Einleitung
Elektrophysiologische Phänomene des Schlafs als Ansatzpunkte einer Behandlung
Nichtinvasive Hirnstimulation als neuer Zugangsweg zur Veränderung der Elektrophysiologie des Gehirns
Auditorische Stimulation in der Wissenschaft
Autoren | Erscheinungsjahr | Intervention | Ergebnisse & Fazit |
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Ngo, Claussen, Born und Mölle [21] | 2013 | Design: Intrasubjekt-Design | – Verzögerter Einschlafzeitpunkt bei 0,8 Hz-Stimulation vs. Sham und zufällige Stimulation – Spindelpower reduziert während 0,8 Hz-Stimulation vs. Sham – Keine Erhöhung der SO-Power während wach und kurz nach einschlafen → Gehirn-Zustandsabhängigkeit der Wirksamkeit der Stimulation – Erhöhung der mittleren SO-Power zeitlich gebunden an Beginn der Schlafphase N2, am konsistentesten im Vergleich mit Sham – Stärkere Depolarisation der positiven Halbwelle und nach negativer Halbwelle der langsamen Oszillation unter 0,8 Hz-Stimulation verglichen mit anderen Bedingungen Fazit: Auditorische regelmäßige Stimulation kann endogenen SO-Rhythmus auf externalen Rhythmus trainieren |
Methode: Offline-Detektion der SOs | |||
Bedingungen: i) Ton-Stimulation mit 0,8 Hz Frequenz ii) Töne in zufälliger Reihenfolge iii) Sham (keine Töne in Kontrollbedingung) Design: Zwischensubjekt | |||
Beginn der Stimulation, bevor Licht ausgemacht wird | |||
Ngo, Martinetz, Born und Mölle [22] | 2013 | Design: Intrasubjekt-Design | – Erhöhung der Aktivität langsamer Oszillationen für Stimulation vs. Sham – Erhöhung der phasen-verbundenen Spindelaktivität während des SO-Zyklus – Stimulation außerhalb der Phase endogener langsamer Oszillationen ist uneffektiv – Erhöhung der deklarativen Gedächtniskonsolidierung Fazit: Präzises Timing der Impulse in Phase mit auftreten der Up-State langsamer Oszillationen wichtig |
Methode: Online-Detektion einer negativen Halbwelle, während Nachtschlaf, Stimulation während positiver Halbwelle | |||
Bedingungen: i) Stimulation In Phase mit langsamer Oszillation ii) Sham | |||
Cox, Korjoukov, de Boer und Talamini [7] | 2014 | Design: Intersubjekt-Design | – Stimuli in beiden Schlafbedingungen führten zu früher positiver Komponente – Gefolgt von scharfer, Down-State-vergleichbarer Auslenkung, mit hoher Amplitude bei etwa 600 ms – Stimulation in Up-State vs. Down-State zeigte erhöhte Aktivität im Spindel/Betaband sowie eine erhöhte Up-State-Amplitude, dann schnelle und scharfe Down-State, gefolgt von einer späten positiven Komponente – Stimulation in Down-State vs. Up-State evozierte eine kleine positive Auslenkung, gefolgt von einer verspäteten, stark ausgeprägten Down-State Fazit: Entwicklung eines Algorithmus, womit Töne in beliebiger Phase präsentiert werden können |
Methode: Vorhersage langsamer Oszillationen in Echtzeit | |||
Bedingungen: i) Präsentation von 20 Stimuli während Up-State der langsamen Wellen ii) Präsentation von 20 Stimuli während Down-State der langsamen Wellen iii) Präsentation von 20 Stimuli in Wachzustand | |||
Stimulation: Insgesamt 60 alltagsrelevanten Stimuli (z. B. Schritte, Türklingel, …) | |||
Ngo, Miedema, Faude, Martinetz, Mölle und Born [23] | 2015 | Design: Intersubjekt-Crossover-Design | Studie 1: Driving Stimulation vs. Sham: – Verlängerte SO-Trains, – Erhöhte SO-Amplitude, – Gesteigerte Up-State-Phasen-verbundene Spindelaktivität, – Gesteigerte Gedächtnisleistung über Nacht Studie 2: Driving Stimulation vs. 2‑Klick-Stimulation – Driving Stimulation erhöhte Spindelamplitude nur beim ersten Klick – Kein Unterscheid in Länge der SO-Trains – >2 Klicks führt nicht zu zusätzlicher Erhöhung der Gesamtanzahl der SOs und SO-Amplitude – Schnell verschwindende phasenverbundene Spindelaktivität in Driving Stimulation Fazit: Driving Stimulation ist effektiv, aber übersteigt die Effekte der 2‑Klick-Stimulation nicht. Dies spricht für Mechanismus, der Hypersychnronizität während SO-Aktivität verhindert |
Methode: Online-Detektion einer negative Halbwelle während Nachtschlaf, Stimulation während positiver Halbwelle | |||
Bedingungen: Studie 1: i) Driving Stimulation ii) Sham Studie 2: i) Driving Stimulation ii) 2-Klick-Stimulation | |||
Driving Stimulation: Präsentation des Klicks gefolgt von Detektion eines erfolgreichen SO-negativ Peaks innerhalb 1 s danach. Für jeden erfolgreichen Klick wurde Schwelle (initialer Schwellenwert > −80 µV) um 20 % zum vorherigen Klick heruntergesetzt, wenn Schwelle innerhalb einer Sekunde nicht mehr überschritten wurde, dann für 2,5 s Pause | |||
2‑Klick Stimulation: Feste Intervalle zwischen 1. und 2. Klick von 1,075 s, dann pausiert Algorithmus für 2,5 s | |||
Ong, Lo, Chee, Santostasi, Paller, Zee und Chee [27] | 2016 | Design: Intrasubjekt-Design | Stimulation vs. Sham: – Erhöhung der Amplitude der langsamen Wellen (SW + Delta) – Erhöhung Thetaaktivität – Erhöhung der Spindelaktivität zeitlich beschränkt auf nachfolgende SW-Up-State-Peaks – Verringerte Vergessensquote der Wortpaare Fazit: Effekte auch bei Stimulation während Mittagsschlaf möglich. Einfluss auf deklarative Gedächtniskonsolidierung durch Stimulation einer langsamen Oszillation bei geringerem Amplituden-Kriterium als üblich |
Methode: Online-Detektion einer negativen Halbwelle während Nickerchen am Tag, Stimulation während positiver Halbwelle | |||
Bedingungen: i) 5-Ton-Stimulation ii) Sham-Stimulation | |||
5‑Ton-Stimulation: Stimulation in 5‑Ton-Blöcken, synchronisiert mit Up-State der SO, dann 5 langsame Wellen Pause, dann wieder Stimulation; Stimulation sind 50 ms Bursts mit „pink noise“; Schwelle für Detektion einer langsamen Oszillation bei Peak-to-Peak-Amplitude von > 40 µV | |||
Santostasi, Malkani, Riedner, Bellesi, Tononi, Paller und Zee [37] | 2016 | Design: Intrasubjekt-Design | – PLL effektive Methode, um langsame Wellen zu rekonstruieren – PLL kann korrekte Phase für akustische Stimulation determinieren Fazit: Adaptiver Feedback-Algorithmus (adaptiert sich an individuelle Charakteristika der SW). Modelliert Slow-Wave Aktivität über eine zeitlich ausgedehnte Periode. Jedoch sehr geringe Stichprobe von N = 5 |
Methode: Online-Detektion-Phase-locked Loop (PLL) Stimulation; Detektiert nicht nur eine einzelne langsame Welle, sondern modelliert die SW-Aktivität über ausgedehntere Zeitperiode | |||
Bedingungen: i) 1 Nickerchen mit auditorischer Stimulation ii) 1 Nickerchen Sham-Stimulation | |||
Weigenand, Mölle, Werner, Martinetz und Marshall [45] | 2016 | Design: Single-blind, Counter-balanced Crossover-Design | – 3-Klick-Stimulation evozierte langsame Oszillation und erhöhte deren Power – 3-Klick-Stimulation verringerte die Power langsamer und schneller Schlafspindeln – Nur 1. Klick führte zu einer starken Antwort in der Spindelaktivität – Bezogen auf die gesamte Stimulationsphase zeigte sich eine höhere Power der langsamen Oszillationen und im Delta-Frequenzbereich, wohingegen die Power in den langsamen und schnellen Spindelbändern reduziert war – Open-loop Stimulation nahm keinen Einfluss auf die Gedächtniskonsolidierung – Probanden verbrachten mehr Zeit im Tiefschlaf (N3) während der Nacht mit auditorischer Stimulation im Vergleich zur Nacht mit Sham-Stimulation Fazit: Open-Loop-Stimulation kann Power der langsamen Oszillationen erhöhen, geht aber mit einer Verringerung der Spindelpower einher. Timing der Stimulation ist entscheidend für positive Effekte auf Gedächtniskonsolidierung, Erhöhung der langsamen Oszillationen ohne Erhöhung der Spindeln scheint nicht auszureichen |
Methode: | |||
Bedingungen: i) 1 Nacht 3‑Klick-Stimulation ii) 1 Nacht Sham-Stimulation | |||
3‑Klick Stimulation: Ein Klick entspricht ca. 50 ms Darbietung eines Tons. Zeit zwischen 1. und 2. Klick entspricht der individuellen mittleren Dauer zwischen 1. Klick und maximalem Peak der positiven Halbwelle, frontal detektiert (die mittlere Dauer wurde während der Adaptionsnacht ermittelt). ISI zwischen 2. und 3. Klick ist 1,075 s (nach [22]) | |||
Palambros, Santostasi, Malkani, Braun, Weintraub, Paller und Zee [29] | 2017 | Design: Intrasubjekt-Crossover-Design | Stimulation vs. Sham: – Erhöhung der SW-Aktivität, beginnend 500 ms post Stimulus – Insgesamt SW-Aktivität und Spindelaktivität erhöht während Stimulationsintervallen verglichen mit entsprechenden Sham-Intervallen – Mehr verbrachte Zeit im Tiefschlaf und geringere Einschlaflatenz in Sham-Bedingung, aber Schlafeffizienz höher in Stimulations-Bedingung – Erhöhung der Thetaaktivität durch Stimulation – Zusammenhang zwischen Erhöhung der SW-Aktivität und Abrufleistung – Kein Zusammenhang zwischen schneller Spindelaktivität und deklarativer Abrufleistung Fazit: Methode auch anwendbar bei älteren Probanden, um die SW-Aktivität zu erhöhen |
Methode: Algorithmus von Santostasi et al. [37] | |||
Bedingungen: i) 1 Nacht auditorische Stimulation ii) 1 Nacht Sham Crossover-Design, randomisiert | |||
Auditorische Stimulation: Blocks von 5 Tönen, jeweils 50 ms dargeboten, ISI = 1,2 s. Anschließend Intervall ohne Stimulation | |||
Einzige Studie bei älteren Probanden (60–84 Jahre) | |||
Ong, Patanaik, Chee, Lee, Foh und Chee [28] | 2018 | Design: Counter-balanced Crossover-Design, nach Nacht mit Schlafrestriktion (4 h Bettzeit) | – Deutlich geringere Anzahl langsamer Oszillationen in Stimulation vs. Sham-Bedingung – Langsame Oszialltionen erhöht nach Stimulation – Ausmaß der Erhöhung langsamer Oszialltionen korreliert mit erhöhter Erinnerungsleistung – Aktivierung des Hippocampus während Encoding assoziiert mit Erhöhung der langsamen Oszillationen – Einschlaflatenz höher in Sham-Bedingung |
Methode: Auditorische Stimulation während SO-Up-States, fMRI während Enkodierphase von Bildern nach Mittagsschläfchen | |||
Bedingungen: i) Stimulation während 90-minütigem Mittagsschläfchen ii) Sham Stimulation während 90-minütigem Mittagsschläfchen | |||
Stimulation: Töne präsentiert in 2‑On-, 2‑Off-Blöcken während N2 und N3 | |||
Ngo, Seibold, Boche, Mölle und Born [24] | 2019 | Design: Intrasubjekt-Crossover-Design | – Spindelstimulation führte nicht direkt zur Erhöhung endogener Spindelaktivität während SO-Up-States – Beide Stimulationen führten zu einer resonanten SO-Antwort, – begleitet von Erhöhung der Spindelpower phasen-verbunden mit dem SO-Up-State – Kein Einfluss auf Gedächtniskonsolidierung – Schlafdauer in Nacht mit Spindelstimulation gegenüber Sham leicht erhöht Fazit: Spindelstimulation zeigt ähnliche Effekte wie auditorische Closed-Loop-Stimulation bzw. der langsamen Oszillationen, jedoch keinen Effekt auf die deklarative Gedächtniskonsolidierung |
Methode: Online-Detektion einer negativen Halbwelle während Nachtschlaf, Stimulation während positiver Halbwelle | |||
Bedingungen: i) Auditorische Spindelstimulation ii) Arrhythmische auditorische Stimulation iii) Sham-Stimulation | |||
Spindelstimulation: Nachahmung der Spindelaktivität nach Detektion eines Peaks einer negativen Halbwelle | |||
Arrhythmische Stimulation: 7 kurze Klicks während Peak der positiven Halbwelle | |||
Prehn-Kristensen, Ngo, Lentfer, Berghäuser, Brandes, Schulze, Göder, Mölle Baving [30] | 2020 | Design: Doppelblind, Placebo-kontrolliertes Design | – SO-Aktivität durch Stimulation erhöht in Patienten und gesunden Probanden – Gedächtnisleistung nach Stimulation nur bei gesunden Kindern gesteigert – Reaktionszeit in prozeduraler Aufgabe sowie in Aufgabe bzgl. Arbeitsgedächtnis in Patienten nach Stimulation (vs. Sham) verbessert, aber nicht in der Kontrollgruppe – Mehr verbrachte Zeit in Schlafstadium 2 (N2) bei Patienten während Sham-Nacht verglichen mit der Stimulationsnacht Fazit: Erhöhung der SO-Amplitude durch auditorische Closed-Loop-Stimulation sowohl bei gesunden Kindern als auch bei Kindern mit ADHS |
Methode: Closed-Loop-Stimulation, Online-Detektion endogener SOs (nach [22]) | |||
Bedingungen: i) 1 Nacht Stimulation ii) 1 Nacht Sham | |||
Studie bei Jungen (8–12 Jahre) ohne und mit ADHS | |||
Wei, Krishnan, Marshall, Martinetz und Bazhenov [44] | 2020 | Design: | Teil 1: – Stimulation 500 ms nach Detektion eines Down-State führte zu maximalen synaptischen Veränderungen und maximaler Leistungssteigerung Teil 2: – Stimulation in optimaler Phase führte zu leicht höherer SO-Power und zu einer leicht höheren SO-Peak-Frequenz – Beide Stimulationen führten zu einer höheren SO Power, besserer Lernleistung Fazit: Closed-Loop-Stimulation während Down-State, kurz vor Übergang zu Up-State zeigte stärksten Einfluss auf SO-Parameter und steigerte Abrufleistung am stärksten |
Teil 1 Methode: Closed-Loop-Stimulation: Detektion eines Down-States, Detektion eines Up-States | |||
Bedingung: i) Cue präsentiert mit 0, 100, 200, 300, 400 oder 500 ms Verspätung nach Up-State ii) Cue präsentiert mit 0, 100, 200, 300, 400 oder 500 ms Verspätung nach Down-State | |||
Cue: auditorisch präsentierte Abfolge von Buchstaben | |||
Teil 2 Bedingungen: i) Stimulation in der optimalen Phase, vorhergesagt durch das Modell ii) 2-Klick-Stimulation (Ngo et al. [23]) iii) Sham (keine Stimulation) |
Auditorische Stimulation als Behandlungsoption
Fazit für die Praxis
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Die kognitive Verhaltenstherapie der Insomnie ist laut Leitlinien der Goldstandard zur Insomniebehandlung, jedoch fehlen Behandlungsangebote in ausreichend großer Zahl. Die medikamentöse Behandlung kommt aufgrund von Nebenwirkungen und geringer langfristiger Wirksamkeit nur für eine kurzzeitige Behandlung in Frage. Zudem gelingt nicht immer eine vollständige Remission. Innovative Verfahren wie die Modulation der Gehirnaktivität mittels auditorischer Stimulation sollten daher auf ihre Effektivität bei Insomnie überprüft werden.
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Die Verstärkung langsamer Oszillationen im Tiefschlaf mittels gezielter auditorischer Stimulation ist möglich und kann schlafabhängige Prozesse wie die Gedächtniskonsolidierung beeinflussen.
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Trotz bestehender Hinweise gibt es bisher keine Studie zur Wirksamkeit auditorischer Stimulation zur Verbesserung des Schlafs bei Patienten mit Insomnie.