Weniger Schmerzen & Stress beim Impfen

Impfen ist für viele Patienten – ob klein oder groß – mit Ängsten besetzt. Wer Schmerzen und Stress für den Impfling bei dem ungeliebten Pflichttermin reduziert, kann daran etwas ändern. Empfehlungen der Ständigen Impfkommission für die Praxis. Was würden Sie als die häufigste Nebenwirkung einer jeden Impfung bezeichnen? Laut Dr. Martin Terhardt, Mitglied der STIKO, hat diesen Titel sicher die Kombination aus Schmerzen, Stress und konsekutiver Angst vor dem nächsten Piks verdient. Verstärkt wird das prägende negative Empfinden beim Impfling oft noch dadurch, dass auch die Eltern angespannt sind und sich hilflos und mitverantwortlich für die schmerzhafte Handlung beim eigenen Nachwuchs fühlen. Als Erwachsener leidet das Kind dann womöglich unter Aufschieberitis von Impfterminen, oder vermeidet sie gleich ganz. So klar diese Abfolge, so erstaunlich die Tatsache, dass das Thema Schmerz- und Stressreduktion bei Impfungen bis vor Kurzem in Deutschland stiefmütterlich behandelt wurde. „Das Impfen war ein ambivalent besetzter, schnell beendeter Routinevorgang“, wie Terhardt es auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin in Köln beschrieb. In Kanada dagegen haben Arbeitsgruppen um Dr. Anna Taddio aus Toronto schon vor Jahren begonnen, entsprechende Leitfäden für die Impfpraxis zu erarbeiten [1]. 2015 zog die WHO nach [2] und seit 2016 spricht nun auch die STIKO Empfehlungen zu schmerz- und stressreduziertem Impfen aus [3]. Die Eltern zu wertvollen Helfern machen Zentraler Bestandteil dieser Strategien sind die Eltern. Terhardt riet dazu, sie schon vor dem ersten Impftermin angemessen aufzuklären und zur aktiven Beteiligung an der Impfung zu ermuntern. Allerdings halten einige Eltern es aufgrund eigener Ängste für besser, wenn sie nicht bei der Impfung dabei sind. „Das geht nicht“, so der Berliner Kinder- und Jugendarzt, „die Eltern sollten ihr Kind unterstützen und trösten können.“ Diese Ängste der Eltern zu erkennen und durch Beratung möglichst zu reduzieren, hilft auch dabei, die Übertragung auf das Kind zu verringern. Aktiv bei der Impfung helfen können Mutter und Vater auf vielerlei Weise: durch lokale Anästhesie (Schmerzpflaster) 30-60 Minuten vor der Impfung (in Einzelfällen, z.B. bei bekannter Spritzenphobie); altersgerechte Ablenkung (Seifenblasen, Spielzeug, Gespräche), Stillen oder Zuckerlösung vor bzw. beim Impfen, Tragen bzw. Halten des Impflings in aufrechter Position an ihrem Körper. Jugendliche und Erwachsene können sich eigenständig ablenken – der Ratschlag, Musik oder Kopfhörer mitzubringen, wird sicher gut ankommen. Keine gute Idee dagegen ist es, so Terhardt, den Schmerz vor dem Piks herunterspielen („Das tut überhaupt nicht weh, du brauchst keine Angst zu haben.“). Stattdessen sollten der Arzt und sein Team auch schon gegenüber Kindern immer ehrlich sein („Das tut jetzt ein bisschen weh, aber du schaffst das.“). Ruckzuck und in der richtigen Reihenfolge impfen Beim Impfen selber kommt es laut Terhardt zunächst einmal auf eine ruhige, strukturierte Atmosphäre an. Und dann ist die Impftechnik entscheidend: Position beim Impfen optimieren; evtl. Eis-Spray bereithalten (Alternative zum Schmerzpflaster, die noch kurzfristig im Moment der Impfung angewendet werden kann); Glukose bzw. Zuckerlösung bereithalten oder bei den Säuglingen anstatt der Zuckerlösung die Rotavirus-Impfung als erstes geben; schnelles Impfen ohne Aspiration; Kombinationsimpfstoffe nutzen; Reihenfolge der Impfstoffe beachten (die schmerzhafteste zuletzt, z.B. Pneumokokken, MMR, HPV). Zum Impfen ohne Aspiration erläuterte Terhardt, dass dies an den heute empfohlenen Injektionsstellen (M. deltoideus und M. vastus lateralis) nicht mehr nötig sei. „Dort können wir keine großen Gefäße verletzen.“ Und noch ein weiterer Hinweis lag Terhardt zum Schluss am Herzen. Die Patienten hätten ein Recht auf stress- und schmerzreduziertes Impfen – aber könnten es nicht einfordern. Routinen zu ändern sei sicher schwierig, der Beratungsaufwand gerade am Anfang höher. Doch nicht nur Kinder und Eltern würden profitieren: „Auch der Impfende fühlt sich wohler!“ basierend auf: Vortrag "Schmerzreduziertes Impfen", Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2017, 22.09.2017, Köln Material für die Praxis Merkblatt für Arzt & Team: Merkblatt „Schmerz- und Stressreduktion beim Impfen“ Poster für die Eltern / Praxis (liegt auch gratis jeder Bestellung im BVKJ-Shop bei): "Wie helfen Sie Ihrem Kind beim Impfen?" Dies & Weitere Infos: Informationsmaterialien zum Impfen des RKI. Stressfrei Impfen) Weiterführende Literatur [1] Empfehlungen aus Kanada: The 5 P's of Pain Management during Vaccine Injections und Website Immunize Canada [2] WHO, Empfehlungen der Strategic Advisory Group of Experts (SAGE) von 2015: Report to SAGE on reducing pain and distress at the time of vaccination [3] STIKO-Empfehlungen vom August 2017 (Hinweise zu Schmerz- und Stressreduktion beim Impfen in Kap. 4.6): Epidemiologisches Bulletin 34/2017

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