30 Fragen und Antworten zu „Apps auf Rezept“

Ärzte sollen bald digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verordnen dürfen. Was es zu beachten gilt, welche Apps in Betracht kommen und wie die Erstattung abläuft, das beantworten wir in FAQ. Ärzte sollen bald digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) verordnen dürfen. So sieht es das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) vor, das kurz vor Weihnachten in Kraft getreten ist. Details zu den „Apps auf Rezept“ liefert eine separate Rechtsverordnung, deren erster Entwurf nun nachgeschoben wurde. Was Ärzte bei der Verordnung von DiGA beachten sollen, welche Apps in Betracht kommen und wie die Erstattung abläuft, das beantworten wir in folgenden FAQ: Wer soll die Erstattung von Apps beantragen dürfen? Laut Verordnung darf das jeder Hersteller von Medizinprodukten. Welche DiGA kommen in Betracht? Sie müssen als Medizinprodukte verkehrsfähig sein, also von einer „Benannten Stelle“ zertifiziert worden sein. Allerdings dürfen nur DiGA der Risikoklassen I und IIa angemeldet werden. Wie sollen diese Apps konkret in die Erstattung gelangen? Dafür müssen sie in dem DiGA-Verzeichnis beim BfArM veröffentlicht werden. Die Anbieter müssen einen entsprechenden Antrag stellen und etliche Nachweise erbringen. Dazu zählt auch, dass sie mittels Studien positive Versorgungseffekte nachweisen. Wie lange dürfte so ein Verfahren beim BfArM dauern? Laut Paragraf 139e SGB V, der mit dem DVG eingeführt wurde, soll das BfArM binnen drei Monaten nach Antragsstellung entscheiden, ob die Anwendung in das Verzeichnis aufgenommen wird. Bei unvollständigen Antragsunterlagen soll das BfArM dem Hersteller drei weitere Monate einräumen, um die Unterlagen nachzureichen. Für die Beantragung muss der Hersteller bereits den Nutzen seiner DiGA belegen können. Können auch Apps ohne Nutzennachweis erstattet werden? Ja, und zwar für zunächst zwölf Monate zur Erprobung. In dieser Zeit muss der Anbieter den Nutzen nachweisen. Schafft er das nicht, bestehen aber Hoffnungen auf positive Effekte, kann das BfArM die Frist um zwölf Monate verlängern. Damit eine DiGA erprobt werden kann, muss der Hersteller „plausibel“ begründen, dass seine App die Versorgung verbessern kann. Dafür muss er von einer „herstellerunabhängigen Institution“ ein wissenschaftliches Evaluationskonzept vorlegen. Und mit Aufnahme in das Verzeichnis ist die App erstattungsfähig? Ja. Jedoch muss der Hersteller dann mit dem GKV-Spitzenverband einen Preis aushandeln (siehe unten). Welche Apps kommen für eine mögliche Erstattung infrage? Positive Versorgungseffekte können laut der Verordnung ein „medizinischer Nutzen“ oder „patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen“ sein. Medizinisch nützlich wäre eine App, wenn sie hilft, den Gesundheitszustand zu verbessern, die Krankheitsdauer zu verkürzen, die Überlebenszeit zu verlängern oder die Lebensqualität zu verbessern. Was sind patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen? Hier geht es um die Unterstützung des „Gesundheitshandelns“ der Patienten. Das reicht von der Früherkennung bis hin zur Therapie. Auch die Kommunikation zwischen Therapeuten und Patienten zählt dazu. Jede Verbesserung der Behandlung, einer leitlinien-gerichteten Therapie, der Adhärenz, des Zugangs zur Versorgung, der Patientensicherheit, Gesundheitskompetenz oder Patientensouveränität kann so ein Nutzen sein. Auch die Bewältigung krankheitsbedingter Schwierigkeiten im Alltag und die Reduzierung therapiebedingter Belastungen von Patienten oder ihrer Angehöriger zählen dazu. Wie sollen die Hersteller den Nutzen ihrer DiGA nachweisen? Die Hersteller müssen dafür vergleichende Studien durchgeführt haben. Es reicht bereits der Nachweis der Überlegenheit gegenüber der „Nichtanwendung“ der App. Eine „zweckmäßige Vergleichstherapie“ als Kontrolle wird in der Verordnung nicht gefordert. Die Studien sollen außerdem hierzulande oder in der EU durchgeführt worden sein. Und die Ergebnisse müssen „vollumfänglich im Internet“ veröffentlicht sein. Für die Beantragung müssen die Hersteller außerdem die Indikationen nach der ICD-10-GM benennen, in denen die DiGA zum Einsatz kommen soll. Und wie ist es bei Diagnose-Apps? Für diagnostische DiGA müssen die Hersteller zusätzlich in Studien belegen, dass Spezifität und Sensitivität zumindest nicht unterlegen sind gegenüber „vergleichbaren und etablierten“ Instrumenten. Wie soll gewährleistet werden, dass die medizinischen Inhalte in den Apps EbM-Kriterien entsprechen? Eine dezidierte Orientierung den Kriterien der evidenz-basierten Medizin (EbM) gibt es nicht. Die Hersteller sollen lediglich „fortlaufend“ sicherstellen, dass die Inhalte „dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen“. Das gilt auch für Gesundheitsinformationen. Eine Verpflichtung, sich an geprüften Informationen, etwa vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), zu orientieren, gibt es nicht. Und wie weisen die Anbieter die Sicherheit ihrer Anwendung nach? Dafür genügt die CE-Zertifizierung als Medizinprodukt durch eine „Benannte Stelle“. Das BfArM prüft lediglich die „formale Rechtmäßigkeit“ der Kennzeichnung. Bei „begründetem Anlass“ soll das BfArM vom Hersteller weitere Nachweise verlangen dürfen. Welche Anlässe das sein könnten, ist im Verordnungsentwurf nicht definiert. Auch muss der Hersteller erklären, dass sein App „robust gegen Störungen und Fehlbedienungen“ ist. Was genau könnte ein "begründeter Anlass" sein? Das ist im Verordnungsentwurf nicht definiert. Wird sich das BfArM auch Datenschutz- und Sicherheit anschauen? Eine dezidierte Prüfung der App durch die BfArM auf diese Aspekte sehen weder die Verordnung noch das DVG vor. Allerdings muss der Hersteller bei der Antragstellung erklären, dass seine DiGA bestimmte Anforderungen erfüllt. Welche Datenschutzanforderungen muss die DiGA erfüllen? Personenbezogenen Daten dürfen nur nach Einwilligung der Nutzer verarbeitet werden und nur zum Gebrauch der App, zum Nachweis von Versorgungseffekten, zur Abrechnung und Ermittlung von Erfolgen für die erfolgsabhängige Vergütung der Anbieter durch die Kassen. Und die Verarbeitung darf für gewöhnlich nur im Inland oder anderen EU-Staaten erfolgen. Auch dürfen die Daten nicht für Werbezwecke verwendet werden. Ist die Übermittlung der Daten an Google, Facebook und Co damit sicher verboten? So dezidiert steht es nicht in der Rechtsverordnung. Wie so oft gibt es außerdem einigen Interpretationsspielraum. So soll Herstellern von DiGA erlaubt werden, die Nutzerdaten zur „dauerhaften Gewährleistung der technischen Funktionsfähigkeit und Nutzerfreundlichkeit“ der App zu verarbeiten. Das könnte bei entsprechender Auslegung der Vorschrift bedeuten, dass ein Anbieter Dienste wie Amplitude oder andere in die App einbindet. Sie versprechen den App-Herstellern Hilfe bei der Verbesserung der „Nutzerfreundlichkeit“. Dafür werden aber nicht selten etliche Nutzer- und Nutzungsdaten übermittelt. Und was mit den Daten bei diesen Anbietern, die oft in den USA sitzen, passiert, erschließt sich den Nutzern in der Regel nicht. Wie steht es um die Datenübertragbarkeit? Dieses Recht gibt es ja immer hin der DSGVO. Tatsächlich sollen die DiGA Export und Übertragung der Daten in „geeigneten interoperablen Formaten“ ermöglichen. Das gilt ganz besonders dann, wenn „Wearables“ eingesetzt werden sollen. Die Hersteller sollen Schnittstellen verwenden, die im Interoperabilitätsverzeichnis der gematik (Paragraf 291e SGB V) veröffentlicht sind. Wollen sie andere Schnittstellen einsetzen, müssen sie sie „zur freien Nutzung veröffentlichen“ und deren Aufnahme in das gematik-Verzeichnis beantragen. Werden die Hersteller auch zur Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) verpflichtet? Ja, und zwar spätestens ab Juli 2021. Dann sollen die DiGA in der Lage sein, „Auszüge“ der verarbeiteten Daten, vor allem zu Therapieverläufen oder Therapieergebnissen, in die ePA „überführen“ zu können. Dürfen die Apps Werbung zeigen? Nein, das ist dezidiert verboten. Müssen die DiGA-Hersteller für die Nutzer einen Support anbieten? Faktisch ja. Sie sollen die „Versicherten bei der Bedienung unterstützen“. Wie sie das konkret umsetzen, bleibt ihnen allerdings selbst überlassen. Was müssen die Anbieter dem BfArM sonst noch mitteilen? Gebrauchsanweisung, Beschreibung der DiGA und ihrer Funktionen, eventuell erforderliche ärztliche Leistungen, Übersicht aller bei der Entwicklung beteiligten Einrichtungen, Kompatibilitätszusagen und die tatsächlichen Preise. Was soll das die Anbieter überhaupt kosten? Die Gebühren für jeden Antrag sollen mindestens 3000 Euro, höchstens jedoch 9900 Euro betragen. Geht ein Hersteller gegen eine Entscheidung in Widerspruch, muss er auch dafür die Gebühren zwischen 1500 und 4900 Euro tragen. Können Hersteller an Apps einfach Veränderungen vornehmen? Das können sie nicht, denn sonst würden sie aus dem Verzeichnis und damit der Erstattung fallen. Sie sind verpflichtet, „wesentliche Änderungen“ dem BfArM anzuzeigen – und zwar, bevor die Änderungen umgesetzt werden. Das BfArM muss dann entscheiden, ob die Änderung legitim ist, oder ob die DiGA aus dem Verzeichnis gestrichen wird. Wird denn jeder in das Verzeichnis schauen können? Ja. Jedenfalls heißt es, dass BfArM solle es ab dem 1. Januar 2021 „im Internet“ veröffentlichen und auf eine für Patienten und Leistungserbringer „intuitiv zugängliche Struktur, Form und Darstellung“ achten. Ab wann dürfen Ärzte „Apps auf Rezept“ überhaupt verordnen? Sobald eine App im Verzeichnis beim BfArM gelistet ist, gilt sie als verordnungsfähig zulasten der GKV. Bekommen Ärzte dafür eine Vergütung? Nein, für die Verordnung der Apps gibt es kein Honorar. Allerdings können Ärzte Honorare erhalten, sobald „ärztliche Leistungen für die Versorgung“ durch eine DiGA nötig sind. Die Selbstverwaltung muss binnen drei Monaten nach Aufnahme der App in das Verzeichnis eine Leistungsziffer samt Bewertung verhandeln. Solange noch keine Preise im EBM für die ärztlichen Leistungen beim Einsatz Apps mit Nutzennachweis verhandelt sind, können Patienten die Leistungen beim Arzt über Kostenerstattung in Anspruch nehmen. Die Kassen sollen die Hersteller für jede App-Verordnung honorieren. Wie werden die Preise festgelegt? Sobald eine DiGA in das Verzeichnis aufgenommen ist, muss der GKV-Spitzenverband mit dem Hersteller einen Preis verhandeln. Als Basis dafür gelten unter anderem die eingereichten Studiendaten. Die Unterlagen und Verhandlungen sind vertraulich. Und was ist mit den Preisen bis zum Abschluss der Verhandlungen? Die verhandelten Preise sollen erst ab dem zweiten Jahr nach Aufnahme in das Verzeichnis gelten. Im ersten Jahr sollen die Kassen die „tatsächlichen Preise“ für die Apps vorläufig erstatten. Was sind denn „tatsächliche Preise“? Das sind vermutlich die Preise, die etwa in den App-Stores gelistet sind. Allerdings soll der GKV-Spitzenverband mit den einschlägigen Verbänden eine Rahmenvereinbarung verhandeln. In der soll festgelegt werden, wie diese „tatsächlichen Preise“ ermittelt werden. Dort sollen auch die Höchstbeträge für die Erstattung definiert werden. Und es soll eine Preisschwelle festgelegt werden, unterhalb derer die Kassen Apps ohne Verhandlungen mit dem Hersteller erstatten müssen. Wer vertritt die App-Industrie? Laut DVG sind damit die bundesweiten „für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hersteller“ gemeint. Wer genau dazu zählt, ist aber nicht näher geklärt. Etwa könnten dazu Bitkom, der BVMed, der BViTG gehören, aber auch der neue „Spitzenverband“ Digitale Gesundheitsversorgung (SVDVG). Diese Verbände müssten sich zunächst untereinander einig werden. Empfehlung der Redaktion Ärzte Zeitung Logo 05.12.2018 | Link Ärzte Zeitung Dieser Beitrag stammt aus der Feder unserer Kollegen der Ärzte Zeitung. Noch mehr Beiträge zu Gesundheits- und Berufspolitik, aber auch zu Praxisthemen wie Abrechnung und Recht finden Sie bei Ärzte Zeitung Online.

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