Erschienen in:
10.10.2019 | Intoxikationen | Leitthema
Vergiftungen durch chemische Kampfstoffe
verfasst von:
Timo Wille, Dirk Steinritz, Franz Worek, Prof. Dr. Horst Thiermann
Erschienen in:
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz
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Ausgabe 11/2019
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Zusammenfassung
Chemische Kampfstoffe stellen trotz langjähriger internationaler Anstrengungen zur Abrüstung eine Gefahr für die Bevölkerung dar. Gründe sind existierende Restbestände, unsachgemäß entsorgte chemische Munition und in der offenen Literatur verfügbare Synthesevorschriften. Auch in kriegerischen Auseinandersetzungen und bei terroristischen Anschlägen forderten chemische Kampfstoffe in jüngerer Zeit Tausende Tote und Verletzte. Dieser Beitrag stellt chemische Kampfstoffe und vergleichbare Substanzen sowie die durch sie ausgelösten Symptome bei vergifteten Patienten vor. Neben konkreten Behandlungsempfehlungen für die einzelnen Substanzgruppen werden Parallelen zu bekannteren, pathomechanistisch verwandten Vergiftungen gezogen. Darüber hinaus werden Aspekte der Detektion, Diagnose und des allgemeinen Managements wie Dekontamination und Antidotbevorratung beschrieben.
Nach Wirkort werden Lungen‑, Blut‑, Haut‑, Nerven- und Psychokampfstoffe unterschieden, die bei Raumtemperatur meist flüssig oder gasförmig sind. In den letzten Jahren sind Pharmaceutical-Based Agents (PBA) als Gruppe hinzugekommen, die zwar gemäß Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) nicht als chemische Kampfstoffe gelten, aber aufgrund ihrer hohen Toxizität aufgeführt werden. PBA umfassen u. a. die synthetischen Opioide, die auch bei inhalativer Aufnahme wirken.
Bei der Rettung betroffener Personen sind die frühe Detektion der Kampfstoffe, die Absperrung der Kontaminationszone und die Verwendung von Chemikalienschutzanzügen und Atemschutz notwendig. Die Exposition muss so schnell wie möglich beendet werden, indem der Patient aus dem Gefahrenbereich gebracht und dekontaminiert wird, Letzteres auch um Sekundärkontaminationen bei anderen Personen und von rückwärtigen Einrichtungen zu verhindern. Je nach Art des Kampfstoffs wird eine entsprechende Therapie eingeleitet.