Erschienen in:
16.02.2022 | Intoxikationen | Leitthema
Todesfälle im Polizeigewahrsam
verfasst von:
Prof. Dr. med. habil. S. Heide, MME, U. Schmidt, A. Engel, S. Jacobi
Erschienen in:
Rechtsmedizin
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Ausgabe 2/2022
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Zusammenfassung
In den letzten Jahrzehnten wurden mehrere systematische Untersuchungen von Todesfällen im polizeilichen Gewahrsam mit teilweise sehr unterschiedlichen Ein- und Ausschlusskriterien durchgeführt. Bei den Verstorbenen handelt es sich zumeist um Männer zwischen dem 30. und 45. Lebensjahr. In europäischen Ländern zeigt sich eine deutliche Dominanz nichtnatürlicher Todesfälle. Bei Fällen ohne polizeiliche Gewaltanwendung stehen Intoxikationen im Vordergrund. Todesfälle mit polizeilichen Gewaltanwendungen, wie Schussverletzungen und Fixierungsmaßnahmen, sind im außereuropäischen Raum häufiger anzutreffen.
Die rechtsmedizinische Begutachtung sollte neben der Leichenschau vor Ort eine postmortale CT-Untersuchung und eine umfassende Präparation des Weichteilsystems beinhalten. Des Weiteren sind chemisch-toxikologische und histologische Untersuchungen erforderlich. In Abhängigkeit von den Fallumständen sind kardio- und neuropathologische Untersuchungen sowie interdisziplinäre Konsultationen zu empfehlen. Zur weiteren Abklärung müssen die medizinische Vorgeschichte, die evtl. Feststellung der Gewahrsamstauglichkeit, das Gewahrsamsbuch der Polizei und die aktuell gültige Gewahrsamsordnung herangezogen werden.
Bei künftigen systematischen Studien sollte eine Unterscheidung zwischen Todesfällen im Polizeigewahrsam im eigentlichen Sinne und Sterbefällen im Zusammenhang mit polizeilichen Gewaltanwendungen vorgenommen werden. Für die Prüfung der Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen können wiederholte Studien in gleichen Regionen hilfreich sein. Einen weiteren Ansatzpunkt bieten systematische Fehleranalysen im Rahmen von wissenschaftlichen Studien oder einer Erfassung in nationalen Datenbanken. Des Weiteren sollten für die Beurteilung der Gewahrsamstauglichkeit nationale und internationale Standards erarbeitet werden.