Beckenorthese gibt Patienten mehr Stabilität im Alltag

Pathologische Veränderungen der Iliosakralgelenke (ISG) und der mit ihnen verbundenen Strukturen verursachen häufig einen tief sitzenden Rückenschmerz [1]. Eine stabilisierende Beckenorthese, die Bänder und Gelenke entlastet, kann den Patienten helfen [2]. Experimentell nachgewiesen wurde die mechanische und neuromuskuläre Stabilisierung des Beckens, die sich in klinisch relevanten Verbesserungen widerspiegelt [3–5]. Nicht nur die Schmerzen werden reduziert, sondern der Patient profitiert auch subjektiv von einem besseren Stabilitätsempfinden und einer höheren physischen Lebensqualität. Dr. Martin Strohmeier, Facharzt für Orthopädie, Orthopädie am grünen Turm, Ravensburg, und Mitglied des Leitliniengremiums der 2018 veröffentlichten Leitlinie „Spezifischer Kreuzschmerz“ [6] zufolge gibt es für jeden Kreuzschmerz eine spezifische Diagnose. „Der Rücken ist eine anatomische Struktur, und der Schmerz ist ein Symptom“, betonte der Orthopäde [7]. Unter Berücksichtigung psychosozialer Aspekte ließe sich bei jedem Patienten eine spezifische Ursache finden. Würden 85% der Patienten mit Rückenschmerzen keine sichere Diagnose erhalten, habe dies „mehr mit der fehlenden Integration eines biopsychosozialen Konzeptes zu tun als mit einer besonders schwierig zu diagnostizierenden Patientengruppe“. Bleibe die frühzeitige Behandlung aus, würden nach sechswöchiger Krankschreibung 40% der Patienten nicht mehr in den Arbeitsalltag zurückkehren. Spezifischen Kreuzschmerz spezifisch behandeln Das Konzept des spezifischen Kreuzschmerzes eröffnet die Möglichkeit, konkrete Ursachen von vorneherein gezielt zu behandeln, um so zu verhindern, dass er chronisch wird. Mögliche Differenzialdiagnosen sind alle schmerzauslösenden, pathologischen Veränderungen im ISG [1]. Dieses ist am aufrechten Gang des Menschen zentral beteiligt, indem es die Last des Körpers auf die unteren Extremitäten verteilt und aus den unteren Extremitäten kommende Kräfte auf den Rumpf überträgt. Dazu benötigt das ISG ein hohes Maß an Stabilität. Beckenorthese entlastet Bänder und Gelenke Die Prävalenz eines ISG-Syndroms bei bereits diagnostizierten Kreuzschmerzen beträgt bis zu 25% [1]. Mögliche Ursachen sind degenerative Veränderungen, Traumata, lumbale Operationen, Autoimmunerkrankungen und Lockerungen im Bandapparat, die sich in bewegungsabhängigen Schmerzen äußern. Eine Produktlösung zur Therapie von tiefem Rückenschmerz, der in den ISG und den mit ihnen verbundenen ossären, ligamentären und muskulären Strukturen begründet ist, bietet die Beckenorthese SacroLoc® [2]. Sie stabilisiert das Becken und richtet das Sakrum auf. Die Iliosakralgelenke und der lokale Bandapparat werden entlastet, Bänder- und Muskelansätze von dorsalen Pelotten gezielt massiert. Dies wirkt sich schmerzlindernd und verspannungslösend aus. Gurtführung und Tragekomfort verbessert Die Wirkung der 2010 eingeführten Beckenorthese SacroLoc® auf die ISG allgemein und bei Patienten mit ISG-Syndrom wurde durch eine biomechanische und eine klinische Studie belegt, die in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig und der Technischen Universität Chemnitz durchgeführt wurden [3, 4]. Seit Oktober 2017 ist die aktuelle Generation der Orthese mit patentierter Gurtführung verfügbar: doppelt umgelenkt für mehr entlastende Zugkraft und mit direkter Ansteuerung der dorsalen Pelotten zur präzisen Positionierung auf den ISG [2]. Die Pelotten massieren bei Bewegung gezielt Triggerpunkte. Für eine maximale Bewegungsfreiheit wurden luftdurchlässige elastische Materialien um das Becken herum eingesetzt. Durch einen praktischen Klettverschluss mit breiten Fingerschlaufen lässt sich die Orthese leicht anlegen. Die Studien zur ersten Generation wurden in ähnlichem Design mit der Orthese der Folgegeneration wiederholt [5]. Zwei Studien mit Orthese der ersten Generation In der biomechanischen Studie wurden an einem Computermodell des menschlichen Beckens die Bewegungen der ISG unter und ohne Einfluss der Orthese gemessen [3]. Dabei wurden direkte Effekte auf die Iliosakralgelenke sichtbar. Die Nutationsbewegung, also die Kipp- bzw. Nickbewegung des Sakrums um die Transversalachse, wird durch die Orthese entscheidend beeinflusst. Die mittlere Zugbelastung der lokalen Bandstrukturen wird mehrheitlich reduziert, vor allem das Ligamentum sacrotuberale und das Ligamentum sacrospinale werden entlastet. An der klinischen Studie nahmen 17 Patienten mit ISG-Syndrom teil sowie 17 gesunde Probanden [4]. Die Ziele der Rückenschmerztherapie, nämlich Schmerzen zu reduzieren und die Beweglichkeit zu verbessern, wurden erreicht. Bei sechswöchiger Anwendung der Orthese wurde die gesundheitsbezogene Lebensqualität relevant gesteigert – besonders nach konsequentem Tragen an mehreren Tagen hintereinander. Die Patienten gaben eine subjektiv empfundene Abnahme des tief sitzenden Rückenschmerzes an und nahmen eine bessere körperliche Funktionsfähigkeit wahr. Messungen der Muskelaktivität zeigten, dass der Musculus rectus femoris bei angelegter Beckenorthese beim Gehen weniger stark kontrahierte. Kadenz (Schrittzahl/Minute) und Schrittgeschwindigkeit (km/h) nahmen zu. Das weist auf eine erhöhte posturale Stabilität mit mehr Gangsicherheit hin und zeigt, dass die Orthese den Bewegungsapparat auch auf neuromuskulärer Ebene beeinflusst. Die Ergebnisse stimmen mit einer Analyse überein, die das Institut für Gesundheits-System-Forschung (IGSF) im Auftrag des Herstellerverbandes eurocom e.V., Berlin, durchgeführt hat. Demnach können Rückenorthesen bei guter Handhabbarkeit und hohem Tragekomfort Schmerzen lindern, die Lebensqualität verbessern und die Alltagsaktivität der Patienten steigern [8]. Die Patienten benötigen auch deutlich weniger Schmerzmittel. Zweite Generation noch effektiver Mit der aktuellen Produktgeneration wurde die biomechanische Studie mittels eines verbesserten Computermodells der Technischen Universität Chemnitz reproduziert [5]. Den noch unveröffentlichten Ergebnissen zufolge waren die Effekte nachweislich stärker ausgeprägt als beim Modell der ersten Generation, vor allem wird der lokale Bandapparat stärker entlastet. Klinischen Fragestellungen wurde in einem anderen Studiendesign nachgegangen mit jeweils 22 Patienten einer Interventions- bzw. Kontrollgruppe mit oder ohne Orthese [5]. 19 Patienten der Interventionsgruppe gaben nach sechswöchigem Tragen der Orthese an, dass sich die ISG-Beschwerden verringert hätten (Abb. 1). Nur zwei Patienten stellten keine Besserung fest. Verschiedene Aspekte wie Tragekomfort und Handhabung der Orthese, Schmerzlinderung und Stabilisierung wurden mit einer Notenskala von „1=sehr gut“ bis „6=vollkommen ungenügend“ abgefragt. Bei einer Gesamtbewertung von 2,3 überwog über alle Aspekte hinweg die Note 2,0 (Abb. 2). Abb. 1 Angabe der Patienten zur Besserung der ISG-Beschwerden (ja/nein) nach sechswöchigem Tragen der Beckenorthese. Quelle: Bauerfeind AG, Data on File × Abb. 2 Bewertung einzelner Aspekte der Beckenorthese durch die Patienten. Quelle: Bauerfeind AG, Data on File × Weniger Schmerzen, mehr Stabilität Einschränkungen bei ausgewählten Aktivitäten wie Gehen oder Sitzen sowie im beruflichen und privaten Alltag wurden auf einer von „0=keine Beeinträchtigungen“ bis „10=vollständig beeinträchtigt“ reichenden Skala erfasst. Diesbezüglich kam es in beiden Studienarmen zu Verbesserungen, die in der Interventionsgruppe mindestens ebenso deutlich oder noch stärker ausgeprägt waren als in der Kontrollgruppe. In den Kategorien Stehen, Sitzen und beruflicher Alltag trat die Wirkung der Orthese im Vergleich zur Kontrollgruppe besonders deutlich hervor. Die anhand einer von 0–10 reichenden numerischen Bewertungsskala (NRS) bewertete Schmerzintensität ging in der Interventionsgruppe von durchschnittlich 4,5 auf 2,0 zurück und damit stärker als in der Kontrollgruppe (von 4,0 auf 3,5). Das Stabilitätsempfinden der Patienten nahm in der Interventionsgruppe ebenfalls stärker zu als in der Kontrollgruppe, verbunden mit einer verbesserten physischen Lebensqualität. Experimentelle Untersuchungen zur Messung des dynamischen Gleichgewichts ergaben eine Minderung der CoP (Center of Pressure)-Strecke um 7,9%. Dies spricht dafür, dass das Tragen der Orthese den Patienten zu mehr Stabilität im Alltag verhilft und damit ein wichtiges Therapieziel erfüllt. Die Studie zeigt somit auf, dass die experimentell nachweisbaren Effekte zur ossären und neuromuskulären Stabilisierung des Beckens für Patienten mit ISG-Syndrom klinisch relevant sind. Eine gesteigerte körperliche Lebensqualität mit weniger Schmerzen und höherer Rückenstabilität führt da-zu, dass die Patienten den Alltag mit einer Beckenorthese einfacher bewältigen können. Hinweise auf weitere Einsatzmöglichkeiten Neue Daten einer biomechanischen In-vitro-Studie weisen darauf hin, dass die Beckenorthese nicht nur direkt auf die ISG wirkt, sondern auch die Kinematik des lumbosakralen Bereichs beeinflusst [9]. Ein Erfahrungsbericht zum Einsatz der Orthese bei Patienten mit isolierter Schambeinastfraktur wurde 2015 publiziert [10]. Wie einer der Autoren, Prof. Dr. Rolf Haaker, Chefarzt der Orthopädischen Klinik des St. Vincenz Hospitals, Brakel, dazu erklärte, werde die Orthese den Patienten schon im Bett angelegt [11]. Viele würden berichten, dass der Schmerz schlagartig nachlasse. Könne der Patient das Bett verlassen, steigere die Stabilisierung des Beckenbereichs die Mobilität der Patienten deutlich. Gehstrecke und Schrittlänge könnten auch hier umgehend verlängert werden. Literatur https://www.my-cme.de/wp-content/uploads/arzt_isg_modul1_2014.pdf (letzter Zugriff: 14.2.2019) https://www.bauerfeind.de/de/produkte/bandagen/wirbelsaeule/sacroloc.html (letzter Zugriff: 14.2.2019) Sichting F et al., Pain Physician 2014, 17:43–51 Hammer N et al., PLoS One 2015, 10:e0136375 https://www.bauerfeind-life.com/studie-zur-neuen-sacroloc (letzter Zugriff: 14.2.2019) S2k-Leitlinie „Spezifischer Kreuzschmerz“, Dezember 2017, AWMF-Register-Nr. 033–051 Strohmeier M, Orthopädie & Rheuma 2018, 21 (2):16–18 http://www.eurocom-info.de/studien/analyse-rueckenorthesen-igsf-kiel (letzter Zugriff: 14.2.2019) Klima S et al., Sci Rep 2018, 8:15980 Haaker R, Jeremic D, MOT – Medizinisch Orthopädische Technik 2015, 135 (4):12–15 https://www.bauerfeind-life.com/sacroloc-bei-schambeinastfraktur (letzter Zugriff: 14.2.2019) Impressum „Rückenschmerzen durch Iliosakral-Syndrom: Beckenorthese gibt Patienten mehr Stabilität im Alltag“, Literaturarbeit Bericht: Dr. Matthias Herrmann, Berlin Artikel gedruckt in Der Orthopäde, Band 48, Ausgabe 1/2019 Mit freundlicher Unterstützung der Bauerfeind AG, Zeulenroda Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Sabine Jost Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Rückenschmerzen durch Iliosakral-Syndrom - Beckenorthese gibt Patienten mehr Stabilität im Alltag

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