Welche Risiken birgt die In-vitro-Maturation für das Kind?

Inwieweit sich die Technik der In-vitro-Maturation langfristig auf die kindliche Entwicklung auswirkt, bleibt auch nach einer prospektiven Vergleichsstudie unklar. Statistisch zumindest zeigten sich keine nennenswerten Unterschiede im Vergleich mit IVF oder ICSI. Hinter der sogenannten In-vitro-Maturation (IVM) steckt folgende Idee: Man entnimmt aus den Ovarien einer Frau mit Kinderwunsch unreife Eizellen, die erst im Reagenzglas unter Hormoneinfluss reifen. Damit bleibt der Frau eine längerfristige Hormontherapie erspart. Nach der In-vitro-Befruchtung, die in der Regel mittels ICSI-Technik durchgeführt wird, wird der Embryo dann in die Gebärmutter eingesetzt. Die neue Technik, von der zum Beispiel Frauen mit PCO-(Polyzystisches Ovarial-)Syndrom profitieren könnten, welche keine hohen Hormongaben vertragen, ist bislang noch wenig erprobt. Bisher sind weltweit etwa 5000 per IVM empfangene Kinder zur Welt gekommen. Die Frage ist, inwieweit die Technik der extrakorporalen Eizellreifung Einfluss auf die spätere Entwicklung der Kinder hat. IVM versus IVF versus ICSI Um dies herauszufinden, hat ein Team um Dr. Sabine Rösner von der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg die IVM erstmals in einer prospektiven Studie mit zweijährigem postnatalem Follow-up untersucht. Darin wurde eine Gruppe von IVM-Kindern mit Babys verglichen, die nach In-vitro-Fertilisation bzw. mithilfe einer „herkömmlichen“ ICSI zur Welt gekommen waren. Als Kontrollgruppe dienten 40 Kinder, die spontan empfangen worden waren. Insgesamt hatten die Forscher 63 Schwangerschaften nachbeobachtet. Jeweils 21 waren mittels IVM, IVF bzw. ICSI zustande gekommen. Die drei Techniken hatten in einem bzw. vier bzw. zwei Fällen zur Entstehung von Zwillingen geführt, sodass insgesamt 70 Embryonen implantiert werden konnten. Fünf Fehlgeburten Bereits im ersten Trimester ereigneten sich fünf Fehlgeburten: vier in der IVM und eine in der ICSI-Gruppe. Ultraschalluntersuchungen, die zwischen Woche 12 und 13 sowie zwischen Woche 19 und 22 durchgeführt wurden, ergaben jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Gruppen. Das gleiche galt für die biometrischen Parameter bei der Geburt. In der IVM-Gruppe wiesen zwei Kinder bei Geburt Anomalien auf: Eines hatte ein Möbius-Syndrom, das zweite eine spastische Lähmung. In der IVF-Gruppe wurden fünf Anomalien registriert: ein ventrikulärer Septumdefekt, ein Hautanhang, eine intrauterine Wachstumsverzögerung (IUGR), eine Stauungsniere und eine Hyperbilirubinämie. Bei den ICSI-Kindern fielen eine IUGR und eine Atmungsstörung auf. Kognitive Entwicklung im Alter von zwei Jahren Nach zwei Jahren wurden die Kinder erneut verglichen, und zwar primär im Hinblick auf ihre kognitive Entwicklung. Nach Rösner und Kollegen waren die Unterschiede in den hierfür herangezogenen Bayley Scales of Infant Development (Bayley II) statistisch zwar nicht signifikant. Die MDI-(Mental Development Index-)Werte der drei Gruppen lagen im Mittel im prädefinierten Normbereich von über 85. Allerdings zeigte die IVM-Gruppe die schwächste Performance von den drei (90,8 vs. 96,8 vs. 104,4 in der adjustierten Analyse). Die Kontrollgruppe der spontan empfangenen Kinder erreichte einen mittleren MDI-Wert von 103,1. Die gepoolten Werte aus den drei Methoden zur künstlichen Befruchtung lagen mit einem Mittel von 95,9 signifikant niedriger. Bei zwei der IVM-Babys bestand im Alter von zwei Jahren der Verdacht auf eine Hörstörung. Ansonsten wurden keine körperlichen Auffälligkeiten beobachtet. In der IVF-Gruppe fand sich außer zwei Fällen mit V. a. Hörstörung noch ein Kind mit einem Mikrozephalus. In der ICSI-Gruppe waren alle Kinder unauffällig. Aussagekraft begrenzt Trotz der statistisch nicht nennenswerten Unterschiede interpretieren die Forscher ihre eigenen Daten mit Zurückhaltung. Die Zahl der untersuchten Kinder sei relativ gering gewesen, allein dadurch sei die Aussagekraft begrenzt. Sorge bereitet den Heidelberger Wissenschaftlern vor allem der Vergleich der MDI-Werte: Betrachte man die Untergrenze des Konfidenzintervalls, so habe die IVM-Technik um bis zu 30 Punkte schlechter abgeschnitten als die Vergleichsgruppe. Unter diesen Umständen könne man klinisch relevante Unterschiede im Hinblick auf die geistige Entwicklung nicht ausschließen. Die beiden Kinder in der IVM-Gruppe, die beim MDI unter 85 lagen, hatten Werte von 62 bzw. unter 50. Dagegen lagen die unterdurchschnittlichen IVF- und ICSI-Babys mit 70 und 76 bzw. 80 deutlich näher am Normbereich. „Wir empfehlen dringend, die Auswirkungen der IVM auf Entwicklung und Verhalten der Kinder in großangelegten Studien zu analysieren“, so das Fazit der Autoren. Bis dahin könne man nicht davon ausgehen, dass es sich um eine sichere Methode handle.

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