Listeria monocytogenes wurde in den 1920er-Jahren identifiziert und zu Ehren des im 19./20. Jahrhunderts lebenden britischen Mediziners und „Vater der antiseptischen Chirurgie“ Lord Joseph Lister benannt. Listerien sind grampositive, begeißelte, fakultativ anaerobe Stäbchenbakterien, die sich intrazellulär vermehren. Sie können direkt von einer Wirtszelle in die Nachbarzelle vordringen und somit anatomische Barrieren wie Schleimhäute, die Blut-Hirn-Schranke oder wie in diesem Fall die Blut-Retina-Schranke überwinden. Eine Ansteckung erfolgt in erster Linie über kontaminierte Lebensmittel, hier sind v. a. Rohmilch- und Rohfleischprodukte, Räucherfisch und Sprossen zu nennen [
5]. Listerien sind fakultativ pathogene Erreger, sodass eine Infektion auch asymptomatisch verlaufen kann. Leichte Verläufe einer Listeriose können sich bei Immunkompetenten durch gastrointestinale Infekte oder wie im Falle unseres Patienten durch unspezifische, grippeähnliche Symptome äußern. Vor allem Immunsupprimierte, Ältere und Schwangere sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, komplizierte Verläufe einer Listeriose (Meningitis, Sepsis) zu erleiden oder zu versterben. Zudem kann eine Infektion von Mutter zu Kind transplazentar oder bei der Geburt erfolgen, was zum Abort oder zur Neugeborenensepsis oder -meningitis führen kann [
5].
Eine okuläre Listeriose ist selten und äußert sich zumeist als exogen verursachte Konjunktivitis oder seltener auch Keratitis [
7]. Deutlich seltener kommt es zur endogenen Listerienendophthalmitis, bei der der Erreger von einem meist ungeklärten Infektfokus über den Blutstrom unter Überwindung der Blut-Retina-Schranke in das Auge gelangt. Ihr Anteil an allen endogenen Endophthalmitiden wird mit 4 % angegeben [
4], wobei endogene Endophthalmitiden wiederum nur 2–8 % aller Endophthalmitiden ausmachen [
6]. Der Großteil der Endophthalmitiden tritt exogen verursacht nach Augenoperationen oder -traumata auf [
4].
Seit 1967 wurden nur etwas mehr als 30 Fälle einer Listerienendophthalmitis publiziert; 27 dieser Fälle wurden in einem Review-Artikel von Bajor et al. hinsichtlich des Patientenkollektivs, des okulären Befunds, der Therapie und des Verlaufs analysiert [
1]. Es existiert eine weitere Arbeit von Chersich et al., die zusätzlich unveröffentlichte Daten (nationale Gesundheitsbehörden, Kongressbeiträge etc.) einbezog und insgesamt 43 Fälle analysierte [
2]. Die Patienten waren überwiegend männlich und im durchschnittlichen Alter von ca. 60 Jahren, ähnlich unserem Patienten. Etwa 50 % aller Patienten waren immunsupprimiert. Im Falle unseres Patienten lag keine eindeutige Immunsuppression vor, jedoch in Form der rezidivierenden Analfisteln eine chronische Erkrankung und potenziell erleichterte Eintrittspforte für Listerien in den Blutstrom. Unser Patient hatte wie die überwiegende Mehrzahl der Patienten über Schmerzen, Augenrötung und eine Visusminderung geklagt, etwa die Hälfte berichtete außerdem von grippeähnlichen Symptomen [
1]. Typische Befunde sind ein massiver fibrinöser Vorderkammerreiz, Hornhautpräzipitate und ein Hypopyon, so auch bei unserem Patienten. Zur Infiltration des Glaskörpers kommt es meist erst verzögert. Die Tatsache, dass aufgrund dieser Befunde die Listerienendophthalmitis initial sehr häufig als sterile Uveitis anterior fehldiagnostiziert wird, erklärt den oft verzögerten Beginn einer effektiven Therapie. Zwischen Erstvorstellung und Einleiten der adäquaten Therapie lagen im Mittel 13 (4 bis 32) Tage [
1] bzw. 8 (1 bis 38) Tage [
2], im Falle unseres Patienten 10 Tage. Auch in unserem Fall hätte eine ppV zu einem früheren Zeitpunkt, z. B. bereits bei Verschlechterung unter der intravitrealen Antibiosegabe, erwogen werden können und dadurch aufgrund des früheren Keimnachweises rascher eine adäquate i.v.-Antibiose eingeleitet werden können. Bei fast allen untersuchten Patienten kam es zu einer deutlichen Augeninnendruckerhöhung, zudem wurde charakteristischerweise ein durch Irispigmentdispersion dunkles Hypopyon beschrieben [
1], beides zeigte sich in unserem Fall nicht. Da sich die Listerienendophthalmitis insbesondere im anterioren Segment abspielt und die Netzhaut oft nicht betroffen ist, ist die Visusentwicklung bei adäquater und rascher Therapie meist erfreulicher als bei endogenen Endophthalmitisfällen im Allgemeinen, die in ca. 70 % in einem Visus von Fingerzählen oder schlechter resultieren [
3]; 44 % [
1] bzw. 60 % [
2] der analysierten Listerienendophthalmitiden erreichten einen Endvisus von 0,1 oder besser, 26 % [
1] bzw. 40 % [
2] sogar einen Endvisus von mindestens 0,6. Auch unser Patient wies bei der letzten Vorstellung einen relativ guten Visus von 0,3 auf, der weitere Verlauf ist uns nicht bekannt, da keine Wiedervorstellung in unserer Klinik erfolgte.