrankungen mit Hornhautmanifestation von den HD abzugrenzen [35]. Der Augenarzt kann durch atypische Hornhautbefunde maßgeblich bei der Diagnosestellung einer systemischen Erkrankung beitragen. Dies zeigt sich beispielsweise in einer Cornea verticillata bei Morbus Fabry, einem peripheren bräunlichen Hornhautband bei Morbus Wilson, punktförmigen Hornhautkristallen bei Zystinose, nichtkristalline Trübungen und einem peripheren Trübungsring bei Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase(LCAT)-Mangel oder diffusen Hornhauttrübungen bei den verschiedenen Formen der Mukopolysaccharidose (Abb. 8). Die rechtzeitige Diagnose von systemischen Erkrankungen ist wichtig, da sie das therapeutische Spektrum erweitert, z. B. um eine Enzymersatztherapie bei Mukopolysaccharidosen [47].
Abb. 8
Verschiedene Systemerkrankungen mit Hornhautmanifestation. a–d Familiäre Amyloidose (Meretoja-Syndrom): Die Hornhautbefunde ähneln der gittrigen Hornhautdystrophie, jedoch sind die Gitterlinien spärlicher und primär in der Peripherie lokalisiert. Abgebildet sind die klinischen Befunde eines 73-jährigen Patienten (a, b), seines 79-jährigen Bruders (c) und des 55-jährigen Sohnes von c (d). Betroffene können Hornhauterosionen und eine neurotrophe Keratopathie entwickeln. Kennzeichnend ist auch ein schlaffes, maskenhaftes Gesicht (Cutis laxa). e, f Mukopolysaccharidose Typ VI (Maroteaux-Lamy): diffuse nichtkristalline Hornhauttrübungen (e Übersicht, f Vergrößerung). g, h Lecithin-Cholesterin-Acyltransferase(LCAT)-Mangel: fortgeschrittene diffuse Hornhauttrübung mit einem dichten Trübungsring, der in die Sklera übergeht (g Übersicht, h dünner Spalt). i Zystinose: kristalline (Zystinkristalle) und bandförmige Keratopathie
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Die familiäre Amyloidose (sog. Meretoja-Syndrom oder hereditäre Gelsolin-Amyloidose) ist eine Systemerkrankung, die durch pathogene Varianten des Gelsolin-Gens verursacht wird [6]. Betroffene weisen eine Neuropathie der Gesichtsnerven sowie ein schlaffes, maskenhaftes Gesicht (sog. Cutis laxa) auf. Die Hornhautbefunde bei der familiären Amyloidose ähneln denen der gittrigen HD, allerdings sind die Gitterlinien weniger zahlreich, beginnen peripher und breiten sich zentral aus (Abb. 8). Deshalb wird dieses Krankheitsbild nicht mehr als gittrige HD Typ 2 bezeichnet [44]. Im fortgeschrittenen Stadium kann es zu Hornhauterosionen und einer neurotrophen Keratopathie kommen, weshalb die Keratoplastik im Gegensatz zur gittrigen HD mit einer hohen Rate an Transplantatversagen einhergeht [29]. Die korrekte Differenzierung klinisch ähnlicher Befunde ist daher auch von prognostischer Bedeutung.
Therapie der HD
Im folgenden Abschnitt werden die Grundprinzipien der konservativen und operativen Therapie der HD erläutert (Abb. 9). Eine ausführliche Darstellung der therapeutischen Möglichkeiten für einzelne HD ist in Tabellenform in der aktualisierten Ausgabe der IC3D von 2024 detailliert enthalten [46].
Abb. 9
Operative Therapiemöglichkeiten der Hornhautdystrophien (HD). a–f Oberflächliche Ablagerungen lassen sich gut mittels einer Excimerlaser-assistierten phototherapeutischen Keratektomie (Excimer-PTK) abtragen. Exemplarisch dargestellt sind prä- und postoperative Befunde bei Thiel-Behnke-HD (a, b), Schnyder-HD (c, d) und granulärer HD Typ 2 (homozygote Mutation [e, f]). Bei Beteiligung des mittleren und tiefen Stromas ist eine vollständige Entfernung der Ablagerungen nicht möglich. Eine Excimer-PTK kann jedoch zur visuellen und symptomatischen Verbesserung beitragen und eine Keratoplastik hinauszögern. g, h Eine oberflächliche anteriore lamelläre Keratoplastik bei granulärer HD ist mit einem Risiko von hyalinen Ablagerungen im Interfacebereich verbunden. Die Methode der Wahl bei dieser HD ist eine tiefe anteriore lamelläre (DALK) oder eine perforierende Keratoplastik (PKP) (g klinischer Befund, h optische Kohärenztomographie mit dichten Ablagerungen im Interfacebereich). i, j Das Rezidivrisiko nach Keratoplastik ist abhängig von der zugrunde liegenden HD. Während bei der granulären HD (i) frühe Rezidive häufig auftreten, kommt es bei der makulären HD (j) zu keinen klinisch relevanten Rezidiven. k, l Fortgeschrittene hintere polymorphe HD mit warzenartigen Veränderungen der Hornhautrückfläche. Dargestellt ist der präoperative (k) sowie der postoperative (l) Befund nach „Descemet membrane endothelial keratoplasty“ (DMEK)
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Im Allgemeinen ist die konservative oder operative Behandlung der HD bei symptomatischen und/oder funktionellen Beschwerden angezeigt. HD, die den epithelialen/subepithelialen Bereich oder das vordere Hornhautstroma betreffen, können neben Fremdkörpergefühl oder Schmerzen (z. B. rezidivierende Hornhauterosionen, Sicca-Symptomatik) auch zu einer irregulären Hornhautoberfläche mit Verringerung der Sehschärfe und Sehqualität führen. Einige HD verlaufen jedoch meist asymptomatisch und bedürfen keiner Behandlung. Die konservative Therapie der HD umfasst hauptsächlich die Applikation von Tränenersatzmitteln und in schweren Fällen das Einsetzen einer therapeutischen Verbandskontaktlinse. Die Wahl des operativen Verfahrens richtet sich nach dem Beschwerdebild, dem klinischen Befund und der Bewertung der gerätegestützten Diagnostik. Außerdem sollte der Patient eine realistische Erwartungshaltung aufweisen und über mögliche Komplikationen (Resttrübungen, Rezidive) aufgeklärt sein. Das postoperative Rezidivrisiko ist abhängig von der zugrunde liegenden HD und sollte im Vorfeld mit dem Patienten ausführlich besprochen werden, um Vor- und Nachteile verschiedener infrage kommender Verfahren aufzuzeigen.
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Die Excimerlaser-assistierte phototherapeutische Keratektomie (Excimer-PTK) weist eine vielversprechende Prognose bei prominenten, flächigen Läsionen und oberflächlichen Hornhautveränderungen auf. Dagegen zeigen lokalisierte Läsionen mit stromaler Verdünnung oder tieferer Manifestation eine ungünstige Prognose [17]. Oberflächliche HD wie die epitheliale Basalmembran-HD oder die granuläre HD Typ 2 (Typ 1 typischerweise tiefere Manifestation) lassen sich sehr gut mittels Excimer-PTK behandeln. Bei der Schnyder-HD weisen 50 % aller Betroffenen kristalline Einlagerungen auf, die immer subepithelial lokalisiert sind und auch das optische Zentrum betreffen können. Diese oberflächlich gelegenen kristallinen Einlagerungen sind gut mit einer Excimer-PTK therapierbar, wobei die diffusen Trübungen bei der Schnyder-HD das gesamte Hornhautstroma betreffen und somit nicht komplett durch eine Excimer-PTK entfernt werden können (Abb. 9a–f). Auch die Amyloideinlagerungen bei gittriger HD, die typischerweise im tiefen Stroma liegen, sind schlecht mit dem Excimerlaser zugänglich [3]. Die makuläre HD weist saure Mukopolysaccharide auf, die alle Strukturen von Epithel bis Endothel (auch Entwicklung einer endothelialen Dekompensation möglich!) betreffen können und sich von Limbus zu Limbus erstrecken. Da die oberflächlichen Ablagerungen bei makulärer HD zu einer irregulären Topographie führen können (sog. „Pseudokeratokonus“-Profil) kann eine Excimer-PTK zur Oberflächenregularisierung beitragen, auch wenn tiefe Ablagerungen verbleiben (cave: Hornhäute bei makulärer HD sind typischerweise verdünnt) [9]. Die Bestimmung der Ablationstiefe sollte mit dem VA-OCT erfolgen, da Scheimpflug-basierte Systeme bei getrübten Hornhäuten keine verlässlichen Dickenmessungen liefern (cave: stärkere Hyperopisierung bei zunehmender Ablationstiefe) [14]. Um das Risiko einer stromalen Vernarbung (große Ablationstiefe, Re-Excimer-PTKs, Excimer-PTK nach Keratoplastik) zu vermeiden, kann intraoperativ Mitomycin C (MMC) 0,02 % für 60–90 s eingesetzt werden. Möglicherweise kann der Einsatz von MMC auch Rezidive nach chirurgischen Eingriffen hinauszögern, allerdings ist sich die Literatur in diesem Punkt uneinig [2, 16, 21, 30].
Die perforierende Keratoplastik (PKP) oder die tiefe anteriore lamelläre Keratoplastik (DALK) können bei diffuser oder tiefstromaler Beteiligung angezeigt sein. Die Präparation des Empfängerbetts bei anterioren lamellären Keratoplastiken sollte stets bis zur „kristallklaren“ Descemet-Membran erfolgen („richtige DALK“) [7], da verbleibendes Reststroma des Empfängers (v. a. bei oberflächlicher ALK) zu dichten Trübungen im Interfacebereich führen kann (Abb. 9g, h). Für jede HD ist hierbei das individuelle Rezidivrisiko in der Entscheidungsfindung miteinzubeziehen. Während die makuläre HD nach PKP selten Rezidive verursacht [1], sind die granuläre HD Typ 2 (im Gegensatz zu Typ 1) und die gittrige HD durch einen postoperativen Verlauf mit frühen Rezidiven charakterisiert (Abb. 9i, j; [28, 46]). Da das Epithel auch bei Rezidiven (z. B. epithelial-stromale TGFBI-HD) eine wesentliche Rolle spielt, können alternative Therapieverfahren wie die Limbokeratoplastik durch die Transplantation gesunder Limbusstammzellen das Wiederauftreten verzögern oder abschwächen [23].
Im Gegensatz zur PKP kommt es bei der DALK zwar zu keiner endothelialen Immunreaktion, jedoch können, selbst bei sehr tiefer Präparation des Empfängerbetts, Rezidive im Interfacebereich entstehen und das Sehen beeinträchtigen [33].
Zudem können postoperativ Epithelheilungsstörungen (besonders bei der gittrigen HD) auftreten, weshalb nach operativen Eingriffen eine anschließende Therapie mit autologen Serumaugentropfen zu erwägen ist [8]. Bei endothelialen HD ist eine „Descemet membrane endothelial keratoplasty“ (DMEK) die Methode der Wahl (Abb. 9k, l).
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In der Zukunft könnte die personalisierte Medizin (Gentherapie) eine größere Rolle spielen [47]. Für die Anwendung der Gentherapie der HD müssen jedoch noch einige Hindernisse überwunden werden, wie z. B. eine effiziente und anhaltende therapeutische Genexpression in den Zielzellen, eine geringe Toxizität und ein hohes Sicherheitsprofil, was, abgesehen von den hohen Kosten, in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist.
Dennoch hat man mit den heutigen Therapiemöglichkeiten in den meisten Fällen exzellente Aussichten auf ein zufriedenstellendes Ergebnis.
Das „International Committee on Classification of Corneal Dystrophies“ (IC3D) – erste Ausgabe (2008)
Das Internationale Komitee für die Klassifikation von HD („International Committee on Classification of Corneal Dystrophies“ [IC3D]) wurde 2005 in Chicago gegründet, um die Schwierigkeiten zu beseitigen, die sich aus der veralteten Nomenklatur für HD ergaben, und um Fehleinschätzungen in der Literatur zu korrigieren.
Bücklers veröffentlichte 1938 die erste Klassifikation der HD, als er die Unterschiede zwischen granulärer, gittriger und makulärer HD anhand des Vererbungsmusters und der jeweiligen Hornhautveränderungen ausführlich beschrieb [5]. Obwohl HD nach Genetik, Histopathologie, Schweregrad oder biochemischen Eigenschaften klassifiziert werden können, basierte das damalige und bis dahin am häufigsten verwendete Klassifizierungssystem lediglich auf der Anatomie. Zwar sollte ein neues Klassifikationssystem einige Aspekte der traditionellen Nomenklatur für HD beibehalten, gleichzeitig aber auch neue genetische, klinische und pathologische Informationen einbeziehen.
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Die erste Ausgabe der IC3D erschien in englischer Sprache im Jahr 2008 [45] mit einer deutschen Übersetzung 2011 [40] und unterteilte in epitheliale und subepitheliale HD, HD der Bowman-Lamelle, stromale HD und HD, die die Descemet-Membran und das Endothel betreffen. Dabei wurde jeder HD eine eigene Vorlage (sog. „template“) zugeordnet, die den aktuellen klinischen, pathologischen und genetischen Wissensstand über die Krankheit mit repräsentativen klinischen Bildern enthielt. Die verschiedenen HD wurden entsprechend den klinischen und molekulargenetischen Erkenntnissen in 4 Kategorien eingeteilt (Tab. 2). Das Vorhandensein einer neuen HD beginnt somit mit der Identifizierung eines klinischen Phänotyps und endet mit der Charakterisierung der ursächlichen Genmutation. Es ist nicht auszuschließen, dass mit zunehmendem Wissen über eine HD ihre Kategorie im Laufe der Zeit von 4 über 3 zu 2 und schließlich zu 1 wechselt. Vermutete HD, die mangels weiterer Informationen dauerhaft in Kategorie 4 verbleiben, sollten möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt aus der Klassifikation entfernt werden und weiterführend als „Degeneration“ klassifiziert werden.
Tab. 2
IC3D-Kategorien der Hornhautdystrophien
Kategorie
Beschreibung
1
Gut definierte Krankheitsentität mit bekanntem Gen
2
Gut definierte Krankheitsentität mit unbekanntem Gen, aber bekanntem Genort
3
Gut definierte Krankheitsentität mit unbekanntem Genort
4
Schlecht definierte Krankheitsentität mit unbekanntem Genort
Darüber hinaus sollte die neue Klassifikation auch Missverständnissen vorbeugen, indem jedes „Template“ von allen IC3D-Mitgliedern geprüft wurde, insbesondere von denjenigen, die Erfahrung mit einer bestimmten HD hatten. Dieser Ansatz bot auch die Möglichkeit, Fehler in der Literatur zu korrigieren, die sich meist seit der Erstbeschreibung verfestigt haben. Beispielsweise ist das Vorhandensein von Hornhautkristallen kein obligates Kriterium für die Diagnosestellung der Schnyder-HD (Abb. 5), da nur 50 % aller Patienten solche kristallinen Ablagerungen überhaupt aufweisen [41‐43]. Daher ist die Verwendung der früheren Bezeichnung Schnyder-„kristalline“ HD angesichts einer möglicherweise verzögerten Diagnosestellung bei fehlenden Hornhautkristallen nicht angemessen.
IC3D – Zweite Ausgabe (2015)
Die zweite Ausgabe der IC3D [44] wurde 2015 veröffentlicht und führte die epithelial-stromalen TGFBI(„transforming growth factor beta induced“)-HD als neue anatomische Kategorie in der Klassifikation der HD ein. Bereits in den Jahren 1994 und 1997 wurden für mehrere anteriore HD-Mutationen im TGFBI-Gen auf Chromosom 5q31 festgestellt [31, 37].
Die Reis-Bücklers-HD und die Thiel-Behnke-HD wurden in der ersten Ausgabe [45] noch den Bowman-Lamellen-HD zugeordnet, jedoch beeinträchtigen beide HD den subepithelialen Bereich und gehen mit einer Zerstörung der Bowman-Lamelle und des anterioren Stromas (in späteren Krankheitsstadien auch des tieferen Stromas) einher. Das TGFBI-Gen wird hauptsächlich von Epithelzellen, aber auch von Keratozyten exprimiert, nicht aber von der Bowman-Lamelle. TGFBI-HD betreffen stets mehrere Schichten der Hornhaut. Infolgedessen wurden diese beiden ehemaligen „Bowman-Lamellen-HD“ in die zutreffendere Kategorie der epithelial-stromalen TGFBI-HD integriert.
Somit wurde die Nomenklatur erstmals durch die Genetik bestimmt, sodass alle HD, von denen bekannt ist, dass sie auf eine Mutation des TGFBI-Gens zurückzuführen sind, in einer Kategorie zusammengefasst wurden, anstatt wie bisher entweder in Bowman-Lamellen- oder stromale HD unterteilt zu werden. Die neue Kategorie der epithelial-stromalen TGFBI-HD erleichterte die Erklärung, weshalb HD dieser Gruppe einige Überschneidungen bei den Symptomen, klinischen Zeichen und histopathologischen Veränderungen aufweisen.
In der ersten Ausgabe enthielt die Kategorie der Bowman-Lamellen-HD neben der Reis-Bücklers-HD und der Thiel-Behnke-HD auch die Grayson-Wilbrandt-HD. Diese HD wurde 1966 in nur einer Veröffentlichung beschrieben, unterstützt durch eine Zeichnung der Veränderungen [13]. Es existierten weder klinische Fotografien noch eine Genotypisierung, und in den folgenden 5 Jahrzehnten erschienen keine weiteren Artikel zu dieser HD, weshalb sie in der zweiten Ausgabe entfernt wurde. Darüber hinaus könnte die Grayson-Wilbrandt HD eine Fehlbezeichnung sein, da sie der phänotypischen Beschreibung der Thiel-Behnke-HD zu entsprechen scheint [27].
Ebenso stellte die Thiel-Behnke-HD mit einer Mutation auf Chromosom 10q23-24 eine Fehlbezeichnung dar, die ursprünglich als phänotypische Variante der 5q31-Mutation klassifiziert wurde [25, 36]. Genotypisch handelte es sich jedoch um eine c.3156C > T-Variante im COL17A1-Gen auf Chromosom 10, wodurch gezeigt wurde, dass es sich bei der „10q23-24 Thiel-Behnke-HD“ um eine epitheliale rezidivierende Erosionsdystrophie (ERED) handelte, weshalb sie aus der Klassifizierung entfernt wurde [24, 27].
Diese Umstrukturierung führte auch dazu, dass in der zweiten Ausgabe die azelluläre Bowman-Lamelle (wie im Übrigen auch die azelluläre Descemet-Membran) als Gruppe nicht mehr namentlich erwähnt wird.
Auch die Nomenklatur der kongenitalen hereditären endothelialen HD (CHED) wurde in der zweiten Ausgabe korrigiert, da sich herausstellte, dass viele und möglicherweise alle der 5 Familien, die zuvor als autosomal-dominante CHED (ehemals CHED1) beschrieben worden waren, höchstwahrscheinlich an einer hinteren polymorphen HD litten [36]. Folglich wurde CHED1 aus der Nomenklatur entfernt und die autosomal-rezessive CHED (ehemals CHED2) in CHED umbenannt.
Das Meretoja-Syndrom (ehemals gittrige HD Typ 2) stellt eine generalisierte Amyloidose mit autosomal-dominantem Erbgang (Genlocus: 9q32–34 auf dem Gelsolin-Gen) dar [6]. Auch wenn die kornealen Gitterlinien denen der gittrigen HD ähneln, handelt es sich hierbei um keine HD, sondern um eine Hornhautmanifestation einer systemischen Erkrankung, und sie wurde somit aus der Klassifikation entfernt.
Zusätzlich zu den klinischen Fotografien wurden in der zweiten Ausgabe auch histopathologische und teilweise elektronenmikroskopische Aufnahmen hinzugefügt sowie konfokalmikroskopische wie auch Vorderabschnitts-OCT-Bilder aufgenommen.
IC3D – Dritte Ausgabe (2024)
Durch den kontinuierlichen Wissenszuwachs über die HD war eine Aktualisierung der bisherigen IC3D notwendig, die mit der dritten Auflage im Februar 2024 veröffentlicht wurde [46].
Die Lisch-epitheliale HD (LECD, Abb. 2) ist eine seltene HD, welche durch diffuse graue epitheliale Trübungen (runde und klare epitheliale Mikrozysten) gekennzeichnet ist [26]. Bei dieser HD wurde bis vor wenigen Monaten ein X‑chromosomal dominanter Erbgang angenommen. Da das betroffene Gen in der zweiten Ausgabe der IC3D nicht bekannt war, wurde die HD der Kategorie 2 zugeordnet. Inzwischen ist eine Mutation des Mucolipin-1-Gens (MCOLN1, genetischer Locus: 19p13.2) festgestellt worden. Die Entdeckung des Gens hat gezeigt, dass die LECD autosomal-dominant vererbt wird. Diese Änderungen führten dazu, dass diese HD jetzt in Kategorie 1 eingestuft wird [34].
Die epithelialen rezidivierenden Erosionsdystrophien (EREDs) umfassen die ERED, die Franceschetti-HD (FRCD), die Dystrophia Smolandiensis (DS) und die Dystrophia Helsinglandica (DH). Im Jahr 2015 wurden Mutationen im Kollagen-17-Alpha-1-Gen (COL17A1) erstmals für ERED beschrieben [20], sodass diese nun in Kategorie 1 eingestuft wurde. Da für die anderen 3 HD (FRCD, DS, DH) bisher kein genetischer Locus oder Gen beschrieben werden konnte, verblieben diese in Kategorie 4. Wenn künftige Studien zeigen, dass COL17A1 für diese 3 HD verantwortlich ist, könnte man zu dem Schluss kommen, dass es sich um verschiedene Namen für dieselbe Entität namens „ERED“ handelt.
In der zweiten Ausgabe war die Prä-Descemet HD keine gut beschriebene Krankheitsentität, da sie weder als eindeutig hereditäre noch degenerative Hornhauterkrankung eingestuft wurde. In der dritten Ausgabe wurde das „Template“ der Prä-Descemet-HD um die Cornea farinata (Kategorie 4) und die punktförmige und polychromatische Prä-Descemet-HD (PPPCD) als völlig neue HD der Kategorie 1 (Peroxiredoxin 3 [PRDX3]) erweitert [34]. Die Trübungen bei der PPPCD sind größer, polychromatisch und stärker gepunktet als bei der Cornea farinata.
Diese Veränderungen unterstreichen nicht nur die Bedeutung der Genomanalyse in der heutigen Zeit, sondern machen auch deutlich, wie wichtig es ist, die Klassifizierung von HD in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren.
Die gittrige Hornhautdystrophie – Wenn die Nomenklatur hauptsächlich auf dem Genotyp basiert
Seit der Einführung der epithelial-stromalen TGFBI-HD wurden verschiedene Mutationen des TGFBI-Gens festgestellt, die oft ähnliche Phänotypen wie bereits beschriebene HD dieser Kategorie aufweisen [18]. Die dritte Auflage der IC3D befasst sich mit den verschiedenen Varianten der gittrigen HD und enthält eine Tabelle mit Auflistung verschiedener Mutationen einschließlich einer klinischen Beschreibung.
Während die klassische gittrige HD mit einer R124C-Mutation im TGFBI-Gen assoziiert ist, geht die wachsende Gruppe der Varianten der gittrigen HD auf andere TGFBI-Mutationen zurück. Zwar ist der Phänotyp typischerweise ähnlich, jedoch nicht identisch mit dem der klassischen gittrigen HD. Beispielsweise fehlen bei einigen Varianten die klaren Gitterlinien, was die klinische Diagnose der gittrigen HD erschweren kann.
Dennoch zeigen alle Varianten histopathologisch Hornhautamyloidablagerungen als primäres diagnostisches Merkmal, wobei sie auch kleinere Ablagerungen anderer Substanzen wie Keratohyalin aufweisen können. Im Vergleich zu den Varianten, die geografisch begrenzt sind, ist die klassische gittrige HD weit verbreitet und wurde in 5 Kontinenten beschrieben. Die Literatur umfasst mittlerweile mehr als 80 verschiedene Varianten der gittrigen HD [18].
Die dritte Ausgabe der IC3D-Klassifikation schlägt ein Nomenklatursystem für die wachsende Gruppe der Varianten der gittrigen HD vor, in dem die tatsächlichen Namen der HD primär auf dem Genotyp und nicht auf dem Phänotyp beruhen. Obwohl Gitterlinien typischerweise auch in den Varianten zu finden sind, kann das Spektrum ihrer Phänotypen sehr variabel sein, wobei einige Varianten nur wenig oder keine Ähnlichkeit mit der klassischen gittrigen HD haben. Das Alter des Auftretens und die Tiefe der Ablagerungen variieren von Variante zu Variante, und einige Varianten weisen mitunter ein sehr heterogenes Trübungsmuster auf. Diese Varianten können zunächst auch als andere HD wie die epitheliale Basalmembran HD, Reis-Bücklers-HD, Thiel-Behnke-HD oder granuläre HD fehldiagnostiziert werden, bis die Genotypisierung Klarheit verschafft.
Es existieren mindestens 5 wiederkehrende Phänotypen (Tab. 3), die sich durch das Alter des Auftretens und den klinischen Befund (Form und Tiefe der Trübungen) unterscheiden. Ähnlich wie bei der klassischen gittrigen HD gibt es phänotypische Unterschiede zwischen beiden Augen und auch zwischen einzelnen Patienten mit gleicher Variante.
Tab. 3
Übersicht der 5 Phänotypen der Varianten der gittrigen Hornhautdystrophie (HD)
Phänotypen der Varianten der gittrigen Hornhautdystrophie (HD)
Beschreibung
1. Früh einsetzende Varianten
Klinik und Alter des Auftretens ähnlich wie bei der klassischen gittrigen HD
2. Varianten im mittleren und teilweise im späten Lebensalter
Dickere und stärker ausgeprägte Gitterlinien als bei der klassischen gittrigen HD (zweithäufigste und am weitesten verbreitete Variante)
3. Spät auftretende Varianten
Die Gitterlinien können unscheinbar sein aber auch deutlich zu sehen sein. Amyloidablagerungen meist im tiefen Hornhautstroma nahe der Descemet-Membran
4. Varianten im frühen bis mittleren Lebensalter mit oberflächlicher geografischer Hornhauttrübung (Amyloidablagerungen in der Bowman-Lamelle)
Spärliche und/oder undeutliche Gitterlinien. Kann leicht als Reis-Bücklers-HD oder Thiel-Behnke-HD fehldiagnostiziert werden
5. Im mittleren Lebensalter auftretende Varianten mit polymorphen Ablagerungen
Ausgeprägte oder spärliche/undeutliche Gitterlinien. Die Ablagerungen variieren in Form und Tiefe, meist punkt- und kommaförmig. Bei weiterem Fortschreiten zeigen einige Hornhäute eine stärkere zentrale Trübung
Zusammenfassung
HD stellen ein sehr heterogenes klinisches Bild mit einer Vielzahl unterschiedlichster genetischer Mutationen dar. Die Kenntnis des spezifischen Phänotyps einer HD erleichtert die Diagnose erheblich, wobei es mitunter selbst für erfahrene Kliniker Schwierigkeiten bereiten kann, eine eindeutige Diagnose zu stellen, und lediglich eine genetische Untersuchung Klarheit verschafft. Die im Februar 2024 veröffentlichte dritte Ausgabe der IC3D (Open Access) soll als Nachschlagewerk im klinischen Alltag dienen und die Diagnose und Therapieentscheidung von HD erleichtern.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
T. Berger, J.S. Weiss, W. Lisch und B. Seitz geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autor/-innen keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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