Weniger Hypoglykämien unter moderner Diabetestherapie

Der Anteil von Patienten mit Diabetes Typ 2, die schwere Hypoglykämien durchmachen, ist seit 2006 – nach vorübergehendem leichtem Anstieg – gesunken. Zu verdanken ist das offenbar den neueren Antidiabetika und individualisierten Therapiezielen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Im Jahr 2006 hatte der Anteil von Patienten mit schweren Hypoglykämien unter den schätzungsweise 6,6 Millionen Typ-2-Diabetikern in Deutschland bei 0,46% gelegen. Laut Berechnungen einer Arbeitsgruppe um Nicolle Müller von der Universitätsklinik Jena stieg die Rate bis 2011 auf 0,49% von 7,9 Millionen Diabetikern, danach sank sie wieder: 2016 lag der Anteil noch bei 0,36%, hier bezogen auf 8,9 Millionen Patienten mit Typ-2-Diabetes. Für ihre Analysen verwendeten Müller und ihr Team Daten der AOK, die sie auf die bundesdeutsche Gesamtpopulation extrapolierten. Sowohl die Diabetesdiagnose als auch jene von schweren Hypoglykämien beruhte auf entsprechenden Einträgen in den Versichertenakten, also auf dem jeweiligen ICD-10-Code oder den Vermerken über eine stationäre Einweisung oder Notfallbehandlung aus diesen Gründen. Im Zeitraum zwischen 2006 und 2016 sank der Anteil von schwer hypoglykämischen Patienten, die Sulfonylharnstoffe ohne oder zusammen mit Metformin erhielten, von 23,6% auf 6,2%; Sulfonylharnstoffe allein bekamen 2016 nur noch 1,9% der Patienten, verglichen mit 10,9% im Jahr 2006. Die Gabe von DPP-4-Hemmern und GLP-1-Rezeptor-Agonisten war 2006 noch nicht weit verbreitet; der erste SGLT2-Inhibitor wurde 2012 zugelassen. Im Jahr 2016 lag der Anteil von hypoglykämischen Diabetikern mit DPP-4-Hemmer-Therapie bei 5,2% und für DPP-4-Hemmer kombiniert mit Metformin bei 4,0%. 0,4% der Diabetiker mit schweren Hypoglykämien wurden mit GLP-1-Rezeptor-Agonisten, 0,9% mit SGLT2-Inhibitoren behandelt. Veränderte Insulintherapie Deutliche Änderungen der Therapie zeichneten sich auch bei den Insulinen ab. Humaninsulin erhielten 2006 noch 11,3% der Diabetiker mit schweren Hypoglykämien, 2016 waren es 4,3%. Umgekehrt bei den Insulinanaloga: der Hypoglykämieanteil betrug 5,4% im Jahr 2006 und 11,5% zehn Jahre später. Bei den gemischten Insulinen sank der Anteil von 19,7% auf 7,3%. Das höchste Hypoglykämierisiko hatten den Kalkulationen nach Patienten, die auf Insulinanaloga eingestellt waren. Abgeglichen nach Alter, Geschlecht, Nephropathiediagnose und analysiertem Kalenderjahr war es mehr als 14,4-mal so hoch wie jenes von Patienten unter Metformin. Als stark gefährdet erwiesen sich Patienten mit einem Nierenleiden. Unter Humaninsulin war ihr Risiko für Hypoglykämien 16,1-mal so hoch wie unter Metformin; für Patienten ohne Nephropathie betrug der Steigerungsfaktor 5,7. Unter Insulinanaloga traten Hypoglykämien bei Diabetikern mit Nephropathie sogar 21,4-mal, ohne Nephropathie 6,8-mal so oft auf wie unter Metformin. Die insgesamt positive Entwicklung hin zu niedrigeren Raten schwerer Hypoglykämien führen Müller und Kollegen auf die Zunahme der Verordnung von Substanzen mit geringerem Hypoglykämierisiko zurück. Aber nicht nur: Eine weitere Erklärung vermuten sie in den in jüngerer Zeit weniger strengen, individualisierten Therapiezielen speziell für ältere Diabetiker. Ein Hinweis darauf könnte sein, dass laut der vorliegenden Ergebnisse das Alter inzwischen kein Risikofaktor mehr für das Auftreten von Hypoglykämien ist. Das war in früheren Jahren noch anders, als das Hypoglykämierisiko je Altersdekade um 6,5% stieg. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hat sich das Risiko für schwere Hypoglykämien von Typ2-Diabetikern im Zeitraum zwischen 2006 und 2016 entwickelt? Antwort: Das Risiko für Hypoglykämien ist von 2006 bis 2011 gestiegen, seither ist es gesunken. Es liegt jetzt bei 360 je 100.000 Patienten und damit unter dem Wert von 2006 (460/100.000). Bedeutung: Moderne Medikamente, aber auch individualisierte Therapieziele vor allem für ältere Typ-2-Diabetiker mit einer Abkehr von allzu strikter Hyperglykämieprävention haben das Hypoglykämierisiko für Typ-2-Diabetiker sinken lassen. Einschränkung: Die Daten stammen allein von AOK-Versicherten, sodass verzerrende Faktoren unberücksichtigt geblieben sein könnten.

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