Sepsis: Große Defizite bei der initialen Antibiotikatherapie

Über erschreckend hohe Fehlerraten bei der Initialtherapie der bedrohlichen Sepsis berichtet Professor Eckhard Müller (Herne). Ein maßgebliches Problem dabei ist die systematische Unterdosierung der vital indizierten Antibiose [1]. Dies geht im Wesentlichen darauf zurück, dass die in der Anfangsphase der Sepsis stark erhöhte renale Clearance nicht beachtet wird [2]. Die situationsadäquate Dosis liegt oft deutlich über den Herstellerempfehlungen und ist den einschlägigen Richtlinien zu entnehmen. »Insbesondere die hydrophilen Antibiotika sind von dieser Problematik betroffen«, so Professor Müller. An erster Stelle seien hier die Betalaktamaseinhibitoren zu nennen. Das frühzeitige Monitoring der Serumspiegel mit konsequenter Dosisanpassung ist für den Herner Anästhesisten deshalb bei der Sepsis unumgänglich. Falsche Schwerpunkte Er warnt auch vor unzutreffenden Paradigmen: »In der Vergangenheit war der Fokus der Intensivmediziner bei diesen Patienten zu viel auf die Vermeidung unerwünschter, renaler Nebenwirkungen von Antibiotika gerichtet. Heute liegt der Fokus auf der adäquaten Dosierung und den damit gegebenenfalls verbesserten Überlebenschancen.« Nach Meinung von Professor Müller werden bei der Initialtherapie der Sepsis auch falsche Schwerpunkte gesetzt. Die etablierte Regel die Antibiose möglichst in der ersten Stunde nach Sepsisbeginn zu initiieren, hält einer empirischen Überprüfung nicht stand. Dieses Dogma bedarf nach seiner Meinung einer Revision. Richtungsweisend ist hier eine aktuelle Studie, die zeigt, dass erst ab der sechsten Stunde mit einer exzessiv gesteigerten Mortalität gerechnet werden muss [3]. Als hilfreich zur Abschätzung der klinischen Prognose der Sepsis erweist sich dabei das Serumlaktat. Bei Werten > 4 mmol/L ist mit einem verdoppelten Mortalitätsrisiko zu rechnen [4]. Aktuelle Erkenntnisse werden nicht umgesetzt Kenntnisse und Abläufe zur Optimierung der Antibiotikatherapie in der Intensivmedizin werden zunehmend komplexer. Zur Sicherstellung der notwendigen klinischen Expertise hält Müller die Implementierung von Antibiotic-Stewardship-Programmen auf Intensivstationen für unabdingbar. Dies gewährleistet nicht nur in der Initialphase der Sepsis den optimalen Einsatz der Antibiose. Unter dem Aspekt der Resistenzentwicklung ist es auch notwendig, die Antibiotikatherapie evidenzbasiert zu verkürzen. So ist mittlerweile klar, dass bei Sepsis und chirurgisch sanierter Peritonitis die Antibiotikadauer vier Tage nicht überschreiten sollte [5]. Eine längere Therapiedauer bleibt für den Patienten ohne Nutzen. Professor Müller beklagt in seinem Fazit die weiterhin bestehende Übersterblichkeit bei der Sepsis. Für ursächlich hält er die nicht hinreichende klinische Umsetzung der aktuellen Erkenntnisse zur Antibiotikatherapie. Literatur [1] Pletz MW, Eckmann C, Hagel S, Heppner HJ, Huber K, Kammerer W, Schmitz FJ, Wilke M, Grabein B. Multiresistente Erreger – Infektionsmanagement 2015. Dtsch Med Wochenschr. 2015;140:975–981 [2] Sime FB, Udy AA, Roberts JA. Augmented renal clearance in critically ill patients: Etiology, definition and implications for beta-lactam dose optimization. Curr Opin Pharmacol. 2015;24:1–6 [3] Sterling SA, Miller WR, Pryor J, Puskarich MA, Jones AE. The impact of timing of antibiotics on outcomes in severe sepsis and septic shock: A systematic review and meta-analysis. Crit Care Med. 2015;43:1907–1915 [4] Casserly B, Phillips GS, Schorr C, Dellinger RP, Townsend SR, Osborn TM, Reinhart K, Selvakumar N, Levy MM. Lactate measurements in sepsis-induced tissue hypoperfusion: Results from the surviving sepsis campaign database. Crit Care Med. 2015;43:567–573 [5] Wenzel RP, Edmond MB. Antibiotics for abdominal sepsis. N Engl J Med. 2015;372:2062–2063

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