Neue Impfempfehlungen zu HPV, Pertussis – und bald auch MenB?

Die STIKO-Empfehlung zur HPV-Impfung für Jungen kommt noch in diesem Sommer. Das kündigte STIKO-Mitglied Prof. Fred Zepp auf dem Praxis Update an. Der Experte plädierte zudem für die Einführung der umstrittenen allgemeinen Impfung gegen Meningokokken vom Typ B. Die Einführung der HPV-Impfung bei Mädchen im Jahr 2007 hatte laut Prof. Fred Zepp vom Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Uni Mainz einen Rückgang der HPV-Prävalenz in der Zielgruppe von 23 auf 14% zur Folge. Langfristig stehe zu hoffen, dass damit auch die Zahl der invasiven Zervixkarzinome in Deutschland deutlich zurückgehen werde. In Finnland hat sich dies bereits bestätigt: Hier waren, so der STIKO-Experte, „zehn Jahre nach Einführung des Impfprogramms die invasiven Karzinome praktisch verschwunden“. Mit der Impfung der Mädchen allein dürfe man sich jedoch nicht begnügen: Junge Männer seien zu etwa 40 bis 60% mit HPV infiziert. Sie spielen laut Zepp nicht nur für die Übertragung die entscheidende Rolle, sondern können auch selbst an HPV-induzierten Tumoren, vor allem Anogenital- und Oropharyngealkarzinomen, erkranken. Einer Evaluation des RKI zufolge lassen sich durch die zusätzliche Jungenimpfung in diesem Jahrhundert nicht nur rund 22.000 Zervixkarzinomfälle verhindern, sondern auch etwa 25.000 andere HPV-assoziierte Krebsfälle. Dabei geht man von einer Impfquote von ca. 44% bei den Mädchen und 22% bei den Jungen aus. Die STIKO, so Zepp, habe sich angesichts dessen entschieden, eine entsprechende Impfempfehlung für Jungen im Alter zwischen neun und 14 Jahren herauszugeben; die offizielle Bekanntgabe kündigte der STIKO-Vertreter für August 2018 an (Ausgabe 34/18 des Epidemiologischen Bulletins). Empfehlung der Redaktion Teenager beim Arzt 12.06.2018 | Humane Papillomviren | Nachrichten Vorabinfo: STIKO empfiehlt HPV-Impfung von Jungen Die Impfung gegen krebserregende humane Papillomviren (HPV) wird ab Sommer auch 9- bis 14-jährigen Jungen empfohlen. Das hat die STIKO auf ihrer Sitzung beschlossen. MenB-Impfung für alle Säuglinge? Auch die Einführung einer allgemeinen Impfung gegen Meningokokken vom Serotyp B (MenB) für Säuglinge wird laut Zepp in der STIKO derzeit „intensiv diskutiert“. Bei 50–60% aller Meningokokken-Fälle handle es sich um Infektionen mit MenB; ferner sei die Gefahr einer Meningokokken-Infektion im Säuglingsalter am größten. Daher sei es „sinnvoll, die Impfung gegen MenB schon im ersten Lebenshalbjahr zu beginnen“, so der Experte. Der seit 2013 verfügbare Mehrkomponenten-Impfstoff (4CMenB) ist nach Zepp sicher und effektiv. In England habe die Einführung einer generellen MenB-Impfung im ersten Lebenshalbjahr innerhalb von zehn Monaten zu einer Reduktion der invasiven Infektionen um 50% geführt. Aus Kosten- und Compliance-Gründen war ein reduziertes Impfschema (2 + 1 anstatt 3 + 1) zur Anwendung gekommen; dieses hatte auch in einer randomisierten Multicenter-Studie zu einer ausreichenden Immunantwort geführt. Zwar müsse man sich bewusst sein, dass die schweren durch MenB ausgelösten Erkrankungen in Deutschland derzeit weniger als 300 Fälle jährlich ausmachen (in 2017 waren es 283 Fälle). Außerdem ist nach Zepp immer noch nicht geklärt, ob und wann die Impfung aufgefrischt werden muss und welchen Effekt sie auf das nasopharyngeale Trägertum und damit auf den Herdenschutz hat. Dennoch geht der Experte davon aus, dass die STIKO die bestehende Empfehlung – diese gilt derzeit nur für Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko – in absehbarer Zeit erweitern wird. Zepp: „Ein so wohlhabendes Land wie dieses wird es sich auch aus ethischen Erwägungen heraus nicht leisten können, diese Impfung nicht zu empfehlen!“ Pertussis: Schutz des Neugeborenen über die Mutter Studien der letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass die Immunität gegenüber dem Keuchhusten-Erreger Bordetella pertussis nur wenige Jahre anhält, berichtete Zepp. Nach etwa vier Jahren nehme der Impfschutz deutlich ab, nach sieben Jahren sei er kaum mehr nachzuweisen. „Die Prävalenz von Pertussis in der Bevölkerung nimmt derzeit langsam zu“, warnte der Experte. Vor allem für Neugeborene stelle dies eine Gefahr dar: So könne ein unbemerkt erkranktes Elternteil die Infektion an das noch nicht geimpfte Kind weitergeben. Begünstigt wird dies laut Zepp durch die Tatsache, dass die Erkrankung im Erwachsenenalter meist ohne die klassischen Keuchhusten-Symptome verläuft. Die Betroffenen weisen oft nur eine hartnäckige Bronchitis auf, die dann in der Regel nicht adäquat, sprich mit einem Makrolid-Antibiotikum, behandelt wird. Um gezielt die Übertragung der Infektion auf das Neugeborene zu verhindern, bereitet die STIKO derzeit eine Impfempfehlung für Schwangere vor: Diese sieht die DTPa-Impfung im 3. Trimenon bis spätestens sieben Tage vor der Geburt vor. Damit lässt sich nach Zepp eine Wirksamkeit von 90% beim Neugeborenen erreichen. Zwar werde durch den maternalen Nestschutz die Impfantwort des Säuglings gegenüber einer DTPa-Impfung nach der achten Lebenswoche geringfügig vermindert; dies sei jedoch ohne klinische Relevanz. Kommt die 3. Impfung gegen Mumps? Auch die Zahl der Mumps-Infektionen nimmt weltweit und auch in Europa zu, trotz hoher Durchimpfungsraten. Nach Zepp ereignen sich Ausbrüche besonders häufig in Schulen, Universitäten oder Sportvereinen, wo viele Jugendliche oder junge Erwachsene zusammenkommen. Der Hintergrund ist, dass die Immunität etwa 15 Jahre nach der Impfung, die regulär im ersten oder zweiten Lebensjahr erfolgt, stark nachlässt. Hinzu kommt, dass das derzeit zirkulierende Mumps-Virus sich langsam, aber sicher genetisch verändert, sodass der derzeit zugelassene Impfstoff bald keinen sicheren Schutz mehr bieten wird. „Wahrscheinlich müssen wir in den nächsten 10 bis 20 Jahren einen neuen Impfstoff entwickeln“, prophezeite Zepp. Um in der Zwischenzeit gegen Ausbrüche gewappnet zu sein, denkt man innerhalb der STIKO darüber nach, eine dritte MMR-Impfung in der Adoleszenz bzw. im jungen Erwachsenenalter zu empfehlen. Was sich damit erreichen lässt, hat eine aktuelle Studie in den USA gezeigt: Während eines Mumps-Ausbruchs an der Universität Iowa wurde einer Gruppe von knapp 5000 Studenten, die zuvor nicht mehr als zweimal geimpft worden waren, eine dritte MMR-Dosis angeboten. Das Resultat: Die Erkrankungsrate bei den dreimal Geimpften lag mit 6,7 gegenüber 14,5 Fällen pro 1000 deutlich niedriger als bei den Studenten, die keine dritte Impfung erhalten hatten. Zepps Rat für die Praxis: „Wenn Sie einen jungen Erwachsenen mit einer Schwellung am Hoden sehen, sollten Sie auch an Mumps denken!“ Dem Betroffenen sei mit einer Impfung zwar nicht mehr geholfen. Allerdings sei es ratsam, im Umfeld des Patienten, z. B. an der Uni oder im Sportverein, eine MMR-Vakzinierung einzuleiten. Empfehlung der Redaktion Baby bekommt Spritze 10.04.2018 | Meningokokken | Fortbildung Viele offene Fragen zur MenB-Impfung Die Ständige Impfkommission (STIKO) bleibt bei ihrer Position zur Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe B: Sie gehört weiterhin nicht in den Katalog der Standardimpfungen. Prof. Dr. Markus Knuf aus Wiesbaden würde sich ein anderes Impfkonzept wünschen. Basierend auf Zepp M: Impfempfehlungen. Praxis Update, 27./28. April 2018 in München

Live-Webinar: Aktuelle Leitlinien bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Springer Medizin

Neue Impfempfehlungen zu HPV, Pertussis – und bald auch MenB?

Weiterführende Themen

Passend zum Thema

IPD-Fallzahlen & Pneumokokken-Impfung bei Kindern in Deutschland

HPV-Impfung: Auch für junge Erwachsene sinnvoll und wichtig

Impfstoffe – Krankheiten vorbeugen, bevor sie entstehen